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Linienbus im öffentlichen Nahverkehr (Symbolfoto) © de.depositphotos.com

Auf dem Weg zur Fachkraft

Von Syrien ans Steuer eines Mainzer Linienbusses

In Rheinland-Pfalz fehlen Busfahrerinnen und Busfahrer. In Mainz sorgt ein vom Land gefördertes Projekt für Abhilfe, in Trier gehen die Stadtwerke einen etwas anderen Weg. Kreativität ist gefragt.

Von Montag, 20.10.2025, 17:12 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 20.10.2025, 16:00 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Mothana Khder kam 2020 aus Syrien nach Deutschland. Fünf Jahre später sitzt er am Steuer eines Busses der Mainzer Verkehrsgesellschaft (MVG). Der Job des Busfahrers mache ihm Spaß, sagt der 30-Jährige, er möge den direkten Kontakt mit Menschen. Nach einer Ausbildung zum Heizungsinstallateur fand er zunächst keine Stelle, wie er erzählt. Dann machte er bei dem vom Land Rheinland-Pfalz geförderten Projekt „Momentum Mobilität“ mit, das Quereinsteiger zu Busfahrern qualifiziert – mit Erfolg. Er sei sehr froh, jetzt einen sicheren Job zu haben, sagt Khder.

Er ist einer von mittlerweile 59 Menschen, darunter sieben Frauen, die an „Momentum Mobilität“ teilnehmen beziehungsweise teilgenommen haben seit dem Start im Herbst 2022. Die Altersspanne reicht von 25 Jahren bis Mitte 50. Elf Teilnehmer haben erst vor Kurzem begonnen, gehören zur vierten Förderrunde. Deren Kosten belaufen sich auf rund 130.000 Euro. Das Land trägt 55 Prozent, das Jobcenter Mainz 30 und die Mainzer Verkehrsgesellschaft 15 Prozent.

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Fahrschule, Simulator und Alltagshilfe

26 Personen, darunter Khder, haben ihre Fahrprüfung bereits erfolgreich absolviert und sind mit Bussen auf den Straßen der Landeshauptstadt unterwegs. Andere sind gerade in der Fahrausbildung, wie Alaboud Haytham. Auch er kommt aus Syrien, demnächst steht seine Prüfung an. Autofahren sei schon immer sein Hobby gewesen, erzählt er, dazu passe der Beruf des Busfahrers gut. Damit könne er nun selbst Geld für seine Familie verdienen.

Das Besondere am Projekt „Momentum Mobilität“, das sich an arbeitslose Menschen im SGB-II-Bezug richtet, also an Empfänger von Bürgergeld, ist die Kooperation von MVG, Jobcenter und dem Bildungsträger „Arbeit und Leben“. Der Busführerschein wird von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in einer normalen Fahrschule erworben, dann folgt eine betriebsspezifische Ausbildung bei der MVG, unter anderem in einem Simulator. Da geht es etwa um MVG-spezifische Abläufe, um konkrete Busrouten oder Besonderheiten beim Fahren eines Gelenkbusses. Hinzu kommt gezielte Sprachförderung.

„Arbeit und Leben“ unterstützt die Projektteilnehmer zudem bei ganz alltäglichen Fragen abseits des eigentlichen Jobs, wie die Leiterin der Mainzer Zweigstelle des Bildungsträgers, Doris Hormel, erklärt. Mal gehe es um das Thema Aufenthaltsgenehmigung, mal darum, was man machen könne, wenn Schimmel in der eigenen Wohnung sei, mal um einen Kita-Platz für die Kinder, mal um Schulfragen. Sie weiß an dem Projekt besonders zu schätzen, dass auf die Teilnehmer nach der Qualifizierung ein konkreter Arbeitsplatz wartet.

