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Blau ist das neue Braun (Archiv) © Marius Angelmann @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Was die Forschung sagt

Rechtsextremen nach dem Mund reden geht nach hinten los

Derzeit wird über den richtigen Umgang mit der AfD diskutiert. Der eine Pol lautet „Verbieten!“, der andere mahnt dazu, die in Teilen rechtsextreme Partei „inhaltlich zu stellen“. Dazu muss man zunächst wissen, was zur Wahl der AfD motiviert.

Von Sonntag, 11.02.2024, 18:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 11.02.2024, 19:24 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Seit den Enthüllungen des Recherchenetzwerks „Correctiv“ über rechtsextreme Tendenzen in der AfD nimmt die Debatte über den Umgang mit der Partei Fahrt auf. Die einen wollen die Partei ausgrenzen, sie möglichst auch verbieten lassen. Andere mahnen, man müsse sich politisch mit ihr auseinandersetzen und sie „inhaltlich stellen“.

„Correctiv“ hatte Anfang Januar berichtet, bei einem Treffen von AfD-Politikern, Neonazis und Unternehmern sei über einen Plan gesprochen worden, Millionen Menschen zu vertreiben. Demnach sollten nicht nur Menschen ohne deutschen Pass das Land verlassen, sondern auch Deutsche, die aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer politischen Überzeugungen nicht in ein rechtsradikales Weltbild passten.

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Verbostverfahren – Pro und Contra

Ein Verbotsverfahren könnte nach Ansicht der Politikwissenschaftlerin Sabrina Mayer von der Uni Bamberg durchaus positiv wirken, selbst wenn es scheitern sollte. „Um einem Verbot zu entgehen, müsste sich die AfD mäßigen“, erklärt die Professorin. Allerdings könne so ein Verfahren auch andere, unbeabsichtigte Effekte haben. Etwa wenn die AfD ein Scheitern als Freifahrtschein, als gerichtlich bestätigtes Unbedenklichkeitssiegel nutzen könne.

Auch jenseits der Frage eines Verbots herrscht Unsicherheit in der Politik über den richtigen Umgang mit der in Teilen rechtsextremen Partei. Allerdings gibt es mittlerweile eine Reihe wissenschaftlicher Erkenntnisse darüber.

AfD kopieren geht nicht auf

Eine Strategie von Parteien, Wählerstimmen von den Rechtsextremen zurückzuholen, besteht darin, selbst nationalistische und migrationsfeindliche Töne anzuschlagen – in der Annahme, Wählerinnen und Wähler wünschten sich diese Positionen. Aber diese Strategie geht nicht auf, wie 2022 eine Studie der Universität Cambridge herausfand. Einer Untersuchung im Jahr darauf des Kölner Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften zufolge erreicht sie sogar das genaue Gegenteil.

Ergebnis der Kölner Studie, die Inhalte von Parteiprogrammen aus 26 europäischen Ländern und den Zuspruch zu rechtsaußen in Bezug setzte: Überall dort, wo Parteien der Mitte den Rechtspopulisten nach dem Mund reden, treibt das rechtsaußen noch mehr Stimmen zu. Die Forscherinnen erklären das so, dass die Identität vieler Menschen auf der Ausgrenzung anderer basiert – ein Befund, den beispielsweise die Leipziger Mitte-Studie bestätigt. Diese Identität alleine führe aber noch nicht zur Wahl von rechts, sondern sie müsse erst aktiviert werden. Etablierte Parteien täten genau das, wenn sie eine ausgrenzende Rhetorik verwendeten.

AfD-Umfragewerte sinken seit den Demos

Neben politischen wirken auch psychologische Faktoren auf die derzeitige Stimmung. Persönlichkeitsfaktoren etwa haben ebenfalls Einfluss auf Wahlentscheidungen, wie weitere Studien bestätigen. Wer demnach autoritär tickt, nach sozialer Dominanz strebt oder – der bedeutendste Faktor – fremdenfeindlich ist, neigt zur Wahl der AfD. Diese Faktoren würden sich durch eine politische Auseinandersetzung mit der AfD nicht verändern. Die Bamberger Politologin Mayer war an einigen dieser Studien beteiligt.

Tatsächlich blieben nach der „Correctiv“-Enthüllung die Umfragewerte für die AfD zunächst stabil. Erst seit Beginn der Massendemonstrationen gegen Rechtsextremismus sinken sie. Mayer nennt als Erklärungsansatz dafür den psychologischen Mechanismus der konfirmatorischen Informationssuche. Er besagt, dass Menschen dazu neigen, das zu glauben, was ihrem bereits vorhandenen Weltbild entspricht. Eine Enthüllung wie die von „Correctiv“ führt dann bei Unterstützern der AfD nicht dazu, dass sie ihre Ansichten über die AfD ändern, sondern sie erklären eventuelle Zweifel einfach weg.

Experte: Wut überträgt sich

Dieses Wegerklären versucht derzeit die AfD, indem sie etwa behauptet, dass die Demos von der Regierung organisiert seien. Aber das funktioniere nicht, wenn Hunderttausende auf den Straßen seien, erklärt Mayer: „Man kennt ja vielleicht Leute, die bei den Demos dabei sind, man erzählt sich im Büro von Kundgebungen.“

Auch Emotionen spielten bei der Unterstützung für die AfD eine Rolle, erklärt Mayer. Wut beispielsweise: „Und Wut überträgt sich auch auf andere Bereiche.“ Nach der Corona-Pandemie habe man gesehen, dass sich die Wut wegen der Pandemiebekämpfungsmaßnahmen auf komplett andere Themen übertragen habe, etwa auf das Heizkonzept der Bundesregierung. „Ein Verbot der AfD wäre nur sinnvoll, wenn man sich vorher überlegt, wie man mit dieser Wut umgeht“, sagt sie. Denn die Wut wäre dann ja immer noch da. (epd/mig) Leitartikel Politik

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