
Deutschland soll helfen
Überfordert: Griechenland setzt Asylverfahren aus
Auf Kreta kommen auf dem Seeweg aus Libyen derzeit viele Geflüchtete an. Das Land ist überfordert und zieht nun Konsequenzen: Asylanträge werden nicht mehr angenommen. Menschenrechtler kritisieren das. Die Linke sieht Deutschland in der Pflicht.
Montag, 14.07.2025, 13:17 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 14.07.2025, 13:21 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Griechenland nimmt vorübergehend keine Asylanträge von Migranten mehr an, die über den Seeweg aus Nordafrika das Land erreichen. Das Parlament in Athen verabschiedete nach einer zweitägigen Debatte eine entsprechende Gesetzesänderung. 177 Abgeordnete stimmten dafür, 74 dagegen, wie das Parlamentspräsidium mitteilte. Athen habe die EU-Kommission über den Schritt informiert, hieß es seitens der Regierung weiter.
Am Dienstag vergangener Woche war ein Versuch der EU-Kommission gescheitert, in Libyen Gespräche mit Vertretern der beiden verfeindeten Regierungen im Westen sowie im Osten des Landes zu führen. Die von Migrationskommissar Magnus Brunner angeführte Delegation musste ihre Reise vorzeitig abbrechen. „Die geplanten Treffen in Bengasi konnten letztlich nicht stattfinden“, teilte Brunner auf X mit. Ein Kommissionssprecher nannte als Grund „protokollarische Probleme“. Die Ost-Regierung warf der Delegation vor, nach Ankunft in Bengasi gegen „diplomatische Regeln“ verstoßen zu haben und ohne Erlaubnis eingereist zu sein.
Als Transitland für Migranten auf dem Weg nach Europa steht Libyen seit Langem im Fokus der Bemühungen der Europäer, die Zahl der Geflüchteten zu senken. Doch in dem Land brach nach dem Sturz von Machthaber Muammar al-Gaddafi 2011 ein Bürgerkrieg aus und bis heute kämpfen unzählige Milizen und die zwei verfeindeten Regierungen um Macht und Einfluss.
Athen will Route schließen
Die grichische Maßnahme, die vor allem auf Abschreckung zielen dürfte, gilt zunächst für drei Monate. Die konservative Regierung teilte mit, ankommende Migranten würden festgesetzt und sollten möglichst zügig in ihre Herkunfts- oder Ursprungsstaaten zurückgeführt werden. „Der Weg nach Griechenland wird geschlossen – das ist die Botschaft an die Schleuser“, sagte Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis während der Parlamentsdebatte. Rückführungen sind allerdings gar nicht so leicht umzusetzen wie gesagt – einer mehrerer Gründe ist, dass einige Herkunftsstaaten bei der Rücknahme ihrer Landsleute nicht kooperieren.
Die linke Opposition sieht in dem Vorgehen ein Verstoß gegen die Menschenrechte. Auch das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR äußerte sich besorgt. „Das Recht auf Asyl ist ein fundamentales Menschenrecht und gilt für jede Person – es ist im internationalen, europäischen und nationalen Recht verankert“, hieß es in einer Erklärung der Organisation.
Starker Anstieg der Ankünfte auf Kreta
In den vergangenen Wochen war die Zahl der Menschen stark gestiegen, die von Libyen aus starteten und auf der Insel Kreta ankamen. Für die gefährliche, rund 300 Kilometer lange Überfahrt verlangen Schleuser nach Aussagen von Migranten zwischen 1.500 Euro und 5.000 Euro. Rund 10.000 Menschen seien seit Jahresbeginn mit Hilfe von Schleuserbanden aus der Region der ostlibyschen Hafenstadt Tobruk über die Route in die EU gelangt. Nach Regierungsangaben entspricht das einem Anstieg von 350 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Wegen der gestiegener Flüchtlingsankünfte wurden Geflüchtete zuletzt von der überlasteten Ferieninsel Kreta auf das Festland verlegt. Wiederholt hatten Bürgermeister der Ferieninsel im Rundfunk erklärt, sie könnten den Menschen nicht mehr helfen. Hunderte harren unter der prallen Sonne in den Häfen aus. Rund 800 Menschen sind in einer Lagerhalle nahe der Hafenstadt Chania untergebracht worden.
Linke: Deutschland muss Griechenland helfen
Die innen- und fluchtpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Clara Bünger, sieht die Europäische Union in der Pflicht, Griechenland zu entlasten. „Das europäische Asylsystem funktioniert nicht. Während in Außengrenzstaaten immer mehr Geflüchtete ankommen – zuletzt 2.000 Menschen auf Kreta -, setzen innenliegende Staaten, wie Deutschland, alles daran sich noch weiter abzuschotten“, so die Linkspolitikerin.
Bünger verweist auf die in Deutschland eingebrochenen Asylanträge im ersten Halbjahr 2025. Die Aufnahmeeinrichtungen stünden halb leer. Deutschland habe freie Kapazitäten, um Menschen aufzunehmen und müsse Griechenland Unterstützung anbieten. Es könne nicht sein, dass in Europa Schutzsuchende in der prallen Sonne ausharren müssen und Asylanträgen nicht bearbeitet werden. „Das neue gemeinsame europäische Asylsystem sieht neben zigfachen Verschärfungen auch einen Solidaritätsmechanismus vor. Die Bundesregierung ist eifrig dabei, die Verschärfungen umzusetzen. Doch jetzt muss sie auch Solidarität zeigen und Griechenland entlasten“, erklärte Bünger. (dpa/mig) Aktuell Ausland
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