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Nebenan

Ist der Norddeutsche der bessere Deutsche?

Ein ergebnisoffenes Traktat über die Moralität regionaler Identitäten – oder warum die AfD im Süden gedeiht, während der Norden gelassen standhält. Liegt das etwa an den Konservativen?

Von Montag, 17.11.2025, 10:12 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 17.11.2025, 9:15 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Um a priori einmal diesen oft falschverwendeten Begriff zu klären: Norddeutschland, das ist – so weit, so trivial – nur jener Teil Deutschlands, der nicht Süddeutschland ist. Und Süddeutschland – immerhin soviel darf als Konsens angenommen werden – das beginnt südlich von Hamburg.

Während der hässliche Deutsche im Süden des Landes also sein dumpfes Haupt erhebt, um sich bei laufender Kamera – einem fetischhaften Wurstgefresse gleich – Fleischabfälle ungekaut in den Schlund zu stopfen, er Nazi-Parolen nachgröhlt oder wieder Gas und Öl vom Russen kaufen will, während die AfD, den Wind sich endlich frei entfaltender konservativer Fremdenfeindlichkeit unter dem Flügel spürend, in neue Höhen getragen wird, bleibt sich der Norddeutsche in seiner stoischen Gleichgültigkeit treu.

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So der konservative „Landesvater“ Daniel Günther im Fischer- und Bauernstaat SH, der in einer Koalition mit den im Rest der konservativen Republik als Ökofaschisten gebrandmarkten Grünen, arbeitet und bundesweit jene unzweideutige Abgrenzung von der AfD einfordert, der Friedrich Merz sich kategorisch verweigert. Auch hat kürzlich erst der ebenso aus dem hohen Norden stammende bundesdeutsche Außenminister einen veritablen Streit in der Unionsfraktion verursacht, weil er es wagte, festzustellen, dass ihn Syrien heute an Deutschland ’45 erinnere und er nicht sehe, wie es möglich sein könne, hierhin Menschen abzuschieben.

„Bundesweit, wo Merz und seine Ministerpräsidenten unter dem lauten Gejohle der Anhänger der AfD einen Kulturkampf bemühen, weil sie der AfD den rechtsradikalen Raum nicht überlassen wollen, hält die AfD nicht einmal mehr eine Armlänge Abstand oder ist gar schon an der Union vorbeigezogen.“

Die Folge davon, dass Günther und Wadephul die rechte Flanke sperrangelweit offen stehen und menschenverachtende Positionen der AfD überlassen? In Hamburg brachte die AfD zuletzt 7,5 Prozent zustande, in Schleswig-Holstein firmierte sie gleich unter „ferner liefen“. Bundesweit, wo Merz fast täglich mit den grauen Wölfen heult und seine Ministerpräsidenten unter dem lauten Gejohle der Anhänger der AfD einen Kulturkampf bemühen, weil sie der AfD den rechtsradikalen Raum nicht überlassen wollen, hält die AfD nicht einmal mehr eine Armlänge Abstand oder ist gar schon an der Union vorbeigezogen.

Nun sind Merz, Söder, Kretschmer unbestreitbar als sogenannte „Landesväter“, Kanzler oder Wurstinfluencer heillos überfordert und schlicht ungeeignet – eines sollte man ihnen aber nicht so einfach unterstellen: Dass sie sämtlichst so dumm seien, wie sie aussehen. Und das führt mich zu meiner Eingangsfrage, denn schließlich bieten sich an dieser Stelle nur zwei Optionen:

Hypothese A: Doch, sie sind tatsächlich so dumm, wie sie aussehen und es liegt kein Wert darin, die AfD auf die Weise zu bekämpfen, sich mit ihr gesellschaftlich und politisch, wenn auch nicht auf höherer Fraktionsebene, zu verbünden. Vielmehr stärkt man sie nur noch.

Hypothese B: Der Norddeutsche an sich ist schlicht der bessere Deutsche, ja der bessere Mensch. Südlich der Elbe herrscht ein derart krasser moralischer und geistiger Verfall, dass selbst die herrschende politische Klasse in all ihrem kühnen Aufbäumen und mit einer per se zweckdienlichen Strategie nicht in der Lage ist, der AfD noch Einhalt zu gebieten. Reichlich nördlich der Moin-Barriere und selbst noch im hanseatischen Bremen hingegen ist der Mensch per se anständig, moralisch, tugendhaft und integer, dass rechtsradikale Parteien nicht einmal dann einen Fuß in die Türe von Landtag und Bürgerschaft bekommt, wenn diese sperrangelweit offen steht.

Stellen wir nun als eine zweite Hypothese hinzu, dass es noch eine demokratische Mehrheit dafür gibt, dass dem weiteren Aufstieg der AfD ein Riegel vorgeschoben und ein Einsickern ihrer fremdenfeindlichen Parolen in die Tagespolitik unterbunden werden soll, ergeben sich je nach Eingangshypothese ebenso zwei Schlüssen:

„Das bisschen Restverstand, der noch in der CDU vorhanden ist, muss sich des Kanzlers Kuschelkurs mit der AfD entledigen, um Politiker in Amt und Würden zu wählen, die der Verteidigung unserer Demokratie besser gewachsen sind.“

Synthese A: Das bisschen Restverstand, der noch in der CDU vorhanden ist, muss sich des (ohnehin in der Bevölkerung extrem unbeliebten) Kanzlers, dessen Rückhalt in der Fraktion ohnedies überschaubar ist, und all der Bundes- und Landespolitiker auf Kuschelkurs mit der AfD entledigen, um Politiker in Amt und Würden zu wählen, die der Verteidigung unserer Demokratie besser gewachsen sind.

Synthese B: Wahlrecht nur für Norddeutsche, Abspaltung und Wiederangliederung Bayerns an Österreich. Hamburgisch-Schleswig-Holsteinisches Co-Prinzipat im zweijährigen Wechsel zur gemeinsamen Regierung Bundesdeutschlands. Strenge Obergrenze für die Einwanderung über die innerdeutsche Grenze bei noch strengerer Gesinnungsprüfung. Euer „Bier“ – ohnehin lascher ist als unser Tee – wird deutschlandweit verboten. Und Ralf Sögels „Verliebte Fischer“ wird neue Nationalhymne. Erste Strophe wird mitgesungen. Täterätätä Titi! (mig) Meinung

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