
Nicht rassistisch genug
Gericht hebt Suspendierung von „Itiotentreff“-Polizisten auf
In Chatgruppen tauschten Polizisten hunderte rechtsextreme Dateien mit ausländerfeindlichen, rassistischen, antisemitischen Inhalten. Trotzdem darf ein beteiligter Beamter weiter Polizist bleiben – vorerst. Hessens Innenminister kündigt Rechtsmittel an.
Dienstag, 29.04.2025, 16:13 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 29.04.2025, 16:23 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Im Fall der Polizisten-Chatgruppe „Itiotentreff“ mit rechtsextremen Inhalten hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden die Suspendierung eines Mitglieds der Gruppe ausgesetzt. Gegen den Beamten war Ende 2018 durch das Polizeipräsidium Frankfurt ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, nachdem die Staatsanwaltschaft Frankfurt strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen hatte.
Im Zuge dessen war der Beamte ab Mai 2022 suspendiert worden. Die Suspendierung stützte sich auf die mutmaßliche Entfernung des Mannes aus dem Beamtenverhältnis. Ihm wurde in dem Verfahren vorgeworfen, mehr als 150 Bild- und Videodateien mit „ausländerfeindlichem, rassistischem, antisemitischem und gegenüber Behinderten und Andersgläubigen abfälligem Inhalt versendet, kommentiert und gespeichert zu haben“, heißt es vom Gericht.
Von der Meinungsfreiheit gedeckt
Das Verwaltungsgericht gab nun einem Antrag des Mannes gegen die Suspendierung statt. Insgesamt lasse sich keine verfassungsfeindliche Gesinnung des Beamten zum gegenwärtigen Zeitpunkt feststellen. Einen Verstoß gegen seine Kernpflicht als Polizist für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzustehen, erkannte das Gericht nur in Bezug auf 13 Bild- und Videodateien, die er versendet habe.
„Diese Dateien erweckten den Anschein, der Beamte sympathisiere mit dem Nationalsozialismus beziehungsweise wolle diesen zumindest massiv verharmlosen und weise eine rassistische Gesinnung auf“, erklärte das Gericht.
Einigen der übrigen Vorwürfe stehe die Meinungsfreiheit entgegen, die in einem demokratischen Rechtsstaat grundsätzlich auch offensichtlich anstößige, abstoßende und bewusst provozierende Äußerungen schütze. Zudem stelle der bloße Besitz von mehr als 100 Dateien auf seinen Rechnern kein „vorwerfbares Fehlverhalten“ dar. Es sei nicht erkennbar, dass diese von dem Beamten gezielt und bewusst vorrätig gehalten worden seien. Insofern komme zwar eine Disziplinarmaßnahme in Betracht, die für die Suspendierung erforderliche Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sei jedoch nicht hinreichend wahrscheinlich, hieß es.
Innenminister kündigt Rechtsmittel an
Der Beschluss ist noch nichts rechtskräftig. Die Entscheidung über die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis entscheidet das Verwaltungsgericht Wiesbaden gesondert.
Hessens Innenminister Roman Poseck kündigte indes an, Rechtsmittel gegen die Entscheidung einzulegen. „Die Maßstäbe des Verwaltungsgerichts Wiesbaden halte ich persönlich für nicht überzeugend“, sagte der CDU-Politiker. „Aus meiner Sicht wird die Latte für disziplinarrechtliche Maßnahmen durch das Gericht zu hoch angelegt.“ Dies gelte erst recht vor dem Hintergrund des Erstarkens radikaler Kräfte im Land. „Wer rechtsextreme Inhalte teilt und verbreitet, sollte in unserer Polizei keinen Platz haben.“
OLG sah keinen hinreichenden Tatverdacht
Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte im Sommer 2024 entschieden, dass es kein Gerichtsverfahren gegen die Gruppenmitglieder geben soll. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft hatte Beschwerde eingelegt, nachdem bereits das Landgericht kein Hauptverfahren eröffnen wollte. Das OLG teilte mit, dass kein hinreichender Tatverdacht gegen die Beschuldigten vorliege, die zum Zeitpunkt der Chats überwiegend Polizisten waren.
Den Beschuldigten wurde zur Last gelegt, in der Zeit von Herbst 2014 bis Herbst 2018 in verschiedenen Chatgruppen Bilder und Videos mit verbotenem Inhalt verbreitet zu haben. Dabei soll es sich überwiegend um Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie volksverhetzende Inhalte gehandelt haben. Fünf der insgesamt sechs Beschuldigten waren zu dieser Zeit Polizeibeamte. Auch die Chatgruppe „Itiotentreff“ war maßgeblicher Teil der Ermittlungen. In dieser wurden binnen eines Jahres mehr als 1.600 Nachrichten ausgetauscht. (dpa/mig) Aktuell Recht
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