Nach dem Regen
Menschen in Pakistan: „Mit der Flut stoppte unser Leben“
Pakistan kämpft seit einem Jahr mit den Folgen einer verheerenden Flutkatastrophe. Und für viele Menschen in dem Land bringt der Klimawandel bereits neue Sorgen mit sich.
Von Nabila Lalee und Qamar Zaman Donnerstag, 31.08.2023, 20:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 31.08.2023, 14:32 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Was im Dorf Khumbri im Süden Pakistans einst ein Zuhause war, ist heute nur eine einsame Tür. Alles andere – Wände, Steine, Möbel – hat das Wasser mit sich gerissen. Ein Jahr ist es her, als die große Flut nach Khumbri kam und Gebäude, Ernten und Existenzen zerstörte. „In dem stehenden Wasser sind unsere vier Ziegen krank geworden und gestorben“, erinnert sich Dhai, die mit ihrem Ehemann Kelash und den vier Kindern in dem Dorf wohnt. Auch ein neues Haus musste die Familie aus einfachen Mitteln errichten.
Die Region um das Dorf Khumbri in der Provinz Sindh ist umgeben von sattem Grün. Sie ist in Pakistan vor allem für ihre süßen und saftigen Mangos bekannt. Die Menschen hier sind größtenteils auf die Landwirtschaft angewiesen, doch seit einigen Jahren wird das Leben für sie immer schwerer. Vor allem seit der Flutkatastrophe wissen viele nicht mehr, wie es für sie weitergehen soll.
Tiefe Spuren
Als Pakistan zwischen Juni und Oktober 2022 die verheerendsten Überschwemmungen seiner Geschichte erlebte, riss das Wasser Vieh, Häuser und Schulen mit sich. 1700 Menschen in dem südasiatischen Land verloren ihr Leben. Zwischenzeitlich stand ein Drittel des Landes unter Wasser. Weil viele Orte monatelang überschwemmt blieben, breiteten sich Krankheiten wie Cholera oder Malaria aus.
Die tiefsten Spuren hat das Wasser jedoch bei den Menschen selbst hinterlassen. „Mit der Flut stoppte unser Leben“, sagt ein älterer Mann aus dem Dorf. Manche Bewohner betteln seit den Fluten, andere berichten von Familienmitgliedern, die psychische Probleme haben.
Angst vor Regen
Die elfjährige Karishma, die monatelang durch das Wasser zur Schule waten musste, erzählt, dass sie heute Angst vor Regen hat – auch, weil es in letzter Zeit häufig so stark gehagelt habe. Das Wetter, so die Dorfbewohner, sei in den letzten Jahren deutlich extremer geworden, ob Hitze, Kälte oder Regen.
1,500 Kilometer weiter, im Nordwesten Pakistans, kämpfen die Menschen ebenfalls mit den Folgen der Überschwemmungen. Vor einem Jahr stand Shahzad Shakirs vor den Trümmern seines Hotels im malerischen Swat-Tal, einem beliebten Ferienort in Pakistan. Das Wasser habe seine Träume weggespült, erzählte er damals der Deutschen Presse-Agentur. Heute berichtet er, dass seine Frau ihn aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten verlassen habe. Sein Hotel sei immer noch nicht aufgebaut.
Opfer des Klimawandels
Shakir ist überzeugt, dass er ein Opfer des Klimawandels ist. Er will die Menschen in seiner Umgebung darüber aufklären und hat für diesen Zweck eine Gruppe namens Earthpreneur gegründet. „Die Menschen nehmen den Klimawandel nicht ernst, obwohl sie seine Auswirkungen gespürt haben“, sagt der Mann.
Auch Experten warnen vor den Folgen des Klimawandels in dem südasiatischen Land. Nachdem Pakistan im vergangenen Frühjahr eine ungewöhnlich frühe Hitzewelle erlebte, kletterte das Thermometer dieses Jahr im Juni in einigen Städten auf Rekordhöhe. Pakistan gehört zu den Ländern, die am meisten von der Klimakrise bedroht sind, hat aber selbst kaum zu den weltweiten Emissionen beigetragen. Die ehemalige pakistanische Klimaschutzministerin Sherry Rehman nannte den Klimawandel eine „existenzielle Krise“ für ihr Land.
Wanderung in Städte
Durch den Klimawandel steige die Wahrscheinlichkeit von Flutkatastrophen wie im vergangenen Jahr stark an, sagt Anja Katzenberger vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Die Region erlebe immer mehr saisonalen Niederschlag konzentriert auf weniger Tage, was zu extremeren Ereignissen führe. Vor allem werde das Wetter insgesamt schwerer vorhersehbar – das bringe große Probleme für die Landwirtschaft mit sich.
Laut der pakistanischen Expertin für nachhaltige Stadtentwicklung, Mome Saleem, wanderten wegen des Klimawandels immer mehr Bauern in die Städte ab. Gleichzeitig bedeute ein Ausbreiten der Städte, dass immer mehr landwirtschaftliche Fläche verloren ginge. Katzenberger warnt mit Blick auf die steigende Anzahl von Hitzewellen in Pakistan jedoch gleichzeitig davor, dass einige Städte in Zukunft nicht mehr lebenswert sein könnten. Anpassungsmaßnahmen für Städte und Landwirtschaft seien nötig, aber nur im begrenzten Umfang möglich.
Hilflosigkeit vor Wetterextremen
Für die Bewohner in Khumbri bleibt nach eigenen Angaben nur, ebenfalls in die Städte zu gehen oder ihren Erntezyklus zu verändern. „Die Hilflosigkeit vor Wetterextremen hat zugenommen“, betont Sawan Baloch von der Welthungerhilfe, auch wenn es inzwischen Training gebe, um die Menschen an die neuen Bedingungen anzupassen.
Früher, erinnern sich die Dorfbewohner, sei der Regen gut gewesen. Heute käme mit den Wolken die Angst. Angst um die Ernte, das Vieh und vor allem die Zukunft. Was den Klimawandel verursache, wüssten sie nicht, doch seine Auswirkungen würden sie spüren. „Früher konnten wir das Wetter voraussagen“, erzählen sie. Heute sei es unberechenbar. (dpa/mig) Aktuell Ausland
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