Sascha Rex im Gespräch
Unterfinanzierung der Integrationskurse rechtlich bedenklich
Für 2025 plant der Bund die Halbierung des Budgets für Integrationskurse. Nach dem Ampel-Aus liegen die Haushaltsberatungen auf Eis. Sollte es zu den Kürzungen kommen, werde das drastische Folgen für die Integration Geflüchteter in den Jobmarkt haben, warnt Sascha Rex vom Deutschen Volkshochschul-Verband im Gespräch.
Von Dirk Baas Dienstag, 12.11.2024, 11:06 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 12.11.2024, 11:06 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Der Deutsche Volkshochschul-Verband (DVV) warnt vor drastischen Folgen für die Integration Geflüchteter in den Jobmarkt, falls der Bund die Fördergelder für Integrations- und Berufssprachkurse für 2025 halbiert. Nach dem Aus der Ampel liegen die Haushaltsberatungen zunächst auf Eis. Doch falls es zu den geplanten Kürzungen komme, habe das gravierende Folgen: „Rund 180.000 Personen könnten im kommenden Jahr keinen Kurs beginnen“, sagte DVV-Experte Sascha Rex im Gespräch. Auch das drohende Aus für die Finanzierung von Wiederholungsstunden sei kontraproduktiv und „genau das falsche Signal“.
Kürzungen des Budgets für die Integrationskurse um über 50 Prozent stehen im Raum, auch wenn das Bundesinnenministerium Medienberichte dazu dementiert. Mit welchem Szenario rechnen Sie derzeit?
Sascha Rex: Im Haushaltsentwurf sind für die Integrationskurse 2025 Mittel in Höhe von 500 Millionen Euro eingeplant. Diese Gelder würden ausschließlich dazu reichen, bereits seit diesem Jahr laufende Kurse zu Ende zu führen. Neue Kursangebote können nicht starten. Für Berufssprachkurse sind im nächsten Jahr 310 Millionen Euro eingeplant, damit können begonnene Kurse zu Ende gebracht, aber nur 30 Prozent der notwendigen Kurse neu gestartet werden.
Wie viele Kurse bieten die VHS-Träger derzeit an?
Die Volkshochschulen bieten rund 45 Prozent aller aktuell laufenden Integrationskurse an. Die genauen Teilnahmezahlen kann aber nur das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ausweisen, weil diese nicht trägerspezifisch erfasst werden. Der tatsächliche Bedarf geht schon jetzt weit über das hinaus, was angeboten werden kann. Insbesondere in ländlichen Räumen müssen sich Bewerber im Schnitt rund 20 Wochen gedulden.
Wie sehen die Kurserfolge aus?
Über 90 Prozent der Teilnehmenden schließen den Kurs mit Bestehen des Deutsch-Tests für Zuwanderer (DTZ) auf den Sprachniveaus A2 oder B1 ab – und das, obwohl der Anteil kriegstraumatisierter Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Ukraine zuletzt deutlich angestiegen ist.
Momentan stehen die Integrationskurse im Fokus, aber fehlt nicht auch Geld für spezielle, sich anschließende Sprachkurse?
Ja, es fehlen auch Mittel für die Berufssprachkurse. Angesichts des Fachkräftemangels sollte das Ziel B1 von möglichst vielen Zuwanderern erreicht werden, damit eine gelungene Integration in den Arbeitsmarkt auf vergleichbarem Qualifikationsniveau wie im Herkunftsland möglich ist. In vielen Berufen ist jedoch ein höheres Sprachniveau nötig, das durch Berufssprachkurse ebenfalls erreicht werden kann. Sie sind ein erfolgreiches Element, wie auch die OECD-Studie „Stand der Integration von Eingewanderten“ eindrucksvoll belegt. Laut dieser Erhebung ist Deutschland mit einer Erwerbstätigenquote von 70 Prozent bei Eingewanderten im Vergleich zu anderen OECD-Staaten sehr erfolgreich.
Bereits im Dezember könnten bisher übliche Wiederholungsstunden nicht mehr finanziert werden …
Es gibt Pläne, die sogenannten Wiederholungsstunden im Rahmen einer Änderung der Integrationskursverordnung zu streichen. Die sieht dann nur noch in wenigen Ausnahmefällen die Möglichkeit einer Wiederholung von Kursmodulen im Umfang von maximal 300 Unterrichtseinheiten vor. Dabei ist die Möglichkeit, Kursmodule zu wiederholen, ein wichtiges Instrument, damit so viele Teilnehmende wie möglich den Integrationskurs erfolgreich beenden können und das angestrebte B1-Niveau erreichen. Gerade vom Ziel der beruflichen Integration gedacht, wäre die Einstellung der Finanzierung von Wiederholungsstunden also genau das falsche Signal.
Wenn es tatsächlich so kommt, werden für 2025 nur Gelder für rund 150.000 Teilnehmende da sein. Wie viele Personen stehen dann ohne Kurs da?
Die Bundesregierung spricht im Gesetzesentwurf für den Haushalt selbst von einem Bedarf von 326.000 Teilnehmern. Das bedeutet, dass rund 180.000 Personen keinen Kurs beginnen können. Die aktuell durchschnittlichen Wartezeiten von einem halben Jahr werden sich dann für diese Personen um ein Jahr auf rund 1,5 Jahre verlängern.
Welche Folgen hätten die Kürzungspläne für die Wirtschaft?
Gravierende, denn Basissprachkenntnisse auf dem Niveau von A2 sind nach Rückmeldung von Arbeitgebern in vielen Fällen nicht ausreichend. Ein planvolles Gegensteuern gegen den Fachkräftemangel in der deutschen Wirtschaft kann so nicht gelingen.
Was genau sind Ihre Forderungen mit Blick auf den Bundesetat 2025?
Damit die von der Bundesregierung selbst bezifferten Bedarfe in Integrationskursen umgesetzt werden können, sind nach unseren Berechnungen mindestens weitere 600 Millionen Euro notwendig. Für die Berufssprachkurse ist eine mindestens eine Verdopplung der Gelder auf 620 Millionen Euro notwendig. Nach unserem Verständnis haben die meisten Zugewanderten einen Rechtsanspruch auf eine Teilnahme am Integrationskurs. Das ist im Aufenthaltsgesetz geregelt. Wenn die Bundesregierung das Kernelement deutscher Integrationspolitik unterfinanziert, dann ist das rechtlich bedenklich. (epd/mig) Interview
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