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Schule © shinealight auf flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Sachsen-Anhalt

Tatort Schule: Mehr politische Straftaten unter Jugendlichen

Vor wenigen Tagen gab es Razzien bei jugendlichen mutmaßlichen Mitgliedern einer rechten Terrorzelle. Auch die Polizei in Sachsen-Anhalt nimmt eine Verschiebung wahr. Die GEW fordert Beschwerdestellen und Präventionskonzepte für Schulen.

Montag, 26.05.2025, 11:47 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 26.05.2025, 11:47 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Weil immer mehr politische Straftaten im Umfeld von Schulen gemeldet werden, zeigen sich Politik, Behörden und Wissenschaftler besorgt. Man sehe in den polizeilichen Kriminalstatistiken bei rechtsmotivierter Gewalt gerade einen historischen Hochpunkt, sagte der Soziologe und Rechtsextremismusforscher Matthias Quent von der Fachhochschule Magdeburg-Stendal. Bei den jüngsten Razzien gegen eine mutmaßlich rechte Terrorgruppe sei vor allem das Alter der Tatverdächtigen krass gewesen. Die in dieser Woche Festgenommenen waren zwischen 14 und 18 Jahren alt.

Bereits bei der Vorstellung der Statistik zu politisch motivierten Straftaten hatte Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) im vergangenen Monat einen neuen Höchststand bei politisch motivierter Kriminalität festgestellt. Dabei wies sie auf einen besonderen Punkt hin: Allein an Schulen hätten sich die Straftaten mehr als verdoppelt. So seien 251 politisch motivierte Straftaten an Schulen festgestellt worden, betonte Zieschang.

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GEW: Zahlen müssen eingeordnet werden

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und das Bildungsministerium weisen jedoch darauf hin, dass die Zahlen richtig eingeordnet werden müssten. Es sei nicht auszuschließen, dass Schulen zunehmend sensibler reagierten und eine Häufung von Meldungen stattfinde, sagte ein Sprecher des Bildungsministeriums. Daher sei die Statistik in Bezug auf Schule nur bedingt aussagekräftig.

„Schule ist immer auch ein Spiegelbild der Gesellschaft“, sagte GEW-Sprecherin Christiane Rex. „Wenn Verwandte, Bekannte bis hin zu den eigenen Eltern radikale Ansichten vertreten, dann wäre es ein Wunder, wenn wir das nicht auch in der Schule wiederfinden würden.“ Hinzu komme der Einfluss von Social Media in Verbindung mit fehlender Medienkompetenz auch in der Elterngeneration. Eine Radikalisierung in und durch die Schule vermag die GEW Sachsen-Anhalt aber nicht zu erkennen.

Aufrufe zu Gewalt konsequent ächten

GEW-Vorsitzende Maike Finnern forderte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ indes klare Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit demokratiefeindlichen und rassistischen Äußerungen von Lehrkräften. „Äußerungen sowie Aufrufe zu Gewalt müssen in jedem Fall konsequent geächtet sowie disziplinar- und strafrechtlich verfolgt werden“, sagte Finnern. Aufgabe der Politik und Schulverwaltungen sei es, einen Handlungsrahmen zu schaffen, damit Schulen und Lehrkräfte Klarheit hätten, „wo rote Linien sind“.

Aus Sicht der Gewerkschafterin sind dafür unterschiedliche Maßnahmen nötig. Demnach bräuchten Schulen „systematische Beschwerde- und Meldeverfahren, Präventions- und Interventionskonzepte mit definierten Handlungsketten, unabhängige Beratungs- und Beschwerdestellen sowie einen stärkeren Diskriminierungsschutz“, betonte Finnern. Gleichzeitig warnte die GEW-Vorsitzende vor einem „Generalverdacht“ gegen Lehrkräfte mit AfD-Parteibuch. In Einzelfällen befürworte sie aber Prüfungen durch den Verfassungsschutz, wenn Verdachtsmomente vorlägen.

Umfangreiche Studie der Polizei in Halle zu Jugendkriminalität

Auch beim Thema Jugendkriminalität sieht die Polizei steigende Fallzahlen. Vor allem ab dem Sommer und Herbst 2023 stiegen die Zahlen, was die Polizeiinspektion in Halle und die Martin-Luther-Universität zu einer breitangelegten Studie brachte, die vor kurzem veröffentlicht wurde. Dabei wurden mehr als 3.000 Schülerinnen und Schüler in Halle befragt.

Im Ergebnis kommt die Studie zu dem Schluss, dass für den Anstieg von Gewalt unter Jugendlichen vorrangig zwei Gründe verantwortlich gemacht werden. Auf der einen Seite habe in den letzten Jahren der Anteil der Jugendlichen zugenommen, die „traditionelle Männlichkeitsnormen“ befürworten würden. Einem solchen Rollenverständnis müsse ein Zusammenhang mit gewalttätigem Verhalten zugestanden werden, heißt es in der Studie. „Auf der anderen Seite scheinen sich gewaltakzeptierende Einstellungen bei Jugendlichen tendenziell zu stabilisieren.“

170 Schulen im Land Teil des „Courage“-Netzwerks

Was die Situation speziell an Schulen betrifft, weist das Bildungsministerium darauf hin, dass das Land zahlreiche Präventions- und Interventionshilfen anbiete. Inzwischen gibt es zudem nach Angaben der Landeszentrale für Politische Bildung mehr als 170 Schulen im Land, die den Titel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ tragen.

Das Netzwerk „Schule ohne Rassismus“ hat sich zum Ziel gesetzt, Schulen zu einem aktiven Engagement gegen Diskriminierung zu motivieren. Kritiker bemängeln jedoch, dass die Vergabe des Labels auf Antrag und ohne Prüfung auf Vorleistungen in diesem Bereich erfolgt sowie mehr symbolischen Charakter – auch nach der Verleihung erfolge keine Prüfung auf Einhaltung von Grundsätzen. Eine Evaluation des Netzwerks zeigt, dass die bloße Mitgliedschaft nicht automatisch zu einer nachhaltigen Auseinandersetzung mit Rassismus führt. (dpa/epd/mig) Aktuell Panorama

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