Vertuschung und Verharmlosung
Schule und Ministerium in der Kritik nach Lehrer-Gewalt gegen geflüchtete Schüler
Der mutmaßliche Angriff einer Lehrkraft auf zwei geflüchtete Schüler in Cottbus sorgt für Proteste. Auf einer Kundgebung werfen Teilnehmer dem Bildungsministerium vor, den Vorfall unter den Teppich zu kehren, die Schule vertusche und verharmlose. Nach öffentlichem Druck entschuldigt sich der Minister.
Mittwoch, 20.03.2024, 12:17 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 20.03.2024, 13:38 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Nach dem mutmaßlich rassistisch motivierten Angriff eines Lehrers in Cottbus auf zwei Kinder mit Fluchterfahrung hat sich Brandenburgs Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) entschuldigt und Präventionsmaßnahmen angekündigt. „Gewalt gegen Kinder geht gar nicht“, sagte Freiberg am Mittwoch im Landtag in Potsdam. „So etwas darf nicht passieren – und zwar völlig egal unter welchen Umständen.“ Dabei sei eine rote Linie überschritten worden. Die körperliche Unversehrtheit habe oberste Priorität. „Ich kann in dem Zusammenhang (…) nur um Entschuldigung bitten.“ Der Minister sagte, die Lehrkraft sei derzeit krankgemeldet „und wird nicht in den Landesdienst Brandenburg zurückkehren“.
Etwa 100 Menschen hatten am Dienstag vor dem Schulamt in Cottbus gegen Rassismus an Schulen demonstriert. Darunter waren Familien, Eltern, Schüler und Lehrer. Die Polizei ermittelt nach den Vorfällen im Herbst 2023. Der Lehrer hatte die Schule nach den Vorkommnissen verlassen und zeitweise an einer anderen Schule in der Lausitz unterrichtet. Das Bündnis „#Unteilbar-Südbrandenburg“, das die Demonstration organisiert hat, zeigte sich Mittwoch auf seiner Facebook-Seite, erleichtert, dass das Schulamt aufgrund „des medialen und zivilgesellschaftliche Drucks“ inzwischen eingelenkt hat und der Lehrer keine Kinder und Jugendlichen mehr unterrichten wird. „Traurig sind wir darüber, dass es diesen Druck erst brauchte, damit sich überhaupt etwas in Bewegung gesetzt hat“, erklärte das Bündnis weiter.
Der Lehrer soll gegenüber zwei Schülern gewalttätig geworden sein, das Brandenburger Bildungsministerium bestätigte vergangene Woche den Vorfall. Einer der Jungen wurde so stark verletzt, dass er stationär in einer Klinik behandelt werden musste. Laut Polizei erstatteten die Eltern nach den Vorfällen im September 2023 Anzeige. Ein mögliches rassistisches Motiv werde geprüft, sagte eine Polizeisprecherin vergangene Woche.
„Schule vertuscht und verharmlost“
Der Leiter des Schulamtes, Uwe Mader, hatte am Rande der Kundgebung Fehler eingeräumt. „Im Nachgang hätte ich die polizeilichen Ermittlungen abwarten müssen, um möglicherweise eine andere Entscheidung zu treffen. Das bedauere ich“, sagte er. Die Lehrkraft war nach den Vorkommnissen versetzt worden, eine Suspendierung wurde nach einer Entscheidung des Personalrats aufgehoben, wie Mader erläuterte. Nach Prüfung der vorliegenden Beweismittel seien aber bislang keine rassistisch motivierten Handlungsweisen der Lehrkraft festgestellt worden, fügte er hinzu. Die Lehrkraft habe „unangemessen“ reagiert. Er werde sich bei den Eltern für die Vorfälle entschuldigen.
Die Teilnehmenden der Kundgebung zeigten sich empört. „Statt von Lehrkräften Schutz zu erfahren, wenn sie diskriminiert und angegriffen werden, sind es die Lehrkräfte selbst, die mobben und zuschlagen, und dieses Verhalten wird auch noch von der Schule vertuscht und verharmlost“, sagte eine Sprecherin des Bündnisses „#Unteilbar-Südbrandenburg“, das die Demonstration organisiert hat. „Offensichtlich hat das Ministerium und die Schulbehörde den Schutz vor Rassismus […] immer noch nicht als eine ihrer entscheidenden Aufgaben angenommen“, so das Bündnis auf Facebook. Dem Minister wirft es vor, einen rassistischen Hintergrund auszuschließen, „während die Polizei genau deshalb ermittelt“.
Demonstranten: Ministerium kehrt Vorfall unter den Teppich
Die rechtsextremen Vorfälle in Burg im Spreewald seien noch nicht einmal ein Jahr her und wieder sei zu erleben, wie Schulamt, Schulleitung und Bildungsministerium versagten, so die Sprecherin des Bündnisses. Sie warf den Verantwortlichen vor, die Vorfälle unter den Teppich zu kehren, und forderte eine Aufarbeitung. Das Bildungsministerium solle strukturelle und personelle Konsequenzen ziehen.
Die Grund- und Oberschule in Burg hatte vor knapp einem Jahr nach einem zunächst anonymen Brandbrief zweier Lehrkräfte über Monate für Schlagzeilen gesorgt. Die Lehrerin und der Lehrer hatten im April geschildert, wie sie an der Schule täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert seien. Nach der Öffentlichmachung der Vorfälle wurden die Lehrkräfte angefeindet und verließen schließlich die Schule zum Sommer.
Kritik auch von Grünen und Linke
Kritik hatte das Ministerium zuvor auch von den Grünen im Brandenburger Landtag geerntet. Der Lehrer dürfe unter den Umständen vorerst nicht weiter unterrichten, das sei nicht hinnehmbar, erklärte Grünen-Fraktionsvorsitzende Petra Budke. „Wenn solche Vorwürfe im Raum stehen, müssen sie geklärt werden. Und so lange, wie sie nicht geklärt sind, darf eine Lehrkraft keinen Kontakt mehr mit Schülerinnen und Schülern haben.“
Linken-Fraktionsvorsitzender Sebastian Walter wirft Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) vor, den Fall abzuwiegeln. „Natürlich gilt die Unschuldsvermutung auch bei diesem Fall. Nichtsdestotrotz kann die erste Reaktion nicht sein: Ja, wir sind da dran und wir schauen mal“, so Walter. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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