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Spielhalle (Symbolfoto) © kaisender @ pixabay.com (Lizenz), bearb. MiG

Kulturelle Prägungen

Glücksspiel zwischen Tabu und Verlockung

Für manche ist Glücksspiel Teil einer langen Tradition, für andere ein Tabu. Wer nach Deutschland kommt, bringt diese kulturellen Prägungen mit – und trifft auf neue Welten. Spiele wie Plinko zeigen, wie groß die Kluft zwischen Herkunft und neuer Realität sein kann.

Mittwoch, 20.08.2025, 0:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 21.08.2025, 9:40 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Glücksspiel hat in verschiedenen Kulturen ganz unterschiedliche Bedeutungen. In einigen Regionen gehört es selbstverständlich zum Alltag, etwa durch staatliche Lotterien oder Pferderennen. In anderen Ländern ist es streng verboten, religiös geächtet oder gesellschaftlich stigmatisiert. Migrant:innen bringen diese Haltung mit, wenn sie nach Deutschland kommen – sei es Neugier, Faszination oder Skepsis.

Die deutsche Realität ist eine andere: Glücksspiel ist legal, sichtbar und leicht zugänglich. Werbung für Online-Anbieter erscheint beim Surfen im Netz, Spielhallen prägen vielerorts das Stadtbild, und digitale Spiele wie Plinko Deutschland sind mit wenigen Klicks verfügbar. Zwischen den Erfahrungen aus dem Herkunftsland und dieser neuen Allgegenwart entsteht ein Spannungsfeld, das viele Zugewanderte verunsichert.

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Kulturelle Prägungen treffen auf deutsche Realität

Die Herkunft prägt stark, wie Glücksspiel wahrgenommen wird. In vielen muslimisch geprägten Ländern gilt es als religiös verboten, wer spielt, verstößt nicht nur gegen Gesetze, sondern auch gegen moralische Prinzipien. In osteuropäischen Staaten oder Teilen Afrikas wiederum ist Glücksspiel weit verbreitet, oft aber im illegalen Bereich. Hier herrscht häufig Misstrauen gegenüber staatlichen Regeln und Betreibern. In westlichen Gesellschaften wiederum ist es längst normalisiert und Teil der Freizeitkultur.

In Deutschland treffen diese Prägungen auf eine Glücksspielwelt, die zwar streng reguliert, zugleich aber hochpräsent ist. Der Glücksspielstaatsvertrag von 2021 hat Online-Angebote offiziell erlaubt, gleichzeitig jedoch klare Regeln eingeführt: Anbieter benötigen eine deutsche Lizenz, müssen Maßnahmen gegen Spielsucht umsetzen und dürfen Werbung nur eingeschränkt betreiben. Für Menschen mit Migrationserfahrung bedeutet das, dass sie in eine Umgebung geraten, die Glücksspiel einerseits kontrolliert, andererseits aber so sichtbar macht wie nie zuvor.

Besonders heikel wird es, wenn Sprachbarrieren hinzukommen. Wer die Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Auszahlungsregeln nicht versteht, kann die Risiken schwer einschätzen. Hinzu kommt rechtliche Unsicherheit: Während deutsche Lizenzen vergleichsweise streng sind, bewegen sich viele Plattformen mit EU- oder Offshore-Lizenzen in einer Grauzone. Für Betroffene ist kaum durchschaubar, welche Rechte sie im Streitfall tatsächlich haben.

Wenn aus Unterhaltung Gefahr wird

Für Menschen, die ohnehin in unsicheren Lebenslagen stecken, kann Glücksspiel schnell zur Falle werden. Wer nur über ein geringes Einkommen verfügt oder keine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt sieht, ist anfälliger für den Gedanken, mit einem Spiel vielleicht das große Glück zu finden. Online-Formate wie Plinko verstärken diesen Reiz: Sie wirken harmlos, dauern nur Sekunden und suggerieren, dass Gewinne jederzeit möglich sind.

Die Folgen können gravierend sein. Schon kleine Einsätze summieren sich bei regelmäßigen Verlusten, bis Schulden entstehen, die kaum noch kontrollierbar sind. In vielen Communities ist Spielsucht ein Tabuthema, Betroffene schweigen aus Scham. Dadurch suchen sie keine Hilfe – und belasten nicht selten ihre Familien, die finanziell und emotional mitleiden. Die Konflikte reichen von Misstrauen über Streit bis hin zu Trennungen. Zugleich kann eine Spielsucht dazu führen, dass Integration ins Stocken gerät: Sprachkurse, Ausbildung oder Arbeitsaufnahme verlieren an Bedeutung, wenn das tägliche Leben von Geldnot und heimlichem Spielen bestimmt ist.

Fehlende Prävention und gesellschaftliche Kosten

Beratungsstellen berichten, dass Glücksspielprobleme auch unter Migrant:innen zunehmen. Doch die Angebote sind oft nicht auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten. Beratungen finden in der Regel auf Deutsch statt, wodurch ein großer Teil potenziell Betroffener ausgeschlossen wird. Auch fehlt es an kultursensiblen Ansätzen: Ein muslimischer Klient, der Glücksspiel nicht nur als Problem, sondern auch als schwere Sünde empfindet, braucht eine andere Form von Ansprache als jemand, für den lediglich die Schulden im Vordergrund stehen.

Hinzu kommt: Aufklärungskampagnen richten sich fast ausschließlich an die Mehrheitsgesellschaft. Migrant:innen werden selten gezielt angesprochen, obwohl sie durch Sprachbarrieren, soziale Unsicherheit oder kulturelle Prägungen besonders gefährdet sind. Dabei wäre Prävention gerade hier wichtig – etwa durch Informationsmaterial in mehreren Sprachen, durch Multiplikator:innen aus den Communities selbst oder durch Beratungsstellen, die kulturelle und religiöse Hintergründe berücksichtigen.

Fazit: Plinko als Symbol für ein größeres Problem

Plinko ist nur ein Beispiel für den Boom digitaler Glücksspiele. Doch es zeigt, wie groß die Kluft zwischen kulturellen Prägungen und deutscher Realität sein kann. Für die einen ist Glücksspiel ein Tabu, für die anderen alltäglich – in Deutschland aber ist es rechtlich erlaubt und omnipräsent.

Besonders für Menschen mit Migrationserfahrung kann daraus ein Risiko entstehen. Sie sind durch sprachliche Hürden, rechtliche Unsicherheiten und soziale Verwundbarkeit stärker gefährdet als andere. Wenn Integration gelingen soll, darf dieses Thema nicht ausgeblendet werden. Glücksspiel ist kein Randthema, sondern betrifft Familien, Communities und Biografien.

Politik und Gesellschaft stehen in der Verantwortung, stärker hinzuschauen: durch Regulierung, durch gezielte Aufklärung und durch Beratungsangebote, die auch sprachlich und kulturell erreichbar sind. Denn nur so lässt sich verhindern, dass aus einem harmlos wirkenden Spiel wie Plinko eine Falle wird, die Chancen auf Teilhabe zerstört. (eb) Panorama

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