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Berlinale (Archiv) © de.depositphotos.com

Weiter Kritik wegen AfD-Einladung

Erste Schwarze Jurypräsidentin der Berlinale: Lupita Nyong’o

Lupita Nyong'o legte mit dem Oscar für „12 years a slave“ einen Karriere-Blitzstart hin. In diesem Jahr ist sie Jury-Präsidentin der Internationalen Filmfestspiele Berlin und die erste Schwarze Person auf diesem Posten. Derweil gibt es weiter Kritik an der Berlinale wegen der Einladung von AfD-Politikern.

Von Donnerstag, 08.02.2024, 15:27 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 08.02.2024, 15:27 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Gleich für die erste Filmrolle einen Oscar mit nach Hause nehmen – kometenhafter kann ein Aufstieg in Hollywood eigentlich kaum gelingen. Die Schauspielerin Lupita Nyong’o war vor ihrer Rolle als misshandelte Sklavin Patsey in „12 years a slave“ in der Branche ein unbeschriebenes Blatt, hatte gerade ihr Schauspielstudium an der US-Universität Yale beendet. Ziemlich genau zehn Jahre nachdem Nyong’o mit dem Academy Award als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet wurde, ist sie nun Jurypräsidentin der Berlinale 2024. Die Kritik wegen der Einladung von AfD-Politikern reißt deshalb aber nicht ab.

Gewöhnlich verlaufen ist an der Biografie von Lupita Nyong’o nichts. Geboren wurde sie 1983 in Mexiko-Stadt, wohin ihre kenianischen Eltern drei Jahre zuvor in einer Zeit politischer Unruhen geflohen waren. In Mexiko unterrichtete der Vater als Politikprofessor, doch schon Mitte der 1980er zog die Familie zurück nach Kenia, wo Nyong’o – die bis heute beide Staatsbürgerschaften hat – und ihre fünf Geschwister aufwuchsen.

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Zum Studium kam sie dann in die USA, an der Ostküste studierte sie zunächst Film- und Theaterwissenschaften. Erste Drehluft schnupperte sie als Assistentin und Praktikantin, etwa bei Fernando Meirelles‘ „Der ewige Gärtner“. 2008 inszenierte sie selbst ein Musikvideo sowie den Dokumentarfilm „In my genes“ über Menschen mit Albinismus in Kenia.

Der erste Oscar für eine Schwarze Afrikanerin

Auf eine Karriere vor der Kamera deutete zunächst wenig hin, trotz kleiner Rollen in einem Kurzfilm und einer kenianischen MTV-Serie – bis es dann mit dem Schauspiel-Studienplatz in Yale klappte. In diversen Theaterinszenierungen wurde sie als eine der Jahrgangsbesten gefeiert. Und nach monatelangem Casting erhielt sie kurz vor Studienabschluss schließlich die unerwartete Zusage für Steve McQueens Sklavereidrama.

Der Film wurde von der Kritik gefeiert, der Oscar für Nyong’o war der erste für eine Schwarze Afrikanerin. Lange Monate in spektakulären Outfits auf roten Teppichen machten Nyong’o in Windeseile zum Star. Es folgten Werbeverträge mit Kosmetik- und Modefirmen und Coverstorys in Hochglanzmagazinen. Deutlich spärlicher dagegen: die Auswahl an interessanten Rollen. Seit „12 years a slave“ hat Nyong’o nur elf Filme gedreht.

Chancenungleichheit in Hollywood

Das heißt nicht, die heute 40-Jährige habe seit dem fulminanten Karrierebeginn keinen großen Erfolg mehr gehabt. Als Nakia übernahm sie eine tragende Rolle in den beiden „Black Panther“-Filmen, neben Jessica Chastain und Penélope Cruz stand sie für den Actionthriller „The 355“ vor der Kamera. Eindrucksvoll war sie auch in ihrer Doppelrolle in Jordan Peeles Horrorfilm „Wir“. Dennoch wird man mit Blick auf die Karrieren von Emma Stone oder Jennifer Lawrence den Verdacht nicht los, dass Nyong’o womöglich um einiges mehr hätte arbeiten können, wäre sie nicht Schwarz.

Statt sich öffentlich zur Chancenungleichheit in Hollywood zu äußern, sucht sie beständig nach neuen Herausforderungen. 2016 gab sie ihren Broadway-Einstand und wurde prompt für den Tony Award nominiert. Drei Jahre später erschien mit „Sulwe“ ihr erstes, vielfach übersetztes Kinderbuch, das es auf Platz eins der Bestsellerliste der „New York Times“ schaffte und auch für den Deutschen Kinderbuchpreis nominiert wurde.

Wohltätige Zwecke

Ihre Prominenz nutzt sie nicht nur für wohltätige Zwecke, sondern auch, um Produktionen zu unterstützen, die ihr am Herzen liegen, von der Doku-Reihe „Serengeti“ bis zum sudanesischen Oscarkandidaten „Goodbye Julia“. Ein erstes Projekt als Produzentin scheiterte allerdings, die Adaption des Bestsellers „Americanah“ von Chimamanda Ngozi Adichie. Eine Rückkehr auf den Regiestuhl sei nicht ausgeschlossen, sagte sie bereits 2016 „Variety“. Und mindestens einmal werden wir Nyong’o 2024 auch wieder auf der Leinwand sehen: Das Grusel-Spin-off „A quiet place: day one“ hat sie bereits abgedreht, der Kinostart ist für Ende Juni vorgesehen.

Dass Nyong’o nicht nur eine vergleichsweise überschaubare Filmografie mitbringt, sondern schauspielerisch bislang vor allem im US-Mainstream zu Hause ist, macht ihre Wahl zur Jurypräsidentin der Berlinale besonders spannend. Anders als Schauspielerinnen wie Kristen Stewart, Juliette Binoche oder Tilda Swinton, die diesen Posten bereits innehatten, ist sie mutmaßlich im arthousigen Weltkino nicht unbedingt vernetzt. Darauf, was das für die Entscheidungen bei der Bären-Vergabe zu bedeuten hat, darf man gespannt sein. Von historischer Bedeutung ist sie in dieser Funktion allemal: In der 74-jährigen Geschichte der Internationalen Filmfestspiele Berlin stand noch nie eine Schwarze Person der Wettbewerbsjury vor.

Weiter Kritik wegen AfD-Einladung

Die Kritik an der Berlinale wegen der Einladung von AfD-Politikern hält derweil an. Der Bundesverband Schauspiel berichtete am Mittwoch in Berlin von großer Empörung in der Kulturszene wegen der Einladung von AfD-Vertretern zur Eröffnungsgala. Die Partei nutze ihren Platz in den Parlamenten, um die pluralistische Demokratie zu bekämpfen: „Sie bekämpft damit auch unsere kulturelle Vielfalt und damit auch das, wofür wir als Kulturschaffende stehen.“

Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek hatte mit Blick auf die Einladungen zu Wochenbeginn von einem „großen Dilemma“ gesprochen. Es müsse jedoch respektiert werden, wenn die Kulturstaatsministerin und der Berliner Senat ihre Kartenkontingente an demokratische Mandatsträger vergeben, auch wenn sie von der AfD sind. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) verteidigte die Einladung von fachlich zuständigen AfD-Abgeordneten. Dies entspreche „der demokratischen Praxis und dem Respekt der Bundesregierung vor dem Parlament und seinen gewählten Abgeordneten“. (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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