Ortskräfte hoffen weiter

Afghanistan-Aufnahmeprogramme laufen ins Leere

Seit zwei Jahren haben die Taliban wieder die Macht in Afghanistan. Etwa 30.000 gefährdete Afghanen konnten nach Deutschland in Sicherheit gebracht werden. Andere Versprechen bleiben weitgehend unerfüllt. Die Aufnahmeprogramme scheitern an der Bürokratie, Praxis oder laufen vollends ins Leere.

Montag, 14.08.2023, 21:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 14.08.2023, 17:39 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Zwei Jahre nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Afghanistan hoffen noch zahlreiche frühere Ortskräfte deutscher Institutionen auf eine Aufnahme in Deutschland. Der Vorsitzende des Afghanistan-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Ralf Stegner (SPD), wies in der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ auf einst in der deutschen Entwicklungsarbeit beschäftigte Afghaninnen und Afghanen hin, die „noch dort und in Gefahr“ seien. Am 15. August 2021 haben die Taliban die Hauptstadt Kabul eingenommen und herrschen seither im gesamten Land.

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind seit Mai 2021 rund 20.000 ehemalige afghanische Ortskräfte von Bundeswehr und anderen deutschen Behörden mit Familienangehörigen eingereist sowie etwa 10.000 weitere besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen. Vonseiten des Bundes gibt es zur Aufnahme von Menschen aus Afghanistan das Ortskräfteverfahren, ein Überbrückungsprogramm für besondere Härtefälle sowie ein Aufnahmeprogramm.

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Aufnahme scheitert oft an Bürokratie

Nach Ansicht von Stegner scheitert eine Aufnahme in Deutschland trotzdem oft „an sehr bürokratischen Verfahren“. Er forderte, in der Abwägung „zugunsten humanitärer Spielräume zu entscheiden“. Es brauche in Deutschland insgesamt ein Klima der Offenheit für die Aufnahme dieser Menschen, „die für die Zusammenarbeit mit uns in ihrem Land nicht selten ihr Leben riskiert haben“.

Mehr als 1.000 lokalen Beschäftigten, die für ein deutsches Entwicklungsprojekt afghanischen Polizisten Lesen und Schreiben beibringen sollten, wurde ein Visum nach dem Ortskräfteverfahren verweigert, wie das Entwicklungsministerium vor gut zwei Wochen bestätigte. Demnach erhielten von den 1.318 Personen aus diesem Kreis, die eine Gefährdungsanzeige stellten, lediglich 56 eine Aufnahmezusage. Laut Medienberichten schätzt die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) diese Personengruppe jedoch als besonders gefährdet ein.

Bundes-Programm scheitert an der Praxis

Derweil scheiterten Aufnahmeprogramme des Bundes und des Landes Berlin bislang großteils an der Praxis. So wurde das Bundesaufnahmeprogramm für insbesondere gefährdete Menschenrechtsaktivistinnen aus Afghanistan im vergangenen Oktober gestartet und im März wegen Sicherheitsbedenken teilweise ausgesetzt. Ende Juni wurde verkündet, dass Aufnahmen wieder ermöglicht würden. Hilfsorganisationen zufolge gab es aber darüber noch keine einzige Einreise nach Deutschland.

Ein Sprecher des Innenministeriums sagte am Montag, bisher seien 350 positive Aufnahmeentscheidungen getroffen worden. Er gehe davon aus, dass die Einreisen in nächster Zeit erfolgen. Ursprünglich war vorgesehen, dass monatlich 1.000 besonders gefährdete Personen über das Programm nach Deutschland kommen.

Berlins Programm läuft vollends ins Leere

Das vor zwei Jahren beschlossene Aufnahmeprogramm des Landes Berlin läuft offenbar vollends ins Leere. Wie die Berliner Integrationsbeauftragte Katarina Niewiedzial in Berlin mitteilte, wurde in den vergangenen beiden Jahren keine einzige Person über dieses Programm aufgenommen. Eigentlich sollten 500 besonders schutzbedürftige Menschen, darunter Medien- und Kunstschaffende, Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtler und Oppositionelle, über einen Zeitraum von fünf Jahren eine sichere Zuflucht in Berlin finden. Niewiedzial betonte, trotz Aufnahmezusage aus Deutschland warteten weiterhin etwa 14.000 gefährdete Menschen in Afghanistan auf ihre Ausreise.

Die Taliban hatten nach dem Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan vor zwei Jahren das Land zurückerobert. Viele Menschen, die mit den internationalen Streitkräften und anderen westlichen Organisationen gearbeitet haben und zurückgelassen wurden, gerieten in Gefahr. (epd/mig) Aktuell Panorama

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