Studie
Bundespräsidialamt beschäftigte viele Ex-NSDAP-Mitglieder
Bundespräsident Steinmeier hat untersuchen lassen, wie die ersten Bundespräsidenten mit der NS-Geschichte und früheren NSDAP-Mitgliedern umgegangen sind. Seit Mittwoch liegen die Ergebnisse vor. Sie zeichnen ein differenziertes Bild.
Mittwoch, 11.10.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 11.10.2023, 16:10 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Auch im Bundespräsidialamt waren in den ersten Jahrzehnten laut dem Historiker Norbert Frei zahlreiche Ex-Mitglieder der NSDAP beschäftigt. Frei, der im Auftrag des Bundespräsidialamts den Umgang früherer Staatsoberhäupter und ihrer Behörden mit der Zeit des Nationalsozialismus untersuchte, sagte am Mittwoch in Berlin, letztlich gelte für dieses Amt, was auch für bereits untersuchte Bundesbehörden gelte: „Je höher der Dienstrang, desto dichter die Reihen der Ex-Parteigenossen.“
Direkte personelle Kontinuitäten seien allerdings im Bundespräsidialamt kein großes Thema gewesen, sagte er bei der Vorstellung seiner Forschungsergebnisse im Schloss Bellevue. Nur drei Mitarbeiter, alle jeweils auch ehemalige Mitglieder der NSDAP, seien vor ihrer Beschäftigung im Bundespräsidialamt in der von Adolf Hitler weitgehend ohnehin entmachteten Präsidialkanzlei tätig gewesen, sagte Frei.
Die relativ hohe Zahl der Beschäftigten im höheren Dienst, die vorher Mitglieder der NSDAP gewesen waren, führt Frei nach eigenen Worten auf alte Verbindungen zurück. Dabei verwies er unter anderem auf den unter Bundespräsident Theodor Heuss ersten Chef des Bundespräsidialamts, Manfred Klaiber. Neben ihm seien vier von zehn Referatsleitern im Amt frühere Parteigenossen gewesen. In der zweiten Amtszeit von Heuss seien es sechs von elf gewesen.
50 Personen gehörten der NSDAP an
Der Jenaer Historiker Norbert Frei hatte seit 2020 im Auftrag des Bundespräsidialamts den Umgang der Präsidenten und seiner Mitarbeiter mit der Zeit des Nationalsozialismus erforscht. Betrachtet wurden dabei öffentliche Auftritte und Reden der deutschen Staatsoberhäupter von 1949 bis 1994, aber auch personelle und ideelle Kontinuitäten zur NS-Zeit, Staatsbesuche und Ordensverleihungen.
Das Forschungsprojekt umfasste die Amtszeiten von sechs Bundespräsidenten, angefangen von Theodor Heuss, der zwischen 1949 und 1959 Staatsoberhaupt war, über Heinrich Lübke, Gustav Heinemann, Walter Scheel und Karl Carstens bis zu Richard von Weizsäcker, der zwischen 1984 und 1994 das Amt bekleidete. In der gesamten Zeit dieser Bundespräsidenten sind Frei zufolge 132 Personen im höheren Dienst im Präsidialamt beschäftigt gewesen, von denen 58 in Jahrgängen geboren wurden, für die theoretisch eine NSDAP-Mitgliedschaft infrage gekommen wäre. 50 hätten der Partei angehört, sagte Frei.
Für Begnadigung von Kriegsverbrechern eingesetzt
Beim Wirken der Bundespräsidenten für die Aufarbeitung der NS-Geschichte und bei der Entwicklung einer Erinnerungskultur zeichnete Frei ein differenziertes Bild. Am Beispiel Heuss sagte er, er sei der Bevölkerung voraus gewesen, indem er etwa von „Kollektivscham“ sprach oder bei der Eröffnung der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen sagte: „Wir haben von den Dingen gewusst.“ Auf der anderen Seite habe er sich wie auch seine Amtsnachfolger für die Begnadigung sogenannter Kriegsverurteilter, also verurteilter Kriegsverbrecher eingesetzt.
Die Gesamtschau Freis erscheint am Donnerstag als Buch unter dem Titel „Im Namen der Deutschen. Die Bundespräsidenten und die NS-Vergangenheit“. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betonte in einer Ansprache anlässlich der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse, die Arbeit sei auch bedeutsam für die Gegenwart. „Unsere Demokratie lebt vom Wissen um ihre Vorgeschichte“, sagte Steinmeier, der die Aufarbeitung für sein Amt selbst initiiert hatte: „Die historische Verantwortung endet ja nicht vor der eigenen Haustür.“ (epd/mig) Aktuell Panorama
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