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Kakaobohnen (Symbolfoto) © Australian Embassy Jakarta @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Kakao-Barometer

Wie unser Wohlstand auf Bohnen anderer wächst

Eine Tafel Schokolade kostet kaum mehr als einen Euro – und verschafft Millionen Deutschen ein gutes Gefühl. Doch für die Kakaobauern bedeutet sie Armut, Ausbeutung und Aussichtslosigkeit. Wer der Armut entflieht, stößt auf Europas verschlossene Türen.

Mittwoch, 08.10.2025, 13:03 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.10.2025, 13:03 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Eine Tafel Schokolade kostet im Supermarkt kaum mehr als einen Euro – und ist aus deutschen Einkaufswagen kaum wegzudenken. Doch was hierzulande als alltäglicher Genuss gilt, bedeutet für viele Menschen in den Anbauländern harte Arbeit und bittere Realität. Während Schokolade für uns ein süßes Vergnügen ist, kämpfen die Kakaobäuerinnen und -bauern in Westafrika, Lateinamerika und Asien um ihr wirtschaftliches Überleben, wie aus dem neu veröffentlichen Kakao-Barometer 2025 hervorgeht.

Danach bleibt trotz Rekordpreisen für Kakao die Mehrheit der Kleinbäuerinnen und -bauern in Armut gefangen. Der mehr als 200-Seiten starke Bericht beschreibt die vergangenen drei Jahre als die turbulentesten in der Geschichte des Sektors: steigende Weltmarktpreise, zunehmende Armut, anhaltende Kinderarbeit und wachsende Abholzung.

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Obwohl der Kakaopreis in den vergangenen Jahren sämtliche Rekorde gebrochen hat, profitierten Produzentinnen und Produzenten kaum davon, heißt es im Bericht. Gründe sind Ernteausfälle, steigende Kosten, Auswirkungen des Klimawandels und langfristige Lieferverträge, die verhindern, dass höhere Weltmarktpreise bei den Produzenten ankommen. Die Autorinnen und Autoren fordern daher einen sogenannten „Living Income Reference Price“: einen Preis, der es ermöglicht, ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen. Mit den neuen europäischen Regeln zur Sorgfaltspflicht sei die faire Bezahlung längst nicht nur ein moralisches, sondern auch ein rechtliches Muss.

Nicht mehr als ein Hungerlohn

Als Folge des aktuellen Preisbooms nimmt laut dem Barometer unter anderem die Abholzung in Lateinamerika und Zentralafrika zu. Außerdem bestehe die Gefahr einer Überproduktion, was ab 2027 zu einem Preisverfall führen könnte. Entsprechend fordert das Kakao-Barometer Politik und Unternehmen zu strukturellen Reformen auf. Dazu gehören faire Bezahlung, ein weltweites Moratorium gegen kakao-bedingte Abholzung, gleichberechtigte Teilhabe von Frauen sowie mehr Transparenz in Lieferketten.

Letzteres ist auch in Deutschland immer wieder Thema. Allerdings hat die Bundesregierung beschlossen, den deutschen Lieferkettengesetz wieder zurückzufahren. Auch deshalb bleibt für die Kakaobäuerinnen und -bauern kaum mehr als ein Hungerlohn. Viele von ihnen geben auf, weil sie trotz harter Arbeit kein Auskommen mehr finden. Die wachsende Armut zwingt ganze Familien, ihre Dörfer zu verlassen – zunächst in die Städte, später über Grenzen hinweg.

Wirtschaftsflucht kein Asylgrund

Doch wer etwa nach Europa flieht, stößt dort auf geschlossene Türen. Wirtschaftliche Not gilt nicht als Asylgrund. Ein Kakaobauer aus Ghana oder der Elfenbeinküste hat zudem kaum eine Chance, ein Visum als Fachkraft zu erhalten. Die Schokolade im Supermarktregal ist damit Teil eines globalen Systems, das Wohlstand auf der Ausbeutung anderer gründet – und zugleich denen die Hilfe verweigert, die unter seinen Folgen leiden.

So hat der süße Geschmack von Schokolade eine bittere Seite: Er erzählt von globaler Ungerechtigkeit, von kolonialen Kontinuitäten und einer Wirtschaft, die Armut produziert, um Wohlstand zu sichern.

Bäuerin bedankt sich für Schokolade

Als Sinnbild dieses Systems wird in Fachkreisen die Geschichte einer afrikanischen Bäuerin erzählt, die ihr Leben lang Kakaobohnen geerntet hat. Erst mit über 70 Jahren kostete sie zum ersten Mal Schokolade, die ihr ein westlicher Kakaohändler bei einer Plantagenbegehung angeboten hatte. Die Pointe: Die Bäuerin bedankte sich beim Händler für die Schokolade.

Das jährlich erscheinende Kakao-Barometer gilt als zentrale Referenzstudie zur Nachhaltigkeit im Kakaosektor. Herausgegeben wird es vom internationalen Netzwerk Voice Network in Zusammenarbeit mit der Entwicklungsorganisation Solidaridad. (edp/mig) Leitartikel Wirtschaft

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