AfD-Verbot
Bevor es zu spät ist
AfD-Politiker und Personen aus der Wirtschaft berieten in einem geheimen Treffen über Deportationspläne aus der NSDAP-Schublade. Jetzt diskutiert Deutschland über ein AfD-Verbot - bis es zu spät ist?
Von David Galanopoulos Sonntag, 14.01.2024, 14:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 14.01.2024, 12:45 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Ob als „Privatperson“ oder bei Reden im Deutschen Bundestag, die Correctiv-Recherche zu den Deportationsfantasien von AfD und Co. zeigen nochmal eindrücklich, warum genau jetzt ein Parteiverbotsverfahren geprüft werden muss. Zum Schutze unserer Migrationsgesellschaft.
Die sogenannte Alternative für Deutschland sucht das politische und gesellschaftliche Leben bereits seit mehr als zehn Jahre heim. Erst war es die Eurokritik, dann der Nationalismus, dann die Querdenkerei und wieder zurück zum Blut-und-Boden-Nationalismus. Am Ende des Tages war sie jedoch immer ein- und dasselbe: rechts.
Über die Jahre sind immer wieder Diskussionen darüber entbrannt, wo die AfD im rechten Spektrum steht. Viele sind sich sicher, dass die AfD sich immer weiter radikalisiert hat. Ich kann mich jedoch an die Anfänge erinnern, wo bereits über Schießbefehle an der Grenze fantasiert wurde. Was jedoch passierte, ist das Verwelken ihrer Feigenblättchen, die händeringend versuchten, der AfD ein bürgerliches Ansehen zu geben. Die AfD hatte schon immer rechtsextremistische Tendenzen, jedoch gab es früher mehr Personen, die sich in Schadensbegrenzung versuchten. Heute geht die Partei mit ihrem rechtsextremistischen Weltbild ohne Zurückhaltung in die Offensive. Und sie findet leider Anklang in der Bevölkerung.
„Wirtschaftliche Akteure zeigten bereits in der Vergangenheit, dass sie keine Berührungsängste mit rechtsextremen Kreisen haben.“
Die Recherche von Correctiv hat nun ein Treffen in einem Landhotel bei Potsdam enthüllt, das nicht weniger als die gewollte Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund thematisierte. Versammelt haben sich eine Reihe von mehr oder weniger hochrangigen AfD-Funktionären, Mitglieder der (noch) CDU-anhänglichen Werteunion, Darlings der rechtsextremen Szene, darunter Martin Sellner und verschiedene Akteur:innen aus dem Adel, der Politik und der Privatwirtschaft. Auch Fans der Backkette „Backwerk“ oder der Burgerkette „Hans im Glück“ müssen nun ganz stark sein. Mitinitiator der Veranstaltung war nämlich auch Unternehmer Hans-Christian-Limmer, der beide Ketten mitfinanziert hat. Wirtschaftliche Akteure zeigten bereits in der Vergangenheit, dass sie keine Berührungsängste mit rechtsextremen Kreisen haben, siehe das Beispiel von Molkerei-Milliardär Theo Müller und sein Treffen mit der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel.
Das Wort der Stunde ist die „Remigration“ gewesen. Hört sich auf den ersten Blick nicht auffällig an, fast schon seriös. Es beschreibt den Prozess der Rückkehr von Migrant:innen in ihr Herkunftsland; entweder freiwillig oder durch Ausweisung. Durch die Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und Ländern wie der Türkei, Italien oder Griechenland in den 60ern sind doch auch viele Menschen zu uns gekommen und nach ein paar Jahren wieder „remigriert“.
„Die ‚Remigration‘ bleibt im Kontext dieses Treffens jedoch eine furchtbare Verharmlosung. Was die Teilnehmer besprachen, ist eine zwanghafte Ausweisung.“
Die „Remigration“ bleibt im Kontext dieses Treffens jedoch eine furchtbare Verharmlosung. Was die Teilnehmer dieser Veranstaltungen besprachen, ist eine zwanghafte Ausweisung von Migrant:innen, mit oder ohne deutschen Pass. Und auch die Rückkehr in Herkunftsländer ist nur eine Option der Rechten. Besprochen wurde auch die Deportation nach Nordafrika in einen „Musterstaat“, in dem dann bis zu zwei Millionen Migrant:innen untergebracht werden können. Spätestens jetzt empfehle ich über den „Madagaskar-Plan“ der NSDAP zu lesen.
Es ist gut, dass die Enthüllung des Geheimtreffens eine neue Debatte über den Umgang mit der AfD entfacht hat. Man muss sich jedoch ehrlich machen und anerkennen, dass die Inhalte dieses Treffens bereits öffentlich im Deutschen Bundestag propagiert wurden. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio sagte bereits in einer Rede, dass es eine „wirkliche Remigration“ bräuchte, Sebastian Münzenmaier sprach sogar von „millionenfacher Remigration“. Dies sind nur zwei Beispiele aus dem Bundestagsorbit, doch sie zeigen, dass es sich nicht nur um „Einzelmeinungen“ oder um „Privatpersonen“ handelt, sondern um die Mainstreamposition der AfD.
Eine weitere beunruhigende Komponente des Treffens ist die Strategie, um zu diesem Ziel zu kommen. Spendenaufrufe, Strukturaufbau, Unterwanderung von diversen Social-Media-Kanälen durch rechte Influencer, Verschiebung des Meinungskorridors, Einschüchterung, Wahlgewinne. Den Teilnehmern ist bewusst, dass man nicht in kurzer Zeit sein Ziel erreichen wird, sondern mit Jahren oder Jahrzehnten rechnen muss. Der Weg allein dorthin würde bereits das gesellschaftliche Zusammenleben dermaßen aus dem Gleichgewicht bringen, dass bereits jetzt alle möglichen Mittel einzusetzen sind, um diesen Prozess zu stoppen oder zumindest einzudämmen.
„Die Angst von Menschen mit Migrationshintergrund wird dadurch nicht geschmälert, dass man die AfD auf politischer Ebene schlagen will.“
Ich selbst bin kein Jurist und kann deshalb keine ehrliche Einschätzung dazu geben, ob ein Parteiverbot gegen die AfD Erfolg hätte. Man fragt sich schon, wie viele Landesverbände, Jugendverbände und Einzelpersonen als gesichert rechtsextremistisch eingestuft werden müssen, um ein Verbotsverfahren in Bewegung zu bringen. Die Angst von Menschen mit Migrationshintergrund wird dadurch nicht geschmälert, dass man die AfD auf politischer Ebene schlagen will. Man kann eine Partei nur dann politisch schlagen, wenn sie sich an politische und demokratische Regeln hält. Dies liegt nicht im Interesse der AfD. Erst wenn die AfD in den Wahlen, besonders in Ostdeutschland, einen Volkspartei-Charakter entwickelt hat, wird es zu spät sein.
Die Bundestagswahl 2025 abzuwarten und davor die AfD durch Debatten kleinzuhalten ist ein netter Gedanke, doch viel zu risikobehaftet. Menschen, die von den menschenverachtenden Plänen betroffen wären, sollen nicht bis zu den ersten Hochrechnungen um ihre Daseinsberechtigung in Deutschland bangen müssen. Unser aktueller Bundespräsident hat mal gesagt, dass wir ein Land mit Migrationshintergrund seien. Dann sollte sich dieses Land auch so verhalten und anerkennen, dass es gerade einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt ist. Meinung
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