80-Cent-Job abgelehnt
Landkreise in Sachsen-Anhalt halbieren Asylbewerber-Leistungen
Inwieweit sollten Asylbewerber zur Arbeit verpflichtet werden? Im Landtag wird energisch darüber diskutiert. Einige Landkreise in Sachsen-Anhalt haben bereits Leistungen gekürzt. Die AfD fordert mehr – und erntet Kritik. Derweil helfen Geflüchtete freiwillig bei Hochwasser.
Montag, 23.09.2024, 10:35 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 23.09.2024, 10:38 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Forderungen nach Leistungskürzung für Asylbewerber, die keine „gemeinnützige“ Arbeit leisten, hat eine öffentliche Diskussion und Welle der Empörung ausgelöst. Wie jetzt bekannt wurde, haben mehrere Landkreise in Sachsen-Anhalt Asylbewerbern bereits die Leistungen gekürzt, nachdem diese die Arbeitsaufnahme verweigert haben. Das bestätigten der Burgenlandkreis, der Landkreis Mansfeld-Südharz und der Landkreis Stendal auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.
Im Burgenlandkreis sollen die Asylbewerber bei der Grünpflege von öffentlichen Plätzen und Reinigungsarbeiten im öffentlichen Raum sowie auf Friedhöfen unterstützen. Es geht etwa um die Beseitigung von Unkraut und Pflege von Wegen und Hecken. Aktuell seien 28 Teilnehmer aktiv, sagte eine Sprecherin des Landkreises. „32 Personen haben die Tätigkeitsaufnahme verweigert.“ Die Verweigerung werde sanktioniert, und die Leistungen würden gekürzt, hieß es.
Für die Arbeit bekommen Asylbewerber einen Stundenlohn von 80 Cent. „Es geht dabei auch darum, Struktur in den Alltag der Asylbewerber zu bringen“, sagte die Geschäftsführerin des Landkreistags Sachsen-Anhalt, Ariane Berger. Der Fokus dürfe nicht allein auf dem Erlernen der deutschen Sprache liegen. Es seien pragmatische Ansätze nötig, um Geflüchtete schneller in Arbeit zu bringen.
Leistungskürzung von mehr als 50 Prozent
Im Landkreis Mansfeld-Südharz haben Asylbewerber in den vergangenen Monaten bei der Räumung der während des Helme-Hochwassers verbauten Sandsäcke geholfen. 64 Personen wurden zur Hilfe verpflichtet. 39 Personen sind der Aufforderung nachgekommen, 25 Personen hätten die Teilnahme verweigert, teilte der Landkreis mit. Davon hätten 9 Personen einen triftigen Grund angegeben, so dass es keine Leistungskürzung gab. „Den verbleibenden 16 Personen wurden die Leistungen gekürzt.“
Bei alleinstehenden Erwachsenen bedeutet dies den Angaben zufolge eine Reduzierung der Leistung von 460 auf 228 Euro – das entspricht einer Kürzung von 232 Euro oder mehr als die Hälfte der Regelleistung. Die Leistungskürzung erfolgt für 3 Monate. Ob dies mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vereinbar ist, darf bezweifelt werden. Die obersten Verfassungsrichter hatten in einer Grundsatzentscheidung klargestellt, dass das Existenzminimum gewahrt werden muss. Danach ist schon die Asyl-Regelleistung sehr knapp bemessen.
Freiwillige melden sich zum Sandsack-Füllen
Im Landkreis Stendal geht es um Tätigkeiten wie Unterhaltungs-, Pflege- und Reinigungsarbeiten in Gemeinschaftsunterkünften mit einer maximalen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden. Pro Quartal hätten fünf bis sechs Geflüchtete daran teilgenommen, hieß es. Es gebe auch Leistungskürzungen, die Zahl der Verweigerer werde aber statistisch nicht erfasst.
Zugleich wird nicht jeder, der hilft oder arbeitet, dazu verpflichtet, wie Asylbewerber aus dem brandenburgischen Frankfurt (Oder) zeigen. Zum Schutz gegen das drohende Hochwasser beispielsweise halfen Asylbewerber beim Befüllen von Sandsäcken in einem vom Hochwasser-gefährdeten Stadtgebiet, wo viele ältere Menschen leben. Das Deutsche Rote Kreuz hatte Geflüchtete einer Gemeinschaftsunterkunft um freiwillige Hilfe gebeten, wie ein Sprecher der Stadt sagte. Das Echo sei sehr gut gewesen. Rund 30 Personen hätten mit großer Motivation beim Sandsack-Füllen geholfen.
Debatte über Arbeitspflicht im Landtag
Die AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt fordert eine flächendeckende Arbeitspflicht. Es sollten nicht nur einzelne Landkreise aktiv werden, erklärte Co-Fraktionschef Ulrich Siegmund in einer Parlamentsdebatte. „Wir brauchen es überall.“ Dabei sind Arbeitsgelegenheiten für Geflüchtete bereits seit vielen Jahren gesetzlich geregelt.
Die SPD-Abgeordnete Heide Richter-Airijoki warf der AfD vor, das Bild von Sozialschmarotzern zeichnen und die Ablehnung von Migranten verstärken zu wollen. Henriette Quade (Linke) sagte, der AfD gehe es um ein Instrument der Abschreckung. Es sei für die Integration viel wichtiger, dass Geflüchtete schnell die deutsche Sprache lernen und sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen aufnehmen.
Auch die Grünen kritisierten die Rechtspopulisten. Die AfD wolle Zwangsarbeit für Ausländer, sagte der innenpolitische Sprecher Sebastian Striegel. Es solle aber darum gehen, die Menschen in sozialversicherungspflichtige Jobs zu bringen. Jedem ankommenden Menschen müsse schnell eine Ausbildung oder Arbeitsaufnahme ermöglicht werden, so Striegel.
Innenministerin stellt Leitfaden vor
Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) sagte, auf kommunaler Ebene könnten noch mehr Arbeitsgelegenheiten angeboten werden. Ihre Behörde hat einen Leitfaden erarbeitet, um über die Möglichkeiten besser zu informieren und weitere Anbieter zu gewinnen. Die CDU-Politikerin befürwortet Leistungskürzungen, wenn Arbeitsgelegenheiten nicht angenommen werden. „Diese Anspruchseinschränkung halte ich für völlig legitim.“
Zieschang verwies darauf, dass Geflüchtete auch in der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Arbeitsgelegenheiten übernehmen. Im Jahr 2023 hätten allein in der Hauptstelle in Halberstadt sowie den dazugehörigen Außenstellen rund 330 Bewohner Arbeitsgelegenheiten wahrgenommen. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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