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Fachkraft bei der Arbeit (Symbolfoto) © de.depositphotos.com

Sachsen

Im 35-Prozent-AfD-Land wächst Beschäftigung dank ausländischer Arbeitskräfte

Wären an diesem Sonntag Wahlen, würde jeder dritte Sachse AfD wählen. Während die rechtsextreme Partei Remigrationspläne schmiedet, wird der Beschäftigungszuwachs im Land von Ausländern getragen – und es braucht noch mehr Zuwanderung. Die Wirtschaft ist besorgt.

Mittwoch, 07.02.2024, 11:41 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 07.02.2024, 11:43 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Unternehmen in Sachsen greifen bei der Besetzung von Stellen immer häufiger auf Arbeitskräfte aus dem Ausland zurück. In den vergangenen Jahren sei ihr Anteil an der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung stetig gestiegen: von 1,8 Prozent 2013 auf 8,0 Prozent im vergangenen Jahr, teilte die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit auf dpa-Anfrage mit. Damit habe Sachsen aber immer noch deutlich Luft nach oben. Der Bundesschnitt liege bei 15,3 Prozent.

Der Beschäftigungszuwachs in Sachsen wurde zuletzt von ausländischen Staatsbürgern getragen, wie die Regionaldirektion hervorhob. So sei von Juni 2022 auf Juni 2023 die Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter um gut 3.000 auf 1,643 Millionen gestiegen. Während die Zahl von Ausländern in dieser Statistik um gut 4.900 zunahm, ging die deutscher Staatsbürger um knapp 1.900 zurück.

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Sachsen braucht Zuwanderung

„Sachsen ist ein Land, in dem sich gut arbeiten und leben lässt“, sagte der Sprecher der Regionaldirektion, Frank Vollgold. „Damit das trotz des Bevölkerungsrückgangs so bleibt, braucht Sachsen Zuwanderung.“ Denn das Potenzial im Inland reiche nicht, um die altersbedingten Abgänge auszugleichen.

Wegen des Fachkräftemangels sind Betriebe in Sachsen immer stärker auf Beschäftigte aus dem Ausland angewiesen. In den nächsten zehn Jahren gehen dem sächsischen Arbeitsmarkt nach Angaben der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit in Chemnitz mehr als 120.000 Menschen verloren – trotz Zuwanderung. Derzeit arbeiten demnach rund 131.000 ausländische Staatsbürger im Freistaat. Deren Anteil liege mit acht Prozent aber noch deutlich unter dem deutschen Durchschnitt von 15,3 Prozent.

Wirtschaft fürchtet Imageschaden

Die meisten Beschäftigten mit ausländischen Wurzeln in Sachsen kommen den Angaben zufolge aus den Nachbarländern Polen und Tschechien, gefolgt von Rumänien, Syrien und der Ukraine. Ihr Anteil ist im Landkreis Görlitz mit 11,9 Prozent am höchsten, aber auch Leipzig und Dresden liegen deutlich über dem sächsischen Durchschnitt. Das Gros der ausländischen Arbeitskräfte – rund zwei Drittel – arbeite in qualifizierten Jobs, also auf dem Niveau von Fachkräften, Spezialisten und Akademikern, hieß es.

Die sächsische Wirtschaft fürchtet angesichts der Wahlerfolge und der jüngsten Umfrageergebnisse für die AfD einen Imageschaden für Sachsen. „Wir müssen daran denken, dass wir auf die besten Köpfe weltweit angewiesen sind – sowohl in der Wissenschaft als auch in der Industrie und im Handwerk“, sagte die stellvertretende Sprecherin des Vereins Wirtschaft für ein weltoffenes Sachsen, Sylvia Pfefferkorn, mit Blick auf die anstehende Landtagswahl am 1. September. Es werde zunehmend schwieriger, Menschen für Sachsen als Lebens- und Arbeitsort zu begeistern und davon zu überzeugen, „dass die Sachsen durchaus gastfreundliche Menschen sind.“

Hintergrund: Wären an diesem Sonntag Landtagswahlen, würde jüngsten Umfragen zufolge mehr als jeder dritte Sachse die rechtsextreme AfD wählen, deren Politiker Pläne über Remigration von Personen schmieden, die ihnen nicht deutsch genug sind. Gelingt es Unternehmen allen Vorbehalten zum Trotz, internationale Fachkräfte nach Sachsen anzulocken, fällt es ihnen aufgrund des verbreiteten Rassismus im Alltag schwer, sie zu halten.

Wohlstand in Gefahr

Dem Verein gehören rund 100 Unternehmen an, darunter etwa Industrie- und Handelskammern, der Chiphersteller Infineon, VW Sachsen, die Mitteldeutsche Flughäfen AG oder Sachsen Energie. Zahlreiche Unternehmen schauten „sehr vorsichtig“ in das Wahljahr 2024, so Pfefferkorn. Verlässliche politische Rahmenbedingungen seien wichtig. „Einige Unternehmen sagen uns, dass sie überlegen, ihren Sitz woanders hin zu verlegen. Das ist eine Gefahr, die den Wohlstand in Sachsen durchaus gefährdet“, so Pfefferkorn.

Gerade die geplanten Erweiterungen und Neuansiedlungen etwa in der Halbleiterindustrie können nach Einschätzung des Vereins nicht ohne internationale Fachkräfte und eine entsprechende Willkommenskultur realisiert werden. „Gerade die großen internationalen Player setzen auf Fachkräfte aus der ganzen Welt.“ Unter anderem will der taiwanische Chipkonzern TSMC in der sächsischen Landeshauptstadt ein Halbleiterwerk errichten, Infineon steckt rund fünf Milliarden Euro in die Erweiterung der Halbleiterproduktion und hat wegen des Standortes Probleme damit, internationale Fachkräfte anzuwerben. Auch der thüringische Technologiekonzern Jenoptik baut in Dresden für rund 70 Millionen Euro eine neue Fabrik für die Halbleiterausrüstungsindustrie. (dpa/mig) Aktuell Panorama Wirtschaft

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