Umweltsünde
Exportmengen von Plastikmüll gen Asien deutlich gestiegen
Klimaflüchtlinge will Deutschland nicht aufnehmen, seine Umweltsünden verschifft es aber gerne arme Länder. Umstrittene Plastik-Müll-Ausfuhren sind wieder deutlich gestiegen. Sie werden aber nicht als Müll gewertet, sondern als Rohstoffe.
Von Wolf von Dewitz Mittwoch, 14.02.2024, 15:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 14.02.2024, 15:48 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Deutsche Plastikmüll-Exporte nach Asien sind einer Statistik zufolge im vergangenen Jahr um fast die Hälfte gestiegen. Im Jahr 2023 seien rund 158.000 Tonnen Kunststoff-Abfälle aus der Bundesrepublik nach Asien verschifft worden und damit circa 51.000 Tonnen mehr als ein Jahr zuvor, teilte der Entsorgungsverband BDE auf dpa-Anfrage mit.
Die Angaben sind eine Schätzung: Für die ersten zehn Monate 2023 liegt eine amtliche Statistik vor, für die letzten zwei eine Hochrechnung des Verbandes. Schon 2022 waren die Exporte gestiegen, damals allerdings nur leicht um sechs Prozent. Es geht um Ausfuhren in Staaten wie Malaysia, Indonesien und Vietnam. Die Türkei wird in der Statistik Europa zugerechnet.
Jedes Jahr werden in Deutschland mehr als sechs Millionen Tonnen Kunststoff-Abfälle verwertet, der Anteil der Asien-Ausfuhren daran ist gering. Sie werden nicht als Müll gewertet, sondern als Rohstoffe, die zu Textilien, Straßenpollern oder Bänken verarbeitet werden. Aus Sicht der Entsorgungswirtschaft gehört eine gewisse Menge solcher Exporte zum normalen Geschäft in Zeiten der Globalisierung, schließlich könne damit der Bedarf nach solchen Rohstoffen in anderen Weltregionen gestillt und bei sachgerechter Anwendung ein Mehrwert für die Wirtschaft geboten werden.
Kritik von Umweltschützern
Umweltschützer weisen aber darauf hin, dass die Vorschriften und Kontrollen in ärmeren Staaten schwächer seien und solche Ausfuhren teilweise doch als Müll in der Landschaft und im Meer landeten – mir schwerwiegenden Folgen für Natur und Mensch. Greenpeace fordert ein Verbot solcher Ausfuhren. „Unser Plastikmüll muss auch in Deutschland recycelt werden, sonst wird sich am kaputten System des Einwegplastiks nichts ändern“, sagt Greenpeace-Expertin Viola Wohlgemuth. Es ärgert sie, dass der nach Asien verschiffte Müll als recycelt gewertet werde und damit die Recyclingquote verbessere. Damit belüge man sich selbst, moniert die Umweltschützerin.
„Aus einer Getränke-PET-Flasche nach einem Export um die Welt in Asien ein Textil zu machen, das wieder nicht recyclefähig ist und dafür neues Öl zum Ersatz der Flasche einzusetzen, ist nicht nachhaltig“, sagt Wohlgemuth. Es sei vielmehr Teil eines linearen Systems, das Ressourcen verschwende und niemals nachhaltig sein könne.
Die Umweltschützerin plädiert für entschlossene Maßnahmen, um die Nutzung von Mehrweg-Artikeln voranzubringen und die gewaltigen Mengen an Plastik-Einwegartikeln zu reduzieren. Hierbei tue die Bundespolitik noch immer viel zu wenig. Die seit gut einem Jahr geltende Mehrwegangebotspflicht, bei der größere Gastronomiebetriebe Mehrwegpackungen anbieten müssen, sei viel zu lasch und laufe ohne die Durchsetzung der Bundesländer ins Leere. Die Herstellung von neuem Plastik müsse im Sinne des Klimaschutzes und der Ressourcenschonung drastisch um 75 Prozent reduziert werden, fordert Wohlgemuth.
Asien-Exporte auf lange Sicht deutlich gesunken
Der Verband BDE wiederum verlangt von der Politik, dass geltende Regeln streng kontrolliert werden und schwarze Schafe unter den Firmen dadurch keine Chance haben. Außerdem weist der BDE darauf hin, dass der Asien-Anteil am deutschen Exportgeschäft der Abfallbranche im Vergleich zum Beginn des vergangenen Jahrzehnts sehr gering sei: 2011 hatte Deutschland nach China 763.400 Tonnen Kunststoff-Abfälle verschifft, also etwa fünf Mal so viel wie im vergangenen Jahr nach Asien insgesamt. Damals war China mit großem Abstand der Hauptabnehmer. Später schob Peking dem umstrittenen Geschäft mit strengen Importregeln einen Riegel vor – heute liegt der China-Anteil bei null.
Die Asien-Exporte machen der BDE-Statistik zufolge nur circa ein Viertel aller Plastikabfall-Ausfuhren aus Deutschland aus. Hauptabnehmer waren 2023 die Niederlande (rund 126.000 Tonnen), gefolgt von Malaysia (90.000), der Türkei (86.000), Polen (65.000), Indonesien (40 000), der Schweiz (39.000), Österreich (38.000) und Belgien (30 000). Auch Vietnam (25.000) und Tschechien (16.000) waren unter den zehn wichtigsten Abnehmer-Staaten. Alles in allem betrug das Ausfuhrgewicht im vergangenen Jahr rund 685.000 Tonnen und damit nur etwa halb so viel wie 2013 (1.325.000 Tonnen). In der BDE-Statistik, die bis zum Jahr 2008 zurückgeht, ist es der mit Abstand niedrigste Wert – seit 2016 sinken die Plastikabfall-Mengen kontinuierlich. 2022 waren es noch rund 757.000 gewesen. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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