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Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) © Tobias Schwarz/AFP

Dobrindtsche Politik

Abschiebe-Pakt mit Taliban? Keine Erkundungsreisen für Syrer!

Mit Damaskus hat schon Faeser Kontakt aufgenommen. Österreich schiebt nun einen Straftäter nach Syrien ab. Faesers Nachfolger Dobrindt kann sich auch mit den Taliban direkte Gespräche vorstellen. Erkundungsreisen für Syrer soll es nicht geben.

Von , und Donnerstag, 03.07.2025, 18:17 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 03.07.2025, 18:18 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Um Abschiebungen von Straftätern nach Afghanistan zu erleichtern, strebt Bundesinnenminister Alexander Dobrindt direkte Gespräche mit der militanten- Taliban in Afghanistan an. Vorankommen wolle er auch bei Rückführungen nach Syrien, sagt der CSU-Politiker dem Magazin „Focus“.

Fast zeitgleich teilte das Innenministerium in Österreich mit, man habe erstmals seit 15 Jahren einen Syrer in sein Heimatland abgeschoben. Der Mann sei am Donnerstag mit einem Linienflug aus Wien mit einem Zwischenstopp in Istanbul in die syrische Hauptstadt Damaskus gebracht worden, heißt es aus dem Ministerium.

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Deutsch-österreichische Initiative

Die Grundlage dafür habe Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) bei seiner gemeinsamen Syrien-Reise mit seiner damaligen deutschen Kollegin Nancy Faeser (SPD) im April gelegt. Faeser und Karner hatten damals betont, es gehe ihnen vorrangig um die Abschiebung von sogenannten „islamistischen“ Gefährdern sowie von Menschen, die schwere Straftaten begangen hätten. Das deutsch-österreichische Duo war erst im zweiten Anlauf nach Damaskus gelangt. Eine für Ende März geplante Reise nach Syrien hatten die beiden Minister aufgrund einer aktuellen Terrorwarnung abgebrochen.

Dobrindt sagte dem „Focus“: „Mit Syrien gibt es Kontakte zu einer Vereinbarung, um syrische Straftäter zurückzuführen. Die Ergebnisse dazu liegen noch nicht vor.“

Die Idee der Ampel-Regierung, Erkundungsreisen zu ermöglichen, um eine mögliche Rückkehr vorzubereiten, wird vom Bundesinnenministerium aktuell nicht weiter verfolgt. Ohne eine solche Erlaubnis verlieren Syrer in der Regel ihren Schutzstatus, wenn bekannt wird, dass sie im Herkunftsland waren.

Mehr als 50.000 Entscheidungen stehen aus

Aufgrund der unübersichtlichen Lage nach dem Sturz von Syriens Langzeitmachthaber Baschar al-Assad Anfang Dezember hatten Deutschland und weitere europäische Staaten Entscheidungen über Schutzersuchen von Antragstellern aus Syrien vorerst ausgesetzt. Die Anhörung syrischer Asylbewerber hatte das Bamf Anfang Mai wieder aufgenommen.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) traf trotz des vorübergehenden Entscheidungs-Stopps in einigen Dutzend Syrien-Fällen dennoch Entscheidungen. „Sicherheitsrelevante Verfahren konnten im Einzelfall entschieden werden“, teilte ein Bamf-Sprecher auf Anfrage mit.

Wird ein anerkannter Flüchtling wegen einer erheblichen Straftat verurteilt oder als sogenannter Gefährder eingestuft, kann der Schutzstatus widerrufen werden. „Gefährder“ nennt die Polizei Menschen, denen sie schwere politisch motivierte Straftaten bis hin zu Terroranschlägen zutraut.

Von den 11.060 Entscheidungen über Asylverfahren syrischer Staatsangehöriger, über die von Januar bis Mai entschieden wurde, seien 11.017 formale Entscheidungen gewesen, teilte der Sprecher mit. Hierunter fallen Fälle, in denen der Asylantrag zurückgenommen wird oder solche, in denen ein anderes europäisches Land zuständig ist.

