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Debatte im Bundestag (Archiv)

AfD und BSW auch dafür

Bundestag beschließt Regelung für Bezahlkarte für Flüchtlinge

Der Bundestag hat eine gesetzliche Regelung für die Bezahlkarte für Flüchtlinge beschlossen - Zugestimmt haben auch AfD und BSW. Die Karte soll finanzielle Anreize für die Flucht nach Deutschland reduzieren. Experten bezweifeln die Wirkung und warnen vor negativen Folgen.

Sonntag, 14.04.2024, 10:17 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 20.04.2024, 14:24 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Nach langem Ringen hat der Bundestag eine gesetzliche Grundlage für die Bezahlkarte für Flüchtlinge beschlossen. Mit den überwiegenden Stimmen der Ampel-Fraktionen sowie der von AfD und der Gruppe Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) stimmte das Parlament am Freitag für eine entsprechende Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Dort wird die Bezahlkarte künftig ausdrücklich erwähnt und festgelegt, dass Sozialleistungen vorrangig in dieser Form statt bar ausgezahlt werden sollen. Union und Linke sowie die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram stimmten gegen die Regelung.

In einer vorangegangenen hitzigen Debatte im Bundestag bezeichnete der sozialpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Stephan Stracke (CSU), die Grünen als „Geisterfahrer“ in der Migrationspolitik. Sie hätten nicht nur im Europäischen Parlament gegen die Reform des EU-Asylrechts gestimmt, sondern auch eine „beispiellose Verzögerungstaktik“ bei der Einführung der Bezahlkarte angewandt.

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Andreas Audretsch, stellvertretender Vorsitzender der Grünen-Fraktion, wies diese Vorwürfe zurück. Das Gesetz sei nachgeschärft worden, um das Existenzminimum und die Teilhabe von Menschen zu gewährleisten. SPD, Grüne und FDP hatten sich vergangene Woche darauf geeinigt, dass notwendige Bedürfnisse, die nicht durch die Bezahlkarte gedeckt werden, künftig auch in Form von Bargeld erbracht werden müssen. Audretsch nannte als Beispiel Beiträge für Sportvereine, Schulessen oder Bustickets in den Nachbarort.

Faeser: Keine Überweisungen ins Ausland

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wies darauf hin, dass mit der Bezahlkarte Überweisungen ins Ausland künftig nicht mehr möglich sind. Es sei dringend erforderlich gewesen, dem menschenverachtenden Modell von Schleppern und Schleusern so zusätzliche Schranken zu setzen.

Die Diakonie appellierte an die Länder und Kommunen, die Bezahlkarten so auszugestalten, dass sie „sinnvoll und diskriminierungsfrei“ genutzt werden können. Der Paritätische Wohlstandsverband hingegen forderte die Länder und Kommunen auf, ganz auf eine Einführung der Bezahlkarte zu verzichten.

Bund und Länder erhoffen sich Ende finanzieller Anreize

Die Bezahlkarte ist eine Geldkarte ohne Kontobindung, über die Flüchtlinge künftig ihre Sozialleistungen ausbezahlt bekommen sollen. Gleichzeitig funktioniert sie als Zahlmittel. Bund und Länder hatten sich im vergangenen November darauf verständigt, eine möglichst bundesweit einheitliche Bezahlkarte einzuführen.

Sie sind der Auffassung, dass finanzielle Anreize für die Flucht nach Deutschland reduziert werden, wenn dadurch die Auszahlung von Bargeld begrenzt und Überweisungen in die Heimat unterbunden werden. An der Höhe der Asylbewerberleistungen, die unterhalb des Bürgergelds liegen, ändert sich dadurch aber nichts.

Experten warnen vor negativen Folgen für Arbeitsmarkt

Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) hatten bereits zuvor im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales kritisiert, dass die Bezahlkarte die anvisierte Wirkung entfaltet. Noa K. Ha, wissenschaftliche DeZIM-Geschäftsführerin, kritisierte die These von Pull-Faktoren und verwies auf aktuelle Studien, die der Theorie von Staaten als „Wohlfahrtsmagneten“ widersprechen. „Die Diskussion um die Bezahlkarte stellt einen scheinbaren Zusammenhang von Migration und hohen Sozialleistungen her. Ein Zusammenhang, der bei näherer Betrachtung wissenschaftlich nicht belegt werden kann“, erklärte Ha.

Migrationsforscher und Ökonom Herbert Brücker warnte mit Verweis auf den steigenden Bedarf an Arbeits- und Fachkräften gar vor möglichen negativen Wirkungen der Bezahlkarte für die Integration in den Arbeitsmarkt. Die Bezahlkarte werde „sehr wahrscheinlich negative Auswirkungen auf die Integration und Teilhabe haben, nicht zu vernachlässigende Kosten für den Staat verursachen und ihr Ziel, die Reduzierung der Fluchtmigration, verfehlen“, so Brücker.

Keine bundesweit einheitliche Bezahlkarte

Eine bundesweit tatsächlich einheitliche Bezahlkarte wird es nach aktuellem Stand nicht geben. 14 der 16 Bundesländer wollen ein gemeinsames System, bei dem jedes Land aber Details wie Bargeldbeschränkungen oder eine Beschränkung der Funktion nur auf den Landkreis selbst festlegen kann. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern wollen ein eigenes System.

Die Regelung für die Bezahlkarte wurde nicht als eigenes Gesetz, sondern als Änderungsantrag in den Bundestag eingebracht, wodurch sie schon am Freitag verabschiedet werden konnte. (epd/mig) Aktuell Politik

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  1. Joachim Datko sagt:

    Ich bin auch für die Einführung der Bezahlkarte. Das könnte zu einer größeren Entlastung bei der massiven Einwanderung führen.

    Joachim Datko – Ingenieur, Physiker

  2. Don Cojone sagt:

    Bitte korrigieren:
    „Alleinstehende Flüchtlinge erhalten derzeit 460 Euro im Monat, 413 Euro, wenn sie in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht sind.“

    Das gilt schon seit Oktober 2022 nicht mehr… peinlich sowas ausgerechnet im Migazin zu lesen….