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Polizeiliche Grenzkontrolle an der deutsch-österreichischen Grenze © Michaela Stache/AFP

Dobrindts Zwischenfazit

32 Asylbewerber zurückgewiesen, 19 durchgewunken

Seit rund einer Woche gibt es schärfere Grenzkontrollen – auch Asylsuchende werden jetzt zurückgewiesen. Innenminister Dobrindt zeigt sich bei einem Besuch an der Grenze in einer ersten Bilanz zufrieden. Die Kritik indes reißt nicht ab.

Donnerstag, 15.05.2025, 17:41 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 15.05.2025, 17:41 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Seit der Verschärfung der Grenzkontrollen vor einer Woche ist die Zahl der Zurückweisungen nach Angaben von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) um fast die Hälfte gestiegen. Binnen der ersten sieben Tage wies die Bundespolizei 739 Menschen an der Grenze zurück, wie Dobrindt bei einem Besuch an der Kontrollstelle an der Autobahn 93 an der bayerisch-österreichischen Grenze sagte. Das seien 45 Prozent mehr gewesen als in der Woche zuvor mit 511 Zurückweisungen.

Unter den Zurückgewiesenen waren demnach auch Asylsuchende: Von 51 Menschen, die ein Asylgesuch äußerten, seien 32 zurückgewiesen worden, sagte Dobrindt. Die anderen seien als vulnerable Personen – dazu zählen etwa Kinder oder Schwangere – ins Land gelassen worden. Zum Vergleich: In der Woche zuvor hätten 44 Menschen an der Grenze ein Asylgesuch geäußert, berichtete der Minister – und da seien noch alle ins Land gelassen worden.

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Erlass des Ministers kam vor gut einer Woche

Dobrindt hatte am Mittwoch vergangener Woche – wenige Stunden nach seinem Amtsantritt als Bundesinnenminister – eine Intensivierung der Grenzkontrollen verfügt. Gleichzeitig ordnete er an, dass auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können sollten. Dies soll allerdings nicht für Schwangere, Kinder und andere Angehörige vulnerabler Gruppen gelten. Zuvor waren lediglich Menschen, die kein Asylgesuch vorbrachten, sowie Ausländer, die mit einer temporären Einreisesperre etwa wegen einer früheren Abschiebung belegt waren, zurückgewiesen worden.

Voraussetzung für eine Zurückweisung sind Kontrollen direkt an der Grenze. Diese hatte Dobrindts Vorgängerin Nancy Faeser (SPD) nach und nach für alle Grenzabschnitte angeordnet. An der Grenze zu Österreich gibt es solche Kontrollen, die bei der EU-Kommission angemeldet und begründet werden müssen, bereits seit Herbst 2015, so auch an der A93 im Süden Bayerns.

Dobrindt: „Signal in die Welt“

Mit den schärferen Kontrollen wolle man ein klares Signal in die Welt senden, „dass sich die Migrationspolitik in Deutschland verändert hat“, erklärte Dobrindt. „Wir kommen unserer humanitären Verantwortung weiterhin nach, selbstverständlich, aber wir wollen nicht, dass Schleuser und Schlepper und kriminelle Banden darüber entscheiden, wer in unser Land kommen kann.“ Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte: „Es gilt wieder Law and Order an der Grenze.“ Man mache bei der Bekämpfung der illegalen Migration endlich ernst.

Dobrindt betonte, er sei dazu mit allen Nachbarländern und Partnern in Kontakt, telefonisch und teils auch schon persönlich. Er sei schon in Paris gewesen, am Freitag sei er in Wien, ein Termin in Polen sei aktuell in Vorbereitung.

Streit mit Nachbarländern

Mehrere Nachbarländer Deutschlands hatten deutliches Unverständnis für die verschärften Grenzkontrollen gezeigt. Es kam wiederholt Kritik, dass die Maßnahmen den europäischen Gedanken der Freizügigkeit untergraben. Menschenrechtsorganisationen und Politiker im In- und Ausland warnten zudem vor einem gefährlichen Signal: Statt einer koordinierten Asylpolitik entstehe der Eindruck nationaler Abschottung auf Kosten gemeinsamer europäischer Lösungen.

In dem Zusammenhang bestätigte Dobrindt einen Bericht des „Spiegel“, wonach an der dortigen Grenze zuletzt die Zurückweisung zweier Personen aus Afghanistan am Widerstand polnischer Beamter scheiterte. Grundsätzlich gebe es mit den polnischen Grenzbehörden aber überhaupt keine Schwierigkeiten, sondern eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, betonte er. In dem aktuellen Fall habe es zwar nun eine „Diskussion über die Zuständigkeit“ gegeben – aber eben auch keinen Streit. Man habe sich dann entschieden, die beiden Personen ins Land zu lassen – in vielen anderen Fällen sei es aber auch genau andersherum.

Grenzkontrollen juristisch auf dünnem Eis

Rechtlich stehen die Kontrollen zudem auf wackeligem Boden. Experten weisen darauf hin, dass dauerhafte oder wiederholt verlängerte Grenzkontrollen gegen EU-Recht verstoßen könnten. Trotz Nachfragen konnte die Bundesregierung bislang nicht überzeugend darlegen, dass die aktuellen Maßnahmen den rechtlichen Vorgaben entsprechen. Statt einer transparenten Begründung blieb es bislang bei vagen Hinweisen auf angebliche Sicherheitslagen, die jedoch bislang nicht belegt wurden. Jüngst veröffentlichte Frontex-Zahlen brachten die Bundesregierung zusätzlich in Erklärungsnot.

In der Regierungsbefragung am Mittwoch im Bundestag forderten Abgeordnete von Grünen und Linken eine Erläuterung, wie der Widerspruch der Maßnahme zum europäischen Recht gerechtfertigt wird. Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) antworteten ausweichend. Bundeskanzler Friedrich Merz verteidigte derweil in einer Regierungserklärung im Bundestag ebenfalls am Mittwoch den geplanten harten Kurs gegen die Einreise von Flüchtenden.

Grüne und Linke kritisieren „Chaos“

Die Grünen im Bundestag halten die Zurückweisung von Asylsuchenden für unrechtmäßig. „Söders und Dobrindts Grenztheater ist an Absurdität und Ignoranz gegenüber Recht und Realität nicht zu überbieten“, sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Marcel Emmerich. Was als solides Regierungshandwerk von der Koalition angekündigt worden sei, erweise sich nun als „gefährlicher Blindflug“. Diese chaotische Politik binde Einsatzkräfte an den Grenzen, die andernorts gebraucht würden. Außerdem gelte nach wie vor: „Schutzsuchende, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, verdienen rechtsstaatliche Verfahren – keine rechtswidrige Zurückweisung.“

Auch Clara Bünger, fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, spricht von „einer Woche des Chaos“. Sie wirft Dobrindt und Söder Populismus vor. Sie würden mit ihrem Besuch an der Grenze Handlungsfähigkeit simulieren. „Dafür schrecken Union und SPD auch nicht davor zurück, geltendes Recht zu brechen. Sie setzen darauf, dass es möglichst lange dauert, bis Betroffene gegen die Kontrollen und Zurückweisungen klagen und die Gerichte dem einen Riegel vorschieben.“ Mit Rechtsstaatlichkeit habe das nicht mehr viel zu tun. Die Linke werde Betroffene unterstützen, die gegen dieses Unrecht klagen. (dpa/mig) Aktuell Politik

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