
„Stadtbild“
Was, wenn Merz recht hätte?
Mit seiner Stadtbild-Aussage warf Merz Migration und Kriminalität in einen Topf – so, als gäbe es zwischen Eisessen und Ertrinken im Sommer einen Zusammenhang. Er übersieht die entscheidende „dritte Variable“.
Von Dr. Marc Ntouda Mittwoch, 29.10.2025, 10:36 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 29.10.2025, 10:36 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Mit seiner „Stadtbild“ Aussage stellte Friedrich Merz einen Zusammenhang zwischen Migration und Kriminalität in den Raum. Das löste Empörung aus, in Medien und Teilen der Bevölkerung. Doch er hat teilweise recht.
Ausländer sind in der Kriminalitätsstatistik überrepräsentiert. Sie stellen rund 14,8 Prozent der Bevölkerung, aber 37,4 Prozent der Gefängnisinsassen. In Bayern liegt der Anteil sogar über 50 Prozent. Das sind überprüfbare Zahlen. Doch ihre Deutung ist oft voreilig und politisch aufgeladen.
Viele ziehen daraus eine einfache Schlussfolgerung. Wenn Ausländer krimineller sind, müsse man die Einwanderung stoppen. Politisch klingt das logisch. Statistisch ist es zu kurz gedacht.
Bevor man solche Schlüsse zieht, hilft ein Blick auf ein Beispiel aus der Statistik.
„Je mehr Eis gegessen wird, desto mehr Menschen ertrinken.“
In Spanien gibt es jedes Jahr einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Zahl der Ertrinkungsunfälle und dem Eisverzehr. Je mehr Eis gegessen wird, desto mehr Menschen ertrinken. Gibt es also eine direkte Beziehung zwischen Eis und Tod? Natürlich nicht.
Beide Phänomene steigen im Sommer. Das ist die dritte Variable, die alles erklärt. Wenn es heiß ist, gehen mehr Menschen schwimmen. Das führt zu mehr Ertrinkungsfällen. Und weil es heiß ist, essen wir mehr Eis.
So verhält es sich mit Migration und Kriminalität. Forschung zeigt: Kriminalität hängt vor allem von drei Faktoren ab. Geschlecht, Alter und soziale Lage. Männer begehen mehr Straftaten als Frauen. Junge häufiger als Alte. Armut erhöht das Risiko. Diese Muster gelten unabhängig von Herkunft oder Pass.
„Migration betrifft selten 60-jährige Frauen mit sicherem Einkommen.“
Die sogenannte „illegale“ Migration betrifft selten 60-jährige Frauen mit sicherem Einkommen. Sie betrifft meist junge Männer ohne Arbeit und ohne gesicherten Aufenthaltsstatus. Eine Kombination, die in jeder Gesellschaft Kriminalität wahrscheinlicher macht.
Es stimmt also: In Deutschland gibt es manchmal eine Verbindung zwischen Unsicherheit und Migration. Doch die entscheidende Frage lautet: Sind Menschen kriminell, weil sie Ausländer sind? Oder, weil sie häufiger in Lebenslagen geraten, die Kriminalität begünstigen?
Vielleicht liegt das eigentliche Problem weniger in der Migration selbst als in der mangelnden Integration. Studien zeigen, dass soziale Teilhabe, zum Beispiel durch Sport, Konflikte verringert und Vertrauen aufbaut.
„Statistik ist selten einfach.“
Programme wie „Integration durch Sport“ des Deutschen Olympischen Sportbundes oder Initiativen wie „BIKEYGEES e. V.“ in Berlin belegen, dass gemeinsames Handeln und feste Regeln im Verein Integration messbar fördern. Wenn Zugehörigkeit wächst, verschwindet auch das Stadtbildproblem, von dem Merz spricht, ein Stück weit von selbst.
Die Idee der dritten Variable hilft, in hitzigen Debatten klar zu bleiben. Sie erinnert daran, dass Statistik selten einfach ist. Und dass man Ursachen nicht mit Symptomen verwechseln sollte.
Gerade in diesen Zeiten ist das kein schlechter Gedanke. Meinung
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