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Iranerin in ihrer Wohnung nach dem Angriff Israels © Morteza Nikoubazl/AFP

Iranische Künstlerin

„Drecksarbeit“-Aussage von Merz hat mich zutiefst verletzt

Über Tage hinweg hat Israel den Iran bombardiert, auch die USA griffen ein. Von den Angriffen seien viele Menschen in ihrer Heimat traumatisiert, sagt die iranische Künstlerin Parastou Forouhar, die in Deutschland im Exil lebt, im Gespräch. Die Hoffnung auf einen von außen herbeigeführten Sturz des iranischen Regimes hält sie für verfehlt.

Von Montag, 30.06.2025, 13:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 30.06.2025, 7:40 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Frau Forouhar, Sie leben seit 1991 im Exil in Deutschland, stehen aber in engem Kontakt zu Angehörigen und Freunden im Iran. Wie geht es den Menschen nach den israelischen und US-amerikanischen Angriffen?

Parastou Forouhar: Viele Menschen sind traumatisiert. Sie sind in Trauer versunken, aber auch wütend. Diese Wut richtet sich gegen beide Seiten: gegen die israelischen Bomben, aber auch gegen die eigene Regierung, gegen die sie seit Jahren ankämpfen. Viele Funktionäre sind wohl in Bunker geflüchtet, doch für Zivilisten gibt es nirgendwo Schutz. Trotz der kriegstreiberischen Rhetorik hat das Regime keinerlei Sicherheitsstrukturen für die Bevölkerung geschaffen. Die Menschen fühlen sich als Geiseln des Regimes.

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In den vergangenen Jahren sind die Bilder von Protesten gegen das iranische Regime immer wieder um die Welt gegangen. Was bedeutet diese jüngste Eskalation für die iranische Zivilgesellschaft?

Ich beobachte eine sehr solidarische Haltung untereinander. Die Angriffe von außen führen aber nicht dazu, dass die Iraner sich nun hinter ihrer Regierung versammeln – im Gegenteil. Eine gewisse Genugtuung über den Tod von Funktionären, die zahlreiche Menschen auf dem Gewissen haben, ist durchaus zu hören. Aber niemand befürwortet die Angriffe. In den sozialen Medien lese und höre ich immer wieder einen Satz: „Wir sind alleine. Wir haben nur uns selbst.“ Es ist beschämend, dass die Iraner, die im Westen noch vor einiger Zeit als mutige Menschenrechtsaktivisten gefeiert wurden, sich nun von der Welt alleine gelassen fühlen.

Die Schwächung des Regimes stellt also keine Chance für die iranische Zivilgesellschaft dar, sich eben jener unliebsamen Führung zu entledigen?

Mörderische Angriffe von außen sind keine Chance, sondern eine Gefahr. Woher sollen die Menschen die Kraft nehmen, sich gegen das Regime aufzustellen, wenn sie im Bombenhagel sitzen und Angst haben um das Leben ihrer Liebsten? Hinzu kommt, dass das iranische Regime umso härter gegen Oppositionelle im Inneren vorgeht, je größer die Bedrohung von außen ist. Derzeit werden noch mehr Menschen verhaftet, bestraft oder als Spione hingerichtet als ohnehin schon.

Im Zuge der israelischen und US-amerikanischen Angriffe wurde auch über die Möglichkeit eines von außen herbeigeführten Umsturzes – also eines sogenannten Regime Change – diskutiert. Was halten Sie davon?

Das Narrativ vom Regime Change lehne ich ab. Ich bin auch für eine grundlegende Veränderung des politischen Systems, aber die muss durch die iranische Zivilgesellschaft herbeigeführt werden. Die Bewegung „Frau, Leben, Freiheit“ lebt! Es wird nur hierzulande kaum noch über sie berichtet, weil viele Aktivistinnen inhaftiert sind und nicht mehr so schöne Bilder liefern können. Die iranische Zivilgesellschaft hat das Potenzial, selbst für ihre Rechte einzustehen, trotz der fortwährenden Unterdrückung. Ein Regimewechsel, der durch Kräfte von außen vorangetrieben wird, lässt ein gefährliches Machtvakuum entstehen. Wozu das führt, sehen wir in Libyen oder im Irak.

Wie erleben Sie die politische und mediale Debatte über den Iran hierzulande?

Der furchtbare Satz von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), die Israelis erledigten im Iran „für uns“ die „Drecksarbeit“ hat mich zutiefst schockiert und verletzt. Ich finde es überaus befremdlich, dass der deutsche Bundeskanzler ein ganzes Land degradiert und die kriegstreiberische Politik Israels rechtfertigt. Wird der Aggressor nicht klar benannt, wird das Völkerrecht mit Füßen getreten. Deutschland ist seit einem Vierteljahrhundert ein Zuhause für mich, aber plötzlich gerät meine Welt ins Wanken. (epd/mig) Aktuell Ausland Interview

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