Ataman fordert Reform

Schwächstes Antidiskriminierungsgesetz in Europa

Die Ampel-Koalition will beim Schutz vor Diskriminierung vorankommen. Geplant ist eine umfassende Gesetzesreform. Die unabhängige Antidiskriminierungsbeauftragte Ataman hat dazu jetzt Vorschläge vorgelegt. Jetzt liegt der Ball im Feld von Justizminister Buschmann.

Dienstag, 18.07.2023, 20:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 18.07.2023, 15:06 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Wer bei der Wohnungssuche abgelehnt wird, weil er oder sie Sozialleistungen bezieht, soll dagegen künftig klagen können. Das sieht ein Grundlagenpapier zur Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vor, das die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, am Dienstag in Berlin vorgestellt hat. Auch die Staatsangehörigkeit sollte ihrer Ansicht nach als Diskriminierungsmerkmal in das Gesetz aufgenommen werden. Bislang wird hier lediglich auf die Herkunft abgestellt.

Ataman sagte, Deutschland habe eines der schwächsten Antidiskriminierungsgesetze in Europa. Die Menschen hätten es schwer, ihre Rechte durchzusetzen. Sie habe ihre Vorschläge am Dienstag an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) geschickt, der federführend für die im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform zuständig sei, sagte Ataman. Wichtig wäre es aus ihrer Sicht auch, die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen in Fällen von Diskriminierung zu verlängern. Bislang haben die Betroffenen dafür zwei Monate Zeit. Ataman schlägt eine Verlängerung auf zwölf Monate vor.

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Außerdem will sie den Nachweis von Diskriminierung erleichtern. In ihrem Papier heißt es dazu: „Das Erfordernis, eine Benachteiligung und Indizien nachzuweisen, sollte auf die Glaubhaftmachung herabgesenkt werden, das heißt dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit genügt.“

„Sozialer Status“ und „Staatsangehörigkeit“ sollen ins Gesetz

Ataman sprach sich zudem dafür aus, die sogenannte Kirchenklausel aus dem Gleichstellungsgesetz zu streichen. Es räumt konfessionellen Arbeitgebern bislang die Möglichkeit der Ungleichbehandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung ein. Streichen lassen möchte sie auch für alle Arbeitgeber die Möglichkeit, Mindest- und Höchstanforderungen an das Alter von Beschäftigten zu stellen.

Ziel des AGG in seiner derzeitigen Form ist es, Benachteiligung „aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“. Die Bundesbeauftragte möchte diesen Katalog um die Merkmale „sozialer Status“ und „Staatsangehörigkeit“ erweitern. Die Formulierung „aus Gründen der Rasse“ sollte durch „aufgrund rassistischer Zuschreibungen“ ersetzt werden.

Ausweitung des Anwendungsbereichs auf staatliches Handeln

Der Anwendungsbereich sollte aus Sicht von Ataman zudem auf staatliches Handeln des Bundes ausgeweitet werden. Schließlich sei der staatliche Bereich wie die Bundespolizei, Jobcenter und gesetzliche Versicherungen nicht weniger relevant, wenn es um Diskriminierung gehe, als der Rechtsverkehr zwischen Privaten.

Im öffentlichen Dienst des Bundes möchte die Antidiskriminierungsbeauftragte ein „Gebot zur Förderung der Wertschätzung von Vielfalt und Verhinderung und Beseitigung jeder Form von Diskriminierung“ verankern. Öffentliche Stellen des Bundes sollten zudem die Möglichkeit erhalten, Diversity-Kompetenz als Qualifikationsanforderung bei der Beurteilung von Eignung und fachlicher Leistung zu berücksichtigen.

Klagerecht für Antidiskriminierungsverbände

Um die von Diskriminierung Betroffenen zu entlasten, sollte aus Sicht von Ataman ein Verbandsklagerecht eingeführt werden. Außerdem sollten Antidiskriminierungsverbände die Möglichkeit erhalten, in Fällen struktureller Diskriminierung ohne individuelle Betroffenheit zu klagen. Sie sagte, repräsentative Umfragen zeigten, dass die Bevölkerung in Sachen Antidiskriminierung schon weiter sei als die aktuelle Rechtslage. Das sollten Politiker im Hinterkopf haben, die sich jetzt mit der geplanten Reform beschäftigen. Sie würde sich wünschen, dass das AGG nicht als „Verbotsgesetz“, sondern als „Chancengesetz“ verstanden werde.

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt es: „Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) werden wir evaluieren, Schutzlücken schließen, den Rechtsschutz verbessern und den Anwendungsbereich ausweiten.“

Union kritisiert Ataman-Vorschläge

Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Günter Krings, kritisierte die Vorschläge Atamans. „Es soll nicht mehr darum gehen, Diskriminierung zu verhindern. Menschen sollen sich künftig auf vermeintliche Diskriminierungen berufen können, um Vorteile für sich erwirken zu können.“ Bislang knüpfe das Gesetz an Merkmale an, die „Betroffene nicht beeinflussen können“. Dass Ataman dies nun ändern wolle, zeige, dass sie „Maß und Mitte gänzlich aus den Augen verloren“ habe.

Die frühere Journalistin Ataman war im Juli 2022 auf Vorschlag des Kabinetts vom Bundestag für die Dauer von fünf Jahren in ihr Amt gewählt worden. CDU und CSU hatten die Personalentscheidung damals kritisiert. (dpa/mig) Leitartikel Panorama

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