
Bundestag
Dobrindts Politikwechsel an den Grenzen in der Kritik
Mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden – auch an den Grenzen – und mehr Abschiebungen: Innenminister Dobrindt stellt im Bundestag die Eckpfeiler seines Programms für die kommenden vier Jahre vor. Er erntet viel Kritik.
Sonntag, 18.05.2025, 13:06 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 18.05.2025, 13:06 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die von ihm angeordneten verschärften Grenzkontrollen sind aus Sicht von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt ein erster Schritt hin zu mehr Ordnung in der Migrationspolitik. Im Bundestag kündigten der CSU-Politiker und mehrere Innenpolitiker der CDU an, auch die im Koalitionsvertrag mit der SPD vereinbarten zusätzlichen Befugnisse für die Sicherheitsbehörden würden rasch umgesetzt.
„Die Bürger, sie erwarten von uns einen Politikwechsel“, sagte Dobrindt. Dieser habe nun begonnen – an den deutschen Grenzen. Wenige Stunden nach seinem Amtsantritt hatte Dobrindt in der vergangenen Woche eine Intensivierung der Grenzkontrollen verfügt. Gleichzeitig ordnete er an, dass auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können.
Im Bundestag sagte er an die Adresse der SPD: „Ich weiß, dass dies für Sie ein weiterer Weg ist als für uns.“ Er sei daher bereit zu einer engen Zusammenarbeit. „Lasst uns gemeinsam diese Aufgabe erledigen“, rief er den maßgeblich für Innenpolitik verantwortlichen Politikerinnen und Politikern von SPD und CDU zu. Denn die irreguläre Migration gefährde „die Stabilität unseres Landes“.
Parteiübergreifende Kritik
Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz warf Dobrindt vor, sein Politikwechsel sei kurzsichtig. Zu den Grenzkontrollen sagte er: „In spätestens drei Wochen wird die massive personelle Überlastung ihre Maßnahmen faktisch beenden.“ Die Linken-Innenpolitikerin Clara Bünger zweifelte die rechtliche Grundlage für eine Zurückweisung von Asylsuchenden an. „Das ist ein Einstieg in eine Herrschaft des Unrechts“, sagte sie.
Kritik erntet Dobrindts Politik auch aus den Reihen des Koalitionspartners SPD: Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens, bezweifelt in der „Welt“ die Rechtmäßigkeit von Zurückweisungen. „Abzuwarten bleibt jedoch, ob die nun durchgeführten Zurückweisungen von explizit Asylsuchenden an den Grenzen auch vor den Gerichten Bestand haben werden“, sagte sie. „Eine intensive juristische Prüfung des Bundesinnenministeriums hatte daran im vergangenen Jahr noch deutliche Zweifel zutage gefördert“, so Behrens.
Der Bundesinnenminister kündigte auch mehr Rückführungen von Ausreisepflichtigen an. „Wir werden nach Afghanistan und Syrien abschieben“, sagte er. Die neue Bundesregierung werde zudem einen dauerhaften Ausreise-Arrest für ausreisepflichtige Gefährder und schwere Straftäter einführen, sodass es für diese Menschen künftig nur noch zwei Möglichkeiten geben werde: „Haft oder Heimflug“.
Racial Profiling von der Bundespolizei
Der Werkzeugkasten der Sicherheitsbehörden müsse besser gefüllt sein, sagte Dobrindt. Polizisten seien in der Vergangenheit zu oft unter Generalverdacht gestellt worden. Ideen wie Kontrollquittungen, Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte und Beschwerdestellen lehne er ab.
Ein Entwurf der Ampel-Regierung für ein neues Bundespolizeigesetz sah vor, dass Menschen, die von der Bundespolizei etwa an Flughäfen, Bahnhöfen oder in Zügen befragt werden, sich sogenannte Kontrollquittungen ausstellen lassen können. Auch eine Kennzeichnungspflicht der Polizisten war in der – nicht mehr verabschiedeten – Reform vorgesehen.
Mit den Kontrollquittungen wollte man vor allem „Racial Profiling“ vorbeugen. Davon spricht man, wenn Menschen allein aufgrund ihres physischen Erscheinungsbilds oder ethnischer Merkmale von der Polizei kontrolliert werden. Eine solche Ungleichbehandlung verstößt gegen das verfassungsrechtlich verbriefte Diskriminierungsverbot. Zuletzt wurde wieder Kritik laut, dass nach Verstärkung der Grenzkontrollen auf Anweisung von Dobrindt Racial Profiling-Fälle zugenommen haben.
Kritik von Nachbarn
Kritik am Kurs der neuen Bundesregierung kaum zuletzt auch von Deutschlands Nachbarn. Aus Sicht von Kanzler Friedrich Merz (CDU) steht dies Politik jedoch nicht im Widerspruch zu den europäischen Partnern. „Bitte lassen Sie sich nicht von irgendjemandem sagen, das sei jetzt sozusagen gegen unsere europäischen Nachbarn“, sagte Merz auf dem Landesparteitag der Südwest-CDU in Stuttgart. „Ich habe mit allen gesprochen, und sie wissen alle, wie wir es meinen.“
Polens Regierungschef Donald Tusk hatte den Kurswechsel beim Antrittsbesuch von Merz in Polen scharf kritisiert und festgestellt: „Deutschland wird in sein Gebiet lassen, wen es will. Polen wird nur in sein Gebiet lassen, wen es akzeptiert.“ Medienberichten zufolge kam es an der deutsch-polnischen Grenze zu einem Streit zwischen den Beamten beider Länder. Auch aus der Schweiz kam Kritik. (dpa/mig) Aktuell Politik
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