Syrien zählt seit Jahren zu den wichtigsten Herkunftsländern von Menschen, die in Deutschland Schutz suchen. Zum 31. Mai waren laut Bamf 51.736 Verfahren syrischer Staatsangehöriger anhängig. „Gesetzlich ist das Bundesamt verpflichtet, mindestens alle sechs Monate die Lage in dem Herkunftsstaat zu überprüfen und wird die Bearbeitung der betroffenen Asylverfahren wieder aufnehmen, sobald die Gründe für den Verfahrensaufschub wegfallen“, sagte der Bamf-Sprecher. Noch sei die Lage in Syrien „unübersichtlich und schwer zu bewerten“.

Gericht gegen weiteren Entscheidungs-Stopp

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe entschied Ende Mai, in Syrien bestehe keine vorübergehend ungewisse Lage mehr, die dazu berechtigte, die Entscheidung über einen Asylantrag aufzuschieben. „Es liegen inzwischen diverse Erkenntnismittel zur veränderten Lage in Syrien nach dem Sturz von Assad vor“, argumentierte das Gericht. Ein Syrer, der 2023 einen Asylantrag gestellt hatte, hatte geklagt, um eine Entscheidung über seinen Antrag zu erzwingen.

Vereinbarungen mit Machthabern in Afghanistan

Über Anträge von Afghaninnen und Afghanen wird zwar regulär entschieden. Wer keinen Schutz erhält, kann aber in der Regel erst einmal bleiben. Denn seit der erneuten Machtübernahme durch die Taliban 2021 gab es aus Deutschland keine Abschiebungen nach Afghanistan mehr – mit einer Ausnahme: Mit Hilfe von Katar wurden im August vergangenen Jahres 28 Straftäter nach Kabul geflogen.

„Nach wie vor braucht es Dritte, um Gespräche mit Afghanistan zu führen. Eine Dauerlösung darf das so nicht bleiben“, sagte Dobrindt dem „Focus“. „Mir schwebt vor, dass wir direkt mit Afghanistan Vereinbarungen treffen, um Rückführungen zu ermöglichen.“

Mahnende Worte aus der SPD

SPD-Fraktionsvize Sonja Eichwede sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): „Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, auch nach Afghanistan rückzuführen.“ Dabei gehe es in erster Linie um Straftäter und „Gefährder“. Dafür müssten mögliche Gesprächskanäle genutzt werden. Eichwede betonte: „Das darf aber keinesfalls dazu führen, dass der Kontakt zu dem Regime der Taliban normalisiert und selbstverständlich wird.“

Die fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Clara Bünger, kritisierte: „Die neuesten Forderungen von Dobrindt zeigen: Dieser Innenminister schreckt vor nichts zurück.“ Dobrindt bleibe seinem Motto treu: „Abschieben und Abschotten um jeden Preis. Er bedient damit lediglich rechte Hetze und stärkt die AfD.“

Jetzt wolle er mit Terroristen verhandeln. „Allein durch diesen Vorschlag legitimiert er die extremistische Taliban-Regierung. Schon die bisherigen Gespräche über Dritte waren höchst problematisch, direkter Kontakt ist schlicht unverantwortlich“, erklärte Bünger. Syrien und Afghanistan seien keine sicheren Länder.

Dobrindt findet Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen zu hoch

Nach Ansicht von Dobrindt muss die jährliche Zahl der in Deutschland aufgenommenen Flüchtlinge weit unter 200.000 liegen. Diese Zahl war einmal als Obergrenze von Dobrindts Vor-Vorgänger Horst Seehofer (CSU) angestrebt worden. Sie sei in den vergangenen beiden Jahren mit 600.000 gemeldeten Asylbewerbern aber bei Weitem überschritten worden. Hinzugerechnet werden müssten noch die 1,2 Millionen Ukrainer, sagte Dobrindt. „Also kann man heute mit einer theoretischen Obergrenze von 200.000 gar nicht mehr arbeiten – das wäre aus heutiger Perspektive auch deutlich zu viel.“

Im vergangenen Jahr haben knapp 230.000 Menschen erstmals in Deutschland einen Asylantrag gestellt. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres gingen beim Bamf rund 54.000 Erstanträge ein. Ukrainische Kriegsflüchtlinge müssen keinen Asylantrag stellen. (dpa/mig) Leitartikel Politik

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