„Busfahrermangel ist längst in der Fläche angekommen“

Für die Mainzer Verkehrsgesellschaft sei „Momentum Mobilität“ weit mehr als ein Qualifizierungsprojekt, sagt Geschäftsführer Florian Wiesemann. Es gehe auch um Vielfalt im Unternehmen und um gesellschaftliche Teilhabe. Die MVG sei mittlerweile in der glücklichen Lage, keinen Fahrermangel mehr zu haben. Dennoch sei sofort klar gewesen, dass es mit dem Projekt weitergehen soll.

Dass jenseits der MVG sehr wohl händeringend nach Fahrern gesucht wird, betont Guido Borning, Geschäftsführer des Verbandes des Verkehrsgewerbes Rheinland-Pfalz. Er verweist auf Erhebungen, wonach bundesweit rund 25.000 Busfahrerinnen und Busfahrer fehlen, davon etwa 20.000 allein im ÖPNV. In Rheinland-Pfalz klagten in nahezu allen Regionen private wie öffentliche Busunternehmen über unbesetzte Fahrerststellen.

„Der Busfahrermangel ist in Rheinland-Pfalz längst in der Fläche angekommen – besonders in den ländlichen Regionen, wo der ÖPNV ohnehin auf Kante genäht ist“, sagt Borning. Projekte wie das in Mainz seien ein gutes Signal, Borning hält sie aber flächendeckend für notwendig. Gleichzeitig müsse die öffentliche Hand anerkennen, dass gute Arbeit auch fair bezahlt werden müsse, Tarifsteigerungen gehörten in die ÖPNV-Finanzierung mit hinein.

Kooperation mit Sprachschulen im Kosovo und in Madagaskar

Fragt sich, warum das Projekt in Mainz nicht auf weitere Regionen ausgedehnt wird? Arbeitsministerin Dörte Schall (SPD) betont, ihr Haus sei auch auf andere Verkehrsbetriebe zugegangen. Der für die anfallende Aufwand und die Eigenbeteiligung an den Kosten könnten jedoch Hürden darstellen. Klar sei aber auch, dass Anstrengung nötig sei, um an gute Mitarbeiter zu kommen.

Dem Ministerium zufolge sind von den 48 Projektteilnehmern bis Ende September dieses Jahres 43 in Arbeit, das sei eine „Erfolgsquote“ von 90 Prozent. Die MVG rechnet vor, dass 70 Prozent der Teilnehmer auch nach zwei Jahren noch bei der Verkehrsgesellschaft tätig seien. Das sei ein in der Branche „sehr hoher Wert“, betont Wiesemann.

Dass der Job des Busfahrers und der Busfahrerin ein sogenannter Mangelberuf ist, betonen auch die Stadtwerke Trier. Die beschäftigen nach eigenen Angaben 220 Fahrerinnen und Busfahrer, zehn Stellen sind vakant. Um Personal zu finden, sind die Stadtwerke im In-, aber auch im Ausland aktiv. Kooperiert wird beispielsweise mit Sprachschulen im Kosovo und in Madagaskar.

Anreize sollen Beschäftigte halten

Im Kosovo seien bisher neun Fahrer gewonnen worden, sechs junge Menschen seien aus Madagaskar eingewandert, um sich bei den Stadtwerken ausbilden zu lassen. Die Kooperationen resultierten aus der Mitarbeit in Netzwerken wie dem „Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge“. Ferner liefen Kooperationen mit der Arbeitsagentur.

Die Trierer Stadtwerke kommen Fahrern nach Möglichkeit auch mit „Wunschdienstplänen“ entgegen, setzen auf Weiterbildung oder auf Anreize wie einem Zuschuss zum Deutschlandticket oder zu einer Fitnessstudio-Mitgliedschaft, für ein Jobrad oder anderes, um Beschäftigte zu halten.

Ob „Momentum Mobilität“ oder ein Engagement wie in Trier – hier wie dort wird betont, dass das Ergebnis einen gewissen Mehraufwand bei der Qualifizierung rechtfertige. Das lohne sich, sagt MVG-Geschäftsführer Wiesemann. Ministerin Schall ergänzt: „Es ist wichtig, Menschen auf dem Weg zur Fachkraft zu begleiten.“ (dpa/mig) Aktuell Panorama

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