
Spielsucht bei Migranten
Ursachen, Risikofaktoren und Hilfsangebote im Überblick
Die Bevölkerung mit Migrationserfahrung ist vergleichsweise öfter anfällig für Spielsucht. Die Gründe sind vielfältig und komplex. Wer einmal der Spielsucht verfällt, braucht oft professionelle Hilfe.
Donnerstag, 19.06.2025, 0:01 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 20.06.2025, 16:14 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Glücksspielsucht bei Migranten ist ein komplexes Phänomen, das besondere Aufmerksamkeit erfordert. Die Kombination aus kulturellen Faktoren, Integrationsherausforderungen und psychosozialen Belastungen schafft ein einzigartiges Risikoprofil. In Deutschland leben etwa 20,2 Millionen Menschen mit Migrationserfahrung, von denen schätzungsweise 1,5 % bis 2,5 % von problematischem Spielverhalten betroffen sind. Diese Zahlen liegen über dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung und verdeutlichen die Notwendigkeit, die spezifischen Faktoren zu verstehen, die Migranten anfälliger für Glücksspielsucht machen können.
Kulturelle und soziale Faktoren der Glücksspielsucht bei Migranten
Die Entwicklung einer Glücksspielsucht bei Menschen mit Migrationshintergrund wird häufig durch kulturelle Besonderheiten und Traditionen beeinflusst. In vielen Herkunftsländern ist das Glücksspiel tief in sozialen Zusammenkünften verwurzelt und wird als normale Freizeitaktivität betrachtet. Diese kulturelle Akzeptanz kann dazu führen, dass Betroffene problematisches Spielverhalten nicht als solches erkennen.
Migranten stehen zudem vor besonderen psychosozialen Belastungen, die als Risikofaktoren wirken können:
- Entwurzelung und Verlust sozialer Netzwerke
- Sprachbarrieren und Kommunikationsschwierigkeiten
- Statusverlust und berufliche Dequalifizierung
- Diskriminierungserfahrungen im Alltag
- Finanzielle Unsicherheit und Existenzängste
Insbesondere der Verlust von Zugehörigkeit und sozialer Identität kann dazu führen, dass Glücksspiel als Kompensationsmechanismus genutzt wird. Spielstätten werden zu Orten, an denen sich Migranten willkommen fühlen und ihrer Herkunftskultur nahe sein können. Dies erklärt, warum in manchen Stadtvierteln mit hohem Migrationsanteil eine überdurchschnittliche Dichte an Spielhallen oder Wettbüros zu beobachten ist.
Ein weiterer Faktor ist die finanzielle Belastungssituation vieler Migranten. Der Traum vom schnellen Geld durch Glücksspielgewinne kann besonders verlockend sein, wenn reguläre Einkommensmöglichkeiten begrenzt sind. Gleichzeitig fehlt oft das Wissen über die mathematischen Grundlagen von Glücksspielen und die damit verbundenen Risiken. Besonders tückisch wird’s im Netz. Wer dort etwa nach einem Bonus ohne Einzahlung sucht, sollte sich der Suchtrisiken bewusst sein und verantwortungsvoll spielen.
Besondere Risikofaktoren und Vulnerabilitäten
Die Forschung zeigt, dass bestimmte Migrantengruppen ein erhöhtes Risiko für problematisches Spielverhalten aufweisen. Eine differenzierte Betrachtung verschiedener Faktoren ist notwendig, um diese Vulnerabilitäten zu verstehen:
Risikofaktor | Auswirkung | Präventionsansatz |
Traumatische Fluchterfahrungen | Erhöhtes Risiko für Suchtverhalten als Bewältigungsstrategie | Trauma-sensible Beratungsangebote |
Männliches Geschlecht | 2-3x höhere Prävalenz bei Männern mit Migrationshintergrund | Geschlechtsspezifische Präventionsprogramme |
Niedriger Bildungsstand | Geringeres Wissen über Suchtmechanismen und Hilfsangebote | Niedrigschwellige Aufklärungskampagnen |
Kulturelle Glücksspielaffinität | Normalisierung von riskantem Spielverhalten | Kultursensible Aufklärung und Beratung |
Besonders hervorzuheben ist die Wechselwirkung zwischen Akkulturationsstress und Suchtverhalten. Die permanente Anpassungsleistung, die von Migranten gefordert wird, kann zu chronischem Stress führen. Glücksspiel bietet hier scheinbar einen Ausweg, indem es kurzfristig Spannungen löst und Ablenkung verschafft. Paradoxerweise kann die Spielsucht jedoch die Integrationschancen weiter verschlechtern und zu einem Teufelskreis führen.
Die sprachlichen und kulturellen Barrieren erschweren zudem den Zugang zu Präventions- und Hilfsangeboten. Viele Migranten kennen die vorhandenen Unterstützungsmöglichkeiten nicht oder scheuen sich davor, diese in Anspruch zu nehmen. Kulturspezifische Schamgefühle und Stigmatisierungsängste verstärken diese Problematik zusätzlich.
Kultursensible Hilfsangebote und Präventionsstrategien
Um die Glücksspielsucht bei Menschen mit Migrationshintergrund wirksam zu bekämpfen, bedarf es kultursensibel gestalteter Hilfs- und Präventionsangebote. Diese müssen die spezifischen Bedürfnisse und Barrieren der verschiedenen Migrantengruppen berücksichtigen.
Erfolgreiche Präventionsstrategien umfassen:
- Mehrsprachige Informations- und Aufklärungsmaterialien
- Einsatz von Kulturmittlern in Beratungsstellen
- Zusammenarbeit mit Migrantenselbstorganisationen
- Schulung von Fachkräften in interkultureller Kompetenz
- Aufsuchende Sozialarbeit in Communitys mit hohem Migrationsanteil
Besonders wichtig ist die Berücksichtigung kulturspezifischer Werte und Normen in der Suchtberatung. Während in westlichen Therapieansätzen oft die Autonomie des Individuums im Vordergrund steht, kann es für Menschen aus kollektivistisch geprägten Kulturen hilfreich sein, die Familie einzubeziehen. Gleichzeitig muss die Vertraulichkeit gewahrt bleiben, um Stigmatisierung innerhalb der Community zu vermeiden.
Innovative Projekte zeigen, wie zielgruppenspezifische Präventionsarbeit gestaltet werden kann. Diese Programme kombinieren Aufklärung über Spielsucht mit praktischer Integrationsunterstützung und erreichen dadurch eine höhere Akzeptanz bei den Betroffenen.
Die Forschung zeigt: Die Wirksamkeit von Präventions- und Behandlungsmaßnahmen steigt signifikant, wenn sie kulturelle Besonderheiten berücksichtigen und sprachliche Barrieren abbauen. Daher ist es unerlässlich, das Hilfesystem kontinuierlich weiterzuentwickeln und an die Bedürfnisse einer zunehmend diversen Gesellschaft anzupassen. (bg) Panorama
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