
Niedersachsen
Kopftuch und Co. – was in öffentlichen Ämtern erlaubt ist
Eine Schöffin darf in einem Gericht kein Kopftuch tragen, eine Lehrerin hingegen schon. Und was gilt bei Polizisten? Sind Kopftuch und Kreuzkette vor dem Gesetz gleich? Die niedersächsischen Ministerien geben einen Überblick.
Montag, 27.10.2025, 11:11 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 27.10.2025, 11:11 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Wer Schöffin in einem Gericht ist, darf kein Kopftuch tragen. Das hat kürzlich das Oberlandesgericht in Braunschweig geurteilt und eine Schöffin ihres Amtes enthoben, nachdem die Frau im Vorgespräch für einen Prozess auf das Tragen ihres Hidschab bestanden hatte. Die ehemalige ehrenamtliche Richterin hatte ihr religiöses, muslimisches Kopftuch zuvor in mehreren Prozessen getragen, ohne, dass sich daran Protest geregt hatte oder es jemandem aufgefallen war, wie das Landgericht Braunschweig mitteilte. Handelt es sich um einen Einzelfall und wie sind die Regeln für das Tragen religiöser Symbole in öffentlichen Ämtern?
Was ist in der Justiz erlaubt?
Für den Justizbereich – also für Richterinnen und Richter oder Staatsanwältinnen und Staatsanwälte – ist seit 2020 im niedersächsischen Justizgesetz das „Neutrale Auftreten im Dienst“ geregelt. Richter – auch ehrenamtliche – und Staatsanwälte dürfen demnach „keine sichtbaren Symbole oder Kleidungsstücke tragen, die eine religiöse, weltanschauliche oder politische Überzeugung zum Ausdruck bringen“, teilte das niedersächsische Justizministerium mit. Es geht also nicht allein um Kopftücher. Ob es weitere vergleichbare Fälle wie in Braunschweig gibt, konnte das Ministerium nicht mitteilen.
Was zunächst wie eine faire Regelung daherkommt, die Gläubige unterschiedlicher Überzeugungen gleichermaßen trifft, trifft in der Praxis muslimische Frauen besonders stark. Während beispielsweise eine Kreuzkette nicht aus religiöser Verpflichtung getragen wird und gegebenenfalls unter dem Hemd weitergetragen werden kann, tragen Musliminnen das Kopftuch nicht als Accessoire. Für sie ist die Kopfbedeckung eine religiöse Verpflichtung, die nicht zur Disposition steht – ähnlich wie in anderen Religionen.
Wie sind die Regelungen in anderen Bereichen?
Lehrkräfte dürfen grundsätzlich religiöse Kopfbedeckungen wie muslimische Hidschabs oder jüdische Kippahs tragen, solange das Gesicht nicht komplett verschleiert wird, wie das niedersächsische Kultusministerium mitteilte. Ausnahmen seien zwar möglich, es gebe aber bisher keinen Fall in Niedersachsen, bei der einer Lehrkraft ihr Kopftuch verboten wurde. Im Schulbereich dürfe ein Kopftuch-Verbot nur dann ausgesprochen werden, wenn dadurch entweder der Schulfrieden gestört oder gefährdet werde. Oder aber wenn „in einer beachtlichen Zahl von Fällen“ durch das Kopftuchtragen eine Gefährdung der staatlichen Neutralität festgestellt werde.
Ähnlich äußerte sich das für Hochschulen zuständige niedersächsische Wissenschaftsministerium. Auch in anderen öffentlichen Ämtern gebe es für „Beamtinnen und Beamte grundsätzlich keine zentralen Verbote“, teilte das niedersächsische Innenministerium mit.
Warum gibt es überhaupt Verbote?
Ziel eines Verbotes sei es, das Vertrauen der Prozessbeteiligten und der Öffentlichkeit in die Neutralität der Justiz zu gewährleisten, teilte das Justizministerium mit. Nach Angaben des Wissenschaftsministeriums müsse dabei in Deutschland aber grundsätzlich zwischen dem Neutralitätsgebot und der Religionsfreiheit abgewogen werden, die beide im Grundgesetz geregelt sind. Das Innenministerium teilte mit, dass Verbote daher nur unter „strengen rechtlichen Voraussetzungen“ und in „besonderen Fällen“ möglich seien.
Das könne der Fall sein, wenn der Staat in Kernbereichen hoheitlicher Tätigkeit auf das äußere Erscheinungsbild von Beamten und Beamtinnen Einfluss nimmt – etwa mit der Pflicht zum Tragen einer Uniform oder Robe. Neben Justizbeamten könne das beispielsweise auf Polizisten und Polizistinnen zutreffen. „Das Tragen individueller Kleidungsstücke oder Kopfbedeckungen, wie beispielsweise eines Kopftuchs, ist dabei nicht vorgesehen“, teilte das Innenministerium mit.
In Kanada, England, Schottland sowie zahlreichen anderen Ländern ist das muslimische Kopftuch oder der Turban bzw. Dastar für Sikhs optionaler Teil der Polizei-Uniform. Auch für Sikhs ist die Kopfbedeckung kein modisches oder religiöses Accessoire, sondern Teil des Glaubensbekenntnisses und damit religiöse Pflicht. Der Name „Dastar“ geht auf „dast-e-yār“ zurück, was bedeutet, die schützende Hand Gottes auf dem Kopf zu haben. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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