
Freiwilligensurvey
Migranten werden beim Ehrenamt immer wichtiger
Während das freiwillige Engagement insgesamt sinkt, steigt es bei Menschen mit Migrationserfahrung spürbar an. Besonders stark unterstützen sie Geflüchtete – trotz schlechterer Löhne, knapperer Zeit und geringerer Einbindung in Vereine.
Mittwoch, 19.11.2025, 14:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 19.11.2025, 14:22 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Das Ehrenamt steht in Deutschland weiter hoch im Kurs: 2024 engagierten sich laut dem sechsten Freiwilligensurvey im Auftrag der Bundesregierung 36,7 Prozent der Bevölkerung freiwillig im Sportverein, für karitative Zwecke, Kultur oder die Kirche. Das sind nach dem am Freitag veröffentlichten Bericht zwar weniger als bei der Erhebung zuvor im Jahr 2019 (39,7 Prozent). Engagierte üben ihr Ehrenamt aber demzufolge inzwischen häufiger aus und nehmen sich mehr Zeit dafür als vor sechs Jahren.
Dem Bericht zufolge wendet knapp ein Viertel der Ehrenamtler (24 Prozent) drei bis fünf Stunden für die Tätigkeit auf, fast jede oder jeder Fünfte (19 Prozent) sechs Stunden oder mehr. 2019 lagen diese Anteile zwei bis drei Prozentpunkte darunter. Für die Erhebung, die rund alle fünf Jahre stattfindet, wurden rund 27.500 zufällig ausgewählte Menschen ab 14 Jahren telefonisch befragt.
Ehrenamtliches Engagement ist der Erhebung zufolge zudem keine Frage von Geschlecht oder Alter. Frauen und Männer engagieren sich demnach gleich häufig. Auch in den Altersgruppen unterscheiden sich die Werte nur minimal, mit Ausnahme der ab 75-Jährigen, bei denen das Engagement deutlich abnimmt. Am meisten sind laut Survey 30- bis 49-Jährige ehrenamtlich aktiv. Unterschiede zeigen sich bei einer Betrachtung des Bildungsstands: Menschen mit hoher Schulbildung engagieren sich demnach häufiger.
Engagement von Migranten steigt
Ebenfalls auffällig sind Unterschiede nach Migrationsgeschichte. Laut Bericht engagieren sich 2024 rund 28 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund freiwillig – ein Wert, der seit 2019 stabil geblieben ist. Während das Engagement in der Gesamtbevölkerung und insbesondere bei Menschen ohne Migrationshintergrund zurückging, legten Personen mit eigener Zuwanderungserfahrung zu. Ihr Anteil stieg von gut 20 Prozent im Jahr 2019 auf knapp 26 Prozent. Besonders stark engagieren sich Menschen dieser Gruppe für Geflüchtete: 37 Prozent der Engagierten mit eigener Migrationserfahrung unterstützten in den vergangenen fünf Jahren Geflüchtete, deutlich mehr als 2019.
Aus der Forschung weiß man, warum Menschen mit Migrationserfahrung insgesamt seltener ehrenamtlich aktiv sind. Der Grund liegt selten in fehlender Bereitschaft, sondern meist in fehlenden Möglichkeiten: Viele arbeiten überdurchschnittlich häufig in schlechter bezahlten Branchen, müssen mehr Stunden leisten, um ein vergleichbares Einkommen zu erzielen, und haben dadurch weniger zeitliche und finanzielle Spielräume für unentgeltliches Engagement. Zudem sind Menschen mit Migrationsgeschichte oft weniger stark in etablierte Vereinsstrukturen eingebunden – sei es, weil sie dort kaum vertreten sind oder weil der Zugang durch fehlende Netzwerke erschwert ist.
Ministerin: Engagement beständig trotz gesellschaftlichem Wandel
Die Staatsministerin für Sport und Ehrenamt, Christiane Schenderlein (CDU), folgerte aus dem Bericht, dass freiwilliges Engagement sich auch bei rasantem gesellschaftlichen Wandel als sehr beständig erweise. Als eine Herausforderung sieht sie die bessere Vereinbarkeit von Familie und Ehrenamt vor dem Hintergrund, dass der stärkste Rückgang des Engagements bei den Frauen zwischen 30 und 49 Jahren zu beobachten ist, wenngleich dies nach wie vor die engagierteste Gruppe ist. Möglichkeiten sieht Schenderlein nach eigenen Worten in der stärkeren Nutzung digitaler Möglichkeiten, um etwa zu umgehen, dass Mütter kleiner Kinder zu abendlichen Vereinssitzungen gehen müssen.
Feuerwehr und Katastrophenschutz gewinnen Engagierte – Kultur und Kirche verlieren
Das meiste freiwillige Engagement findet dem Bericht zufolge im Sport statt, gefolgt von karitativen Tätigkeiten. An dritter Stelle landen die Bereiche Kultur und Musik, Schule und Kindergarten sowie kirchliche oder andere religiöse Engagements.
Der Rückgang der Zahl der Engagierten zeigt sich dem Survey zufolge in nahezu allen Bereichen, insbesondere bei Kultur und Musik, Schule und Kindergarten sowie Kirche und Religionen. Freiwillige gewonnen hat in den vergangenen Jahren nur der Bereich Unfall- und Rettungsdienst, Freiwillige Feuerwehren sowie Bevölkerungs- und Katastrophenschutz.
Der am Freitag veröffentlichte Kurzbericht über die Ergebnisse der Umfrage kann auf der Internetseite der Staatsministerin heruntergeladen werden. Es soll den Angaben zufolge später noch ein ausführlicherer Bericht erscheinen, der Potenziale bei der Gewinnung Freiwilliger sowie deren Motive vertieft beleuchten soll. (dpa/mig) Aktuell Gesellschaft
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