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Österreich © aj82 @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

„Nicht fair“

Ausländer ohne Stimme: Die Wahlrechtslücke in Österreich

Während Deutschland seine Einbürgerungsregeln lockert, wird Österreich immer restriktiver. Dabei ist jeder Fünfte ausländischer Staatsbürger. Spielt das für die kommenden Wahlen eine Rolle?

Von Donnerstag, 26.09.2024, 13:05 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 29.09.2024, 18:22 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Wann hat man das Gefühl, wirklich in einem fremden Land angekommen zu sein? Geschieht es, wenn man einheimische Freunde findet, einen festen Arbeits- oder Mietvertrag hat oder nach dem ersten Gespräch in der Landessprache?

Für viele Migranten stellt sich dieses Ankommensgefühl erst ein, wenn sie endlich die Staatsbürgerschaft des Landes erhalten haben. „Inklusion geht Hand in Hand mit der Staatsbürgerschaft. Wer sie erhält, fühlt sich politisch und gesellschaftlich in das Land eingebunden“, sagt Sieglinde Rosenberger, die an der Universität Wien zu Migration und österreichischer Politik forscht.

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Wenn am Sonntag in Österreich ein neues Parlament gewählt wird, haben 1,5 Millionen Einwohner mangels Staatsbürgerschaft keine Stimme, wie ein Forscher der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in einer Publikation hervorhebt. Die Alpenrepublik ist äußerst zurückhaltend bei der Vergabe von Pässen und kennt in der Regel auch keine doppelte Staatsbürgerschaft. Aktuell ist jeder fünfte über 16-jährige Bürger des Landes – darunter viele Deutsche und viele Steuerzahler – ohne Wahlrecht.

Expertin: Einbürgerung ist wie Krönung der Integration

Wie die Politikwissenschaftlerin Rosenberger anmerkt, ist das Staatsbürgerschaftsrecht in Österreich, anders als in Deutschland, im Laufe der Zeit restriktiver geworden, „der mehrheitliche, rechtskonservative politische Diskurs ist, dass die Staatsbürgerschaft die Krönung einer gelungenen Integration sein soll“. Das hänge teilweise auch mit der steigenden Popularität der FPÖ zusammen, sagt Rosenberger. Das bedeute, dass die Einbürgerung nicht als Teil der allgemeinen Integration gesehen werde, sondern „erst am geglückten Ende gewährt wird“, betont die Professorin an der Universität Wien.

Seit Juni ist in Deutschland das neue Staatsangehörigkeitsrecht in Kraft. Der Anspruch auf Einbürgerung besteht nun nach fünf Jahren, wenn der Antragsteller alle Bedingungen erfüllt. Finanziell muss man nachweisen, dass man für sich und seine Angehörigen sorgen kann – einen festen Betrag dafür gibt es nicht. In Österreich ist die Situation anders. Bei der regulären Einbürgerung muss man zehn Jahre ununterbrochenen Aufenthalt im Land nachweisen. Ein Auslandssemester könnte dazu führen, dass die Aufenthaltszeit neu berechnet wird.

Die größte Hürde für viele dürfte jedoch der finanzielle Aspekt der Staatsbürgerschaft sein. Der Antragsteller muss über ein regelmäßiges Einkommen verfügen, dessen Höhe bestimmten Sätzen entsprechen muss, wobei laufende Kosten wie Miete berücksichtigt werden. So müssen Alleinstehende etwa 1.200 Euro und Paare fast 2.000 Euro netto pro Monat zur Verfügung haben.

„Es ist nicht fair, keine Stimme zu haben“

Dajena Drinic verließ ihr Heimatland Albanien, um ein Jobangebot in Wien anzunehmen. Die Web-Entwicklerin liebt ihr Land, wollte aber bessere Möglichkeiten haben. Zehn Jahre später ist sie in der Hauptstadt heimisch geworden, lernte ihren künftigen Mann auf einem Weihnachtsmarkt kennen.

Ihr dreieinhalbjähriger Sohn hat sowohl die albanische als auch die österreichische Staatsbürgerschaft über seinen Vater. Drinic ist noch keine Österreicherin. Für sie mache es keinen großen Unterschied, dank ihres Daueraufenthaltstitels kann sie im Land arbeiten und wohnen. „Der einzige Unterschied, den die Staatsbürgerschaft für mich macht, ist die Wahlstimme“, sagt die 36-Jährige.

„Ich finde das nicht fair, weil ich hier auch Steuern zahle, hier lebe und vorhabe, hier zu bleiben.“ Drinic ist in einer kleinen Stadt im Südosten Albaniens geboren. 40 Kilometer entfernt ist Griechenland. Wäre sie da geboren, wäre sie EU-Bürgerin und hätte es leichter, sinniert sie.

In ihrem Heimatland wählt sie nicht. „Ich wohne dort nicht, also finde ich es nicht fair, dort zu wählen. Dann müssten die Menschen in Albanien mit meiner Entscheidung leben, und das halte ich nicht für richtig“, betont Drinic. Dabei ist sie mit einem politischen Bewusstsein aufgewachsen. „Für meine Familie war es sehr wichtig, ihre Stimme abzugeben. Am Wahltag waren wir immer alle da, schön angezogen.“

Doch Drinic möchte den Einbürgerungsprozess beginnen – schließlich geht es auch um die Zukunft ihres Sohnes. „Mein Einfluss mag klein sein. Aber ich denke, es ist mein Recht, auch hier eine Stimme für die Zukunft zu haben.“

Steigende Bevölkerung und doch weniger Wahlstimmen

Während die dauerhafte Wohnbevölkerung in Österreich stetig wächst, schrumpft die wahlberechtigte Bevölkerung – auch aufgrund einer alternden Gesellschaft, wie Rosenberger betont. Viele derjenigen ohne Staatsbürgerschaft seien aber in Österreich geboren. „Das wird oft ignoriert“, sagt sie. Es werde zunehmend zu einem Problem, wenn so viele junge Menschen, die hier geboren sind, kein Wahlrecht besitzen. „Dass sich für die jüngere Generation etwas ändern muss, kommt sehr langsam in den politischen Diskurs.“

Für politische Parteien sei es letztlich risikolos, auf der Basis von Migration negativ zu mobilisieren. Denn es bestehe keine Aussicht, dass die migrantische Bevölkerung zeitnah tatsächlich wahlberechtigt sein werde. Es gebe insbesondere bei den rechten Parteien kein Interesse, das Wahlrecht auszuweiten, sagt Rosenberger. (dpa/mig) Aktuell Ausland

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