
Zehn Jahre „Wir schaffen das“
Experte: Geflüchtete aus 2015 sind Outperformer
„Wir schaffen das“ – zehn Jahre später: Die Geflüchteten aus 2015 haben Migrationsforscher Brücker zufolge besser performt als die Wissenschaft erwartet hatte. Doch der politische Diskurs überlagere die objektiven Gegebenheiten.
Von Martina Schwager Donnerstag, 28.08.2025, 10:27 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 28.08.2025, 9:31 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Der Berliner Migrationsforscher Herbert Brücker hält die Integration der 2015 nach Deutschland Geflüchteten für gelungen. Zumindest was den Arbeitsmarkt betreffe, „haben wir sehr viel geschafft“, sagte der Professor für Volkswirtschaftslehre an der Berliner Humboldt-Universität dem Evangelischen Pressedienst – mit Bezug auf den Satz der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) „Wir schaffen das“.
Knapp zwei Drittel der damals überwiegend aus Syrien geflüchteten Menschen gingen einer Beschäftigung nach, das sei die Schätzung aufgrund der bisher vorliegenden Informationen. Im Bevölkerungsdurchschnitt liege die Beschäftigungsquote mit 70 Prozent nur wenig höher.
Die Geflüchteten von 2015 und den Folgejahren seien heute besser integriert als früher gekommene Asylsuchende, ergänzte Brücker. Nur etwa ein Zehntel lebe noch in einer Gemeinschaftsunterkunft. „Sie performen sogar deutlich besser als die Wissenschaft und wir alle es 2015 erwartet hatten.“
Deutschland im internationalen Vergleich
Im internationalen Vergleich stehe Deutschland damit vor den meisten anderen europäischen Ländern, sagte Brücker, der auch Leiter des Forschungsbereichs „Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung“ am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg ist.
Gründe seien zum einen die günstige Wirtschaftslage zwischen 2015 und 2019 und die nachhaltige Integrationsstrategie. Deutschland habe Sprach- und Integrationskurse für die meisten Geflüchteten geöffnet und die Asylverfahren beschleunigt. Auch die breite Willkommenskultur habe eine entscheidende Rolle gespielt.
Sprach- und Integrationskurse sofort
Noch bessere Ergebnisse könnten erzielt werden, wenn Geflüchtete sofort mit Sprachkursen beginnen dürften und schnell eine individuelle Integrationsberatung erhielten, sagte Brücker. Gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern leitet er eine fortlaufende jährliche Befragung von Geflüchteten, die seit 2013 in Deutschland Schutz gesucht haben.
Zudem sollten Arbeitsmarktkriterien bei der Verteilung der Geflüchteten auf die Regionen berücksichtigt werden: „Da haben wir in der Vergangenheit zwischen drei und fünf Prozentpunkte bei der Beschäftigungsquote verschenkt.“
Klagen über Überlastung differenziert betrachten
Vor diesem Hintergrund müssten die Klagen über Überlastung unter anderem aus den Kommunen differenziert betrachtet werden. Die Infrastruktur sei heute viel besser als 2015 auf Geflüchtete vorbereitet. Zwar könne es bei starkem Zuzug immer wieder zu Belastungen kommen. Aber in den vergangenen Jahren sei die Zahl der Schutzsuchenden stark gesunken.
Den Grund für die derzeit eher ablehnende Haltung gegenüber Asylsuchenden sieht Brücker weniger in objektiven Gegebenheiten als im politischen Diskurs. „Wenn Politiker sagen, die Menschen haben keine legitimen Schutzansprüche und nutzen unsere Sozialsysteme aus, hat das einen Einfluss auf die Stimmung im Land.“ Dabei hätten rund 85 Prozent der noch in Deutschland lebenden Geflüchteten einen rechtlich anerkannten Schutzstatus. „Ich vermisse manchmal die Empathie mit den Menschen, die vor Krieg und Verfolgung geflüchtet sind.“ Der Blick auf die Einzelschicksale sei verloren gegangen. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft
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