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NSU-Rechtsterroristin Beate Zschäpe (Archiv) © Marc Müller/AFP

Petition gestartet

Tochter von NSU-Opfer: Kein Aussteigerprogramm für Zschäpe

25 Jahre nach dem ersten NSU-Mord kämpft Semiya Şimşek gegen ein Aussteigerprogramm für Beate Zschäpe – und warnt: Eine rechtsextreme Mordserie könne wieder passieren.

Sonntag, 07.09.2025, 13:50 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 07.09.2025, 14:35 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

25 Jahre nach dem ersten NSU-Mord fordert die Tochter des Opfers Enver Şimşek, die verurteilte Rechtsterroristin Beate Zschäpe aus einem Neonazi-Aussteigerprogramm herauszunehmen. „Sie hatte genügend Zeit, aufzuklären, zu sprechen“, sagte Semiya Şimşek der Deutschen Presse-Agentur in Nürnberg. „Sie hat immer noch Kontakt zu Rechten. Da kann mir niemand erzählen, dass sie aussteigen will.“

Şimşek hat zusammen mit den Töchtern von zwei weiteren NSU-Opfern eine Petition gegen die Aufnahme Zschäpes in das Aussteigerprogramm gestartet. Dies sei noch einmal ein Schlag ins Gesicht für die Opferfamilien gewesen, sagte Şimşek. Diese hatten lange auf die Aufklärung der Taten warten müssen und gerieten dabei zum Teil selbst ins Visier der Ermittler. Vollständig aufklärt sei der NSU-Komplex bis heute nicht, sagte Şimşek. Stand Sonntagmittag wurde sie gut 143.000 Mal unterzeichnet.

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Mordserie blieb jahrelang unentdeckt

Ihr Vater war das erste Mordopfer des rechtsextremen „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU), der über Jahre unentdeckt zehn Menschen umbrachte – darunter neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine deutsche Polizistin. Außerdem wird der NSU für mehrere Bombenanschläge verantwortlich gemacht.

Die Terrorzelle bestand aus den drei Hauptmitgliedern Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, die aus Thüringen stammten und jahrelang in Sachsen im Untergrund lebten. Mundlos und Böhnhardt hatten sich 2011 getötet, um einer Festnahme zu entgehen. Zschäpe wurde 2018 als Mittäterin zu lebenslanger Haft bei besonderer Schwere der Schuld verurteilt.

Gedenken zum 25. Jahrestag

Am 9. September werden Semiya und ihr Bruder Abdulkerim Şimşek am Tatort in Nürnberg an ihren Vater erinnern. An dem Tag vor 25 Jahren feuerten Mundlos und Böhnhardt acht Schüsse auf den türkischen Blumenhändler. Der 38-Jährige starb zwei Tage später im Krankenhaus.

„Die Namen der Opfer und die Taten dürfen nicht vergessen werden“, sagte Semiya Şimşek. Der Rechtsruck in Deutschland bereite ihr Sorgen. Eine ähnliche Mordserie halte sie künftig nicht für ausgeschlossen. „Wegen der Kontinuität von rechter Gewalt nach den NSU-Morden – Hanau, Halle, Walter Lübcke – kann ich mir schon vorstellen, dass das wieder passieren könnte.“

Buch soll Jugendliche informieren und sensibilisieren

Zusammen mit Gamze Kubaşık, Tochter des NSU-Opfers Mehmet Kubaşık, hat sie ein Buch über ihre Geschichte geschrieben, dass sich an junge Menschen richtet. „Viele sind mit dem NSU-Komplex nicht vertraut“, sagte Şimşek. „Wir wollten eine Grundlage schaffen für die Schulen, für die Jugendlichen, damit sie sich mit der Geschichte und dem schwierigen Thema Rassismus auseinandersetzen können.“

Am Montag werden die beiden Frauen für eine Lesung aus ihrem Buch „Unser Schmerz ist unsere Kraft“ nach Nürnberg kommen.

Denkmal gegen Rechtsextremismus in Kassel vorgestellt

Am Donnerstag wurde in Kassel ein Kunstwerk mit dem Namen „86 Grad Walter Halit“ vor mehreren Hundert Gästen vorgestellt. Auf dem Dach des Regierungspräsidiums im Zentrum der Stadt leuchten die Namenstafeln „Walter“ und „Halit“. Sie erinnern an die von Rechtsextremisten ermordeten Kasseler Internetcafé-Betreiber Halit Yozgat und Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Das Lichtobjekt wird ergänzt durch eine Metallstele auf dem Rasen vor dem Regierungspräsidium. Passanten können über einen eingefrästen QR-Code eine Website aufrufen, die Hintergründe des Kunstwerks erläutert. Yozgat war im April 2006 in seinem Internetcafé von der Terrorgruppe NSU ermordet worden, Walter Lübcke wurde im Juni 2019 vor seinem Wohnhaus von dem rechtsextremen Attentäter Stephan Ernst getötet. Beide starben durch Schüsse in den Kopf. Unter den Gästen waren auch deren Familien.

Die in einem Winkel von 86 Grad zusammengesetzten Namenstafeln zeigen jeweils in die Richtung der Wohnorte der Männer (Kassel-Nordstadt und Wolfhagen-Istha), wo sie auch ermordet wurden. „Das Kunstwerk von Natascha Sadr Haghighian ist ein sichtbares Zeichen gegen das Vergessen zweier rechtsextremistisch motivierter Morde“, sagte der hessische Kulturminister Timon Gremmels (SPD). Kassels Oberbürgermeister Sven Schoeller (Grüne) sagte, der Tod von Lübcke und Yozgat ermahne dazu, „niemals wegzusehen, wenn Menschen ausgegrenzt, bedroht oder angefeindet werden“. Halit Yozgat und Walter Lübcke seien Opfer eines fanatisch entfesselten Rechtsextremismus geworden. (dpa/epd/mig) Aktuell Panorama

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