
Menschenrechts- und Umweltstandards
Kabinett bringt Abschwächung des Lieferkettengesetzes auf den Weg
Die Bundesregierung will die Berichtspflichten für Unternehmen abschaffen und künftig nur noch schwere Verstöße gegen Menschenrechts- und Umweltstandards sanktionieren. Entwicklungsorganisationen kritisieren den Schritt scharf.
Mittwoch, 03.09.2025, 16:40 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 03.09.2025, 16:40 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Das vor mehr als zwei Jahren in Kraft getretene Lieferkettengesetz soll abgeschwächt werden. Das Bundeskabinett billigte am Mittwoch in Berlin einen Gesetzentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium, der vorsieht, dass die Berichtspflicht über die Einhaltung der Sorgfaltspflichten für Unternehmen entfällt. Demnach sollen zwar die Sorgfaltspflichten selbst weiter gelten, jedoch nur noch schwere Verstöße sanktioniert werden. Entwicklungsorganisationen üben scharfe Kritik an der Neuregelung.
Laut einem Sprecher des Arbeitsministeriums wird derzeit an einer Verordnung gearbeitet, die Details zu den künftig geltenden Sanktionen festlegen soll. Das deutsche Lieferkettengesetz gilt seit Anfang 2023 und soll sicherstellen, dass Unternehmen die Beachtung von Menschenrechts- und Umweltstandards einhalten. Mit der Abschaffung der Berichtspflichten setzt die Bundesregierung ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag um.
Erklärtes Ziel: Bürokratieabbau
Schon der ehemalige Bundeswirtschaftsminister der Ampel-Regierung, Robert Habeck (Grüne), hatte versprochen, die Berichtspflichten des deutschen Lieferkettengesetzes abzuschaffen. Das Gesetz verpflichtet alle Unternehmen mit über 1.000 Beschäftigten dazu, ihre Lieferketten weltweit zu überwachen und sicherzustellen, dass ihre Partner grundlegende Standards einhalten – dazu gehören angemessene Entlohnung, Umweltschutz und das Verbot von Kinderarbeit.
Langfristig soll das deutsche Lieferkettengesetz durch EU-Recht ersetzt werden. Die EU-Lieferkettenrichtlinie muss bis zum 26. Juli 2027 in nationales Recht umgesetzt werden. Plan der Bundesregierung ist es, dass dieses neue Gesetz bürokratiearm und vollzugsfreundlich umgesetzt wird und das derzeit geltende Lieferkettengesetz „nahtlos“ ersetzt. Bürokratieabbau ist erklärtes Ziel der schwarz-roten Koalition.
Lockerungen auch bei Nachhaltigkeitsberichterstattung
Anders als das deutsche Gesetz soll das künftige EU-Lieferkettengesetz neben der Mitarbeiterzahl von 1.000 auch eine Umsatzgrenze von 450 Millionen Euro weltweit vorsehen.
Parallel dazu hat das Kabinett einen Gesetzesentwurf des Bundesjustizministeriums beschlossen: die Umsetzung der EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen. Die Regelung sieht vor, dass zunächst etwa 240 große deutsche Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitern ab 2025 zusätzlich zum Jahresabschluss über die ökologischen und sozialen Auswirkungen ihres Geschäfts berichten müssen. Betroffen sind kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Banken und Versicherungen.
Organisationen kritisieren Lockerungen
Die Organisation Germanwatch kritisiert beide Gesetzesregelungen. „Die Bundesregierung spricht von Bürokratieabbau. Was sie schafft, ist Rechtsunsicherheit und Verwirrung für Unternehmen“, sagte die Bereichsleiterin für Unternehmensverantwortung, Cornelia Heydenreich. Die Bundesregierung bestrafe nicht nur diejenigen, die als besonders verantwortungsbewusste Unternehmen bei Menschenrechten und Nachhaltigkeit vorangegangen seien, sondern vor allem auch Betroffene von Menschenrechtsverletzungen in globalen Lieferketten.
Auch der entwicklungspolitische Dachverband Venro kritisierte die Abschwächung des Lieferkettengesetzes. „Ohne eine Berichtspflicht wird die Nachverfolgung von Verstößen deutlich komplizierter. Und ohne scharfe Sanktionsmöglichkeiten ist der Staat kaum in der Lage, Standards durchzusetzen“, sagte Vorstandsmitglied Carsten Montag. (epd/mig) Aktuell Politik
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