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Nebenan

Der Markt kann meine Schmerzen nicht lindnern

Nur weil kein Geld für Bedürftige da ist, heißt das ja nicht, dass kein Geld für Großverdiener da ist. Richtig: Es geht um Kindergrundsicherung - und um Christian Lindner, der sogar niemanden kennt, der jemanden kennt, der arm ist.

Von Montag, 21.08.2023, 19:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 21.08.2023, 14:24 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

In der Ampelregierung herrscht einmal mehr Streit. Denn während sich die Grünen (und nicht etwa die SPD) der wahnwitzigen Idee verschrieben haben, dass es sich ein Land wie Deutschland doch endlich einmal leisten können müsste, seine Kinder nicht hungrig in die Schule zu schicken, weiß unser Finanzminister Christian Lindner, dass dafür einfach kein Geld da ist. Er hat zwar gleichzeitig Milliarden dafür übrig, sie aus den Händen der Steuerzahler in die von Milliardenunternehmen umzuverteilen und es „Wachstumschancengesetz“ zu nennen, aber, so sagt der Christian, das so einfach logisch zu verknüpfen, nur weil es in beiden Fällen um Steuergeld geht, dass ausgegeben werden soll, sei „sachfremd“. Denn: nur weil kein Geld für Bedürftige da ist, heißt das ja nicht, dass kein Geld für Großverdiener da ist.

Überhaupt ist es für ein Land wie Deutschland, so deutet der Christian damit an, gar nicht wichtig, dass arme Menschen – am Ende gar arme Ausländer, hinter denen der Christian dann beim Bäcker in der Schlange warten muss –  ein paar Euro mehr in der Tasche haben; dass Kinder eine warme Mahlzeit auf den Tisch bekommen, die von Mindestlohn oder Grundsicherung der Eltern oft genug nicht drin ist, dass sie sich auf die Schule, aufs Lernen, auf die Ausbildung fokussieren können, statt immer nur auf den knurrenden Magen, das ist unnötiger Luxus. Denn dann landen diese Kinder am Ende noch mit den Kindern von Menschen wie dem Christian auf der Uni, werden gar Fachkräfte. Pfui!

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„Denn hinter reichen Ausländern in der Schlange beim Bäcker zu warten, das macht dem Christian gar nicht mehr so viel aus.“

Wenn Deutschland eines nicht gebrauchen kann, dann sind das arme Menschen, die zu Fachkräften werden. Das weiß auch der Christian. Dem Christian ist es nämlich viel lieber, Ausländer, die schon einigermaßen reich sind, mit viel Geld nach Deutschland zu locken. Denn hinter reichen Ausländern in der Schlange beim Bäcker zu warten, das macht dem Christian gar nicht mehr so viel aus.

Deshalb ist es dem Christian, genau so wie dem Olaf und dem Lars, auch ganz doll wichtig, dass jetzt alle an einem Strang ziehen – selbst wenn an diesem Strang die Grünen baumeln. Und natürlich arme Menschen. Aber die wählen ja nicht die FDP.

Dumm nur, dass sich ausgerechnet jetzt dazu nun auch noch Leute gemeldet haben, die mehr ein bisschen mehr davon verstehen als der Christian. Eine Studie, die die Folgen von Kinderarmut beleuchtet, von der Caritas beauftragt und vom DIW durchgeführt, stellt fest: Sei es nun durch gesundheitliche Folgen, sei es wie bereits oben angedeutet durch Mängel in der Bildung – fehlende Chancengleichheit, wie die FDP das gern nennt – ist demnach richtig teuer.

„Während das Familienministerium seinen Bedarf für die Kindergrundsicherung von ursprünglich 12 Milliarden aber bereits auf lumpige 3,5 Milliarden zusammengekürzt haben soll, will der Christian diese weiter auf dann nur noch 2 Milliarden verkrüppeln.“

Während das Familienministerium seinen Bedarf für die Kindergrundsicherung von ursprünglich 12 Milliarden aber bereits auf lumpige 3,5 Milliarden zusammengekürzt haben soll, will der Christian diese weiter auf dann nur noch 2 Milliarden verkrüppeln, bevor er den Posten genehmigt – weil sich sonst womöglich Porsche-Chef Oliver Blume auf Sylt beim Austern-Schlürfen nicht mehr mit dem Christian würde sehen lassen wollen. So richtig reich wie der Oliver ist der Christian ja schließlich auch nicht. Deshalb darf er nur so lange mit seinen reichen Freunden rumhängen, wie er die Schlüssel zur Reichenlobby FDP in den Händen hält.

Derweil wirft die Caritas, die zugegebenermaßen immer schnell dabei ist, das Geld anderer auszugeben (schließlich ist es eine kirchliche Organisation), eine ganz andere Zahl in den Raum: 20 Milliarden müssten es schon mindestens sein, als Investition in die Zukunft und die, wie man in der FDP gern betont, einzigen relevanten Rohstoffe, die dieses Land hat. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung – nicht gerade als ThinkTank der radikalen Linken verschrien – verweist im besagten Gutachten denn auch darauf, dass sich die Kosten vergangener und aktueller Kinderarmut in Deutschland laut OECD – ebenfalls so gar kein marxistisches Propagandaorgan – auf mehr als 100 Milliarden Euro jährlich belaufen (Referenz hierfür ist das Jahr 2019).

Natürlich wäre der Christian jetzt nicht in der FDP gelandet, wenn er wüsste, dass es sich manchmal rechnet, 20 Milliarden auszugeben, um damit mittelfristig 100 Milliarden zu verdienen. Denn das DIW stellt schließlich auch fest, dass Armut vor allem vererbt wird. Und das ist für den Christian ein Win-win: Der Christian konnte schließlich zwei Unternehmen mit Staatskrediten in den Sand setzen und trotzdem noch Finanzminister werden, weil er und seine Familie eben nie von Armut betroffen waren – und auch niemand, den der Christian kennt, kennt jemanden, der arm ist. Arme leisten ja auch nichts.

„Das muss dem Bürger, der offenen Auges durch die Welt geht, vorkommen wie der leistungslose Wohlstand.“

Und der Christian ist halt nur von Leistungsträgern umgeben, Menschen also, die von den Leistungen vorhergegangener Generationen (hierzulande zumeist von Adel, Nazisympathisanten und Kriegsgewinnlern) zehren und durch das Leben getragen werden, von Leuten, wie jenem Theo, die mit 18 und Papas Geld auf dicke Hose machen und dumm genug sind, ehrlich zu meinen, sie würden damit mehr leisten, als Lehrer oder Pflegekräfte, Menschen also, die ihre völlige Ignoranz anschließend als Humor verkaufen wollen und die nach ihren 15 Minuten Ruhm als Vollhorst der Nation irgendwo in einem von Papas Unternehmen unterkommen müssen, wo sie keinen Schaden anrichten aber ordentlich absahnen können.

Das muss dem Bürger, der offenen Auges durch die Welt geht, vorkommen wie der leistungslose Wohlstand und die spätrömische Dekadenz, von der der Christian so gern redet. Doch damit kommen wir zur guten Nachricht: Die Franzosen haben schon vor fast 250 Jahren eine Lösung für dieses Problem gefunden: Eine Guillotine auf jedem Marktplatz und der Spuk ist in kürzester Zeit gegessen. Meinung

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