Sorge über Umfragehoch der AfD
Ex-Verfassungsrichter Udo Di Fabio: „AfD ist nicht konservativ“
In Umfragen hatte die AfD zuletzt teils deutlich zugelegt. Erneut diskutieren Politik und Gesellschaft über die Ursachen für die derzeitige Stärke der Partei.
Sonntag, 23.07.2023, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 23.07.2023, 14:54 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Angesichts steigender Umfragewerte wächst die Sorge über das Erstarken der AfD. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio sprach der AfD ab, eine bürgerlich-konservative Partei zu sein. „Die Partei versucht zwar heimatlos gewordene Nationalkonservative einzusammeln, aber sie ist in ihren radikalen Tendenzen nicht konservativ, auch nicht nationalkonservativ, wenn man ihre geistige Nähe zum Kriegsherrn Putin sieht“, sagte Di Fabio der „Welt am Sonntag“ in Berlin. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) zeigte sich im „Interview der Woche“ des Deutschlandfunks am Sonntag alarmiert über die hohen Umfragewerte für die AfD. Die Mehrheit der Deutschen hält AfD für rechtsextrem.
Di Fabio, der von 1999 bis 2011 Richter am Bundesverfassungsgericht war, sagte der Zeitung, die „Verbrüderung mit einem Russland, das das nationale Selbstbestimmungsrecht von Völkern missachtet, kann man kaum anders werten als einen Verrat an jedem ehrlichen Patriotismus“. Di Fabio warnte zugleich vor Weimarer Verhältnissen und riet zu All-Parteien-Koalitionen gegen die AfD, sollte sie aus Wahlen als stärkste Kraft hervorgehen.
Warnungen vor Gefährdung der Wirtschaft
In Umfragen hatte die AfD zuletzt teils deutlich zugelegt. Zugleich wurde im thüringischen Sonneberg erstmals in Deutschland ein AfD-Politiker zum Landrat gewählt. In Sachsen-Anhalt wurde kurz darauf erstmals auch ein Vertreter der Partei zum hauptamtlichen Bürgermeister gewählt. Seitdem gibt es in Deutschland eine Diskussion über die Ursachen für die derzeitige Stärke der AfD.
Berlins Regierender Bürgermeister sagte im Deutschlandfunk, dass die hohen Umfragezahlen der AfD jeden Demokraten aufrütteln müssten. Sein Konzept gegen ein Erstarken der AfD sei „ganz einfach“, sagte Wegner: „Die beste Strategie dagegen ist gutes Regieren.“ Dennoch müsse sich seine eigene Partei fragen, warum die AfD und nicht sie vom schlechten Auftritt der Bundesregierung profitiere. Die CDU biete offenkundig zurzeit nicht die benötigten Lösungskonzepte an.
Im „Tagesspiegel“ warnten Politiker auf Bundesebene mit Blick auf mögliche AfD-Wahlerfolge vor einer Gefährdung des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Der CDU-Wirtschaftspolitiker Tilman Kuban sagte der Zeitung, dass in Europa und Deutschland „vor allem aufgrund der festen Demokratie und des stabilen Rechtsstaats“ investiert werde. Wenn dies wegfalle, verliere Deutschland als Wirtschaftsstandort „weiter an Attraktivität und Arbeitsplätzen“.
Schimon Stein besorgt über das Umfragehoch der AfD
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Olaf in der Beek sagte dem „Tagesspiegel“, es bestehe das Risiko, „dass zumindest eventuelle parlamentarische Mehrheiten der AfD zur Umsetzung von Teilen ihres Wahlprogramms“, etwa dem EU-Austritt, führen könnten. Damit würden Wirtschaft und Wohlstand massiv geschwächt werden.
Auch Israels früherer Botschafter in Deutschland, Schimon Stein, zeigte sich besorgt über das Umfragehoch der AfD. „Ich hätte erwartet, dass die demokratische Zivilgesellschaft viel wacher ist und zum Ausdruck bringt, dass in Deutschland vor dem Hintergrund der Vergangenheit die jetzige Entwicklung nicht zu tolerieren ist“, sagte Stein dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“.
Mit Blick auf die Prognose von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dass die AfD bei der Bundestagswahl in zwei Jahren nicht stärker abschneiden werde als 2021 mit rund zehn Prozent, sagte Stein: „Das sind zehn Prozent zu viel.“ Der frühere Botschafter betonte: „Man sollte bereits jetzt den Anfängen wehren.“
Mehrheit der Wahlberechtigten hält AfD für rechtsextrem
Eine repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur zufolge hält mehr als die Hälfte der Deutschen die AfD aktuell für eine rechtsextreme Partei. Demnach halten 57 Prozent den Begriff „rechtsextrem“ für passend zur Beschreibung der AfD. 19 Prozent der Bürgerinnen und Bürger sind laut Umfrage der Auffassung, die AfD sei eine bürgerlich-konservative Partei. Neun Prozent der Befragten gaben an, für sie sei die AfD eine „Partei der Mitte“. Acht Prozent der Deutschen finden keine dieser Zuschreibungen passend. Sieben Prozent der Teilnehmer der Umfrage hatten zu dieser Frage entweder keine Meinung oder machten keine Angaben.
Wie die Umfrageergebnisse zeigten, tendieren Ältere, Menschen mit höherem Schulabschluss sowie Menschen, die im Westen Deutschlands leben, eher dazu, die AfD als rechtsextrem einzuschätzen. Unter denjenigen, die in der AfD eine bürgerlich-konservative Partei sehen, sind mehr Männer als Frauen. Von den Befragten, die angaben, bei der Bundestagswahl 2021 die AfD gewählt zu haben, entschieden sich die meisten für das Etikett „bürgerlich-konservativ“.
Für rechtsextrem halten die AfD vor allem Menschen, die bei der zurückliegenden Bundestagswahl ihr Kreuz bei den Grünen gemacht haben, gefolgt von Wählern der Linkspartei und der SPD. Unter den Wählern von CDU, CSU und FDP ist der Anteil derjenigen, die diese Auffassung vertreten, etwas geringer. (epd/dpa/mig) Aktuell Politik
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