„Minusrunde“ für Geflüchtete
Kürzung der Sozialleistungen für Asylbewerber – scharfe Kritik
Geflüchtete sollen im kommenden Jahr weniger Sozialleistungen erhalten – etwa 20 Euro pro Monat. Pro Asyl kritisiert diese „Minusrunde“ als menschenunwürdig und meldet verfassungsrechtliche Bedenken an.
Dienstag, 29.10.2024, 13:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 29.10.2024, 13:38 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Höhe des Bürgergeldes und der Sozialhilfe bleibt 2025 unverändert. Der Regelbedarf für Asylsuchende hingegen wird sinken. Das ist das Ergebnis der diesjährigen, gesetzlich vorgegebenen Fortschreibung der Regelbedarfsstufen. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisiert die geplante Kürzung der Sozialleistungen für Geflüchtete scharf. Sie spricht von einer „Minusrunde“ und wirft Bund und Ländern eine „antisoziale Politik auf dem Rücken der Allerschwächsten“ vor.
Die Bundesregierung passt die Regelbedarfe für Sozialleistungen jedes Jahr an die Preis- und Lohnentwicklung an. Die aktuelle Verordnung aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), die der Bundesrat bereits beschlossen hat, führt jedoch erstmals zu einer Kürzung der Grundleistungen für Geflüchtete im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) – nach Angaben von Pro Asyl vermutlich um etwa 20 Euro pro Monat und erwachsener Person.
Pro Asyl kritisiert gravierende Ungleichbehandlung
Diese Kürzung stelle eine gravierende Ungleichbehandlung gegenüber Empfängern von Sozialhilfe und Bürgergeld dar. Während für diese Gruppen der sogenannte Bestandsschutz greift, der sicherstellt, dass ihre Leistungen nicht unter das aktuelle Niveau fallen, wird Asylsuchenden dieser Schutz verwehrt. Bereits heute liegen die Leistungen nach dem AsylbLG unter denen des Bürgergeldes. Mit der Kürzung wird die Kluft größer.
Die Kürzungen betreffen allerdings Asylbewerber, die neu in Deutschland sind. Für diejenigen, die seit mehr als 36 Monaten in Deutschland sind und die sogenannten Analogleistungen erhalten, gilt ebenfalls die Nullrunde. Sie erhalten weiterhin gleich viel Geld wie 2024.
Paritätische kritisiert Berechnungsmethode
„Die vom BMAS verantwortete und vom Bundesrat beschlossene Verordnung ist die vierte binnen zwölf Monaten, mit der die Verantwortlichen schutzsuchende Menschen tiefer in die existenzielle Not treiben“, kritisiert Pro Asyl. Zu den früheren Maßnahmen zählt die Organisation unter anderem die Einführung einer Bezahlkarte oder die verlängerten Grundleistungen im AsylbLG.
Kritik an der Berechnungsmethode hatte bereits der Paritätische Wohlfahrtsverband geübt. Schon die Nullrunde für Bürgergeld- und Sozialhilfeempfänger seien demnach angesichts steigender Preise und Löhne unangemessen. Arme Menschen verlören damit weiter an Kaufkraft.
Zweifel an Verfassungskonformität
Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem wegweisenden Urteil aus dem Jahr 2012 festgestellt, dass Sozialleistungen für Geflüchtete nicht pauschal niedriger bemessen werden dürfen als reguläre Sozialleistungen. Danach darf der Gesetzgeber „nicht pauschal nach dem Aufenthaltsstatus differenzieren“.
Eine abweichende Berechnung wäre nur dann zulässig, wenn der Bedarf der jeweiligen Gruppe durch eine „empirisch belegte, transparente Berechnung“ begründet würde. Diese Berechnung sei jedoch seit mehr als zwölf Jahren nicht vorgelegt worden, kritisiert Pro Asyl. Das sei nicht überraschend: „Auch Geflüchtete im AsylbLG-Bezug sind Menschen, die alle Bedarfe haben, die Menschen nun einmal haben“, erklärt die Menschenrechtsorganisation. (mig) Leitartikel Panorama
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