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Mutmaßlicher Neonazi verteilt blaue Luftballons vor Kita © Szene aus einem Twitter-Video

Nach AfD-Wahlsieg in Sonneberg

„Freiwilliger Abschiebehelfer“ verteilt blaue Luftballons an Kita

Ein Mann mit in typischem Nazi-Shirt verteilt blaue Luftballons an einer Kita im Landkreis Sonneberg. Ein Video dazu schlägt hohe Wellen im Netz und führt zu Spekulationen über einen Zusammenhang mit der AfD. Auch die Polizei ruft das auf den Plan.

Dienstag, 27.06.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 20.11.2023, 11:22 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Ein Mann verteilt über einen Zaun blaue Luftballons an Kita-Kinder, die sich offensichtlich über die Geschenke freuen. Was die Kinder und auch die Erzieherinnen nicht sehen: Auf der Rückseite des T-Shirts des Mannes steht „Wehrmacht wieder mit“ und auf der Heckscheibe des Autos, aus dem der Mann die Ballons holt, ist „Ehrenamtlicher Abschiebehelfer“ zu lesen. Dazu trägt der Mann eine Hose in den Reichsfarben Schwarz-Weiß-Rot.

Das Video wurde am Dienstag vielfach in sozialen Medien geteilt und kommentiert. Nach Angaben der Thüringer Landtagsabgeordneten Katharina König-Preuss (Linke) stammt das vor einer Kita in der Gemeinde Föritztal gedrehte Video vom Montag. Einen Tag zuvor hatte die AfD in Sonneberg zehn Jahre nach ihrer Gründung erstmals in Deutschland ein kommunales Spitzenamt erobert. Der AfD-Kandidat Robert Sesselmann gewann die Landratswahl mit 52,8 Prozent gegen seinen CDU-Konkurrenten Jürgen Köpper, der auf 47,2 Prozent kam.

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Im Netz wurde viel spekuliert über Verbindungen zwischen dem Mann im rechten Szene-Look und der in Thüringen als vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD. Die Ballons, die der Mann im Video austeilt, sind zwar nicht bedruckt. Im Kofferraum aber bleiben einige Ballons zurück, deren Logo dem der AfD zumindest ähnelt. Blau ist auch die Parteifarbe der AfD.

Bürgermeister verurteilt „Übergriff“

Bei dem Mann im Video handelt es sich nach Angaben aus der Gemeinde Föritztal, die Trägerin der betroffenen Kita ist, um einen Vater eines der Kita-Kinder. Er sei täglich dort und bekannt. Er habe sein Kind an diesem Tag aus der Kita abgeholt und gesagt, dass er Ballons habe, die er an die Kinder verteilen würde. Die Erzieherinnen seien nicht an den Pranger zu stellen, hieß es weiter aus der Gemeinde. Das Video sei zudem heimlich und aus einer Perspektive aufgenommen worden, aus der die Kindergärtnerinnen nicht das gesamte Auftreten des Mannes haben erkennen können.

Der Bürgermeister von Föritztal, Andreas Meusel, bezeichnete den Vorfall als „Übergriff“ und verurteilte ihn. „Insbesondere nehme ich Abstand davon, dass durch das absichtliche Herbeiführen und heimliche Filmen dieser Situation die Mitarbeiterinnen des Kindergartens und der Kindergarten in eine bestimmte Ecke gedrängt beziehungsweise geschoben werden“, teilte er mit. Der Kindergarten sei kein Platz, „um politische Meinungsäußerung zu propagieren“.

Polizei: Kein Verdacht auf eine Straftat

Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) schrieb bei Twitter: „Dass ein Neonazi offenbar ungefragt auf unsere Kleinsten zielt und Kindergartenkinder ins Visier nimmt, ist ein schwerer Übergriff.“

Nach Hinweisen auf das Video hatte sich am Dienstag auch die Polizei eingeschaltet. „Derzeit besteht kein Verdacht auf eine Straftat, jedoch könnten mehrere Ordnungswidrigkeiten vorliegen“, sagte ein Polizist der Polizeiinspektion Sonneberg. Zuvor habe es Hinweise an die Polizei auf das Video gegeben. Bereits am Dienstagmorgen habe sich der Bürgermeister deshalb an die Polizei gewandt, hieß es.

Nazi-T-Shirts frei käuflich

Ordnungswidrigkeiten könnten mit Blick auf den Paragrafen zur Belästigung der Allgemeinheit des Ordnungswidrigkeitengesetzes vorliegen, so der Polizist. Das Gesamtauftreten des Mannes in dem Video könnte einen Verstoß darstellen. Allerdings liege es an der Ordnungsbehörde des Landkreises, der Sache weiter nachzugehen.

Der Aufdruck des T-Shirts – auch in Kombination mit der Farbe der Hose – habe keine strafrechtliche Relevanz, hieß es bei der Polizei. Das sei bereits geprüft worden. Solche Shirts seien frei verkäuflich. Im Falle des Aufdrucks auf dem Auto sei es zudem nicht das erste Mal, dass es Hinweise darauf gegeben habe.

Auf der AfD-Wahlparty von Sesselmann

Der Mann ist in dem 8.500 Einwohner zählenden Föritztal demnach kein Unbekannter. Auch bei der AfD vor Ort nicht. „Der Mann ist kein AfD-Mitglied“, sagte der AfD-Landessprecher Stefan Möller am Dienstag und verwies auf Angaben aus dem Ortsverband. Allerdings sei der Mann schon früher „auffällig“ gewesen und werde vom Ortsverband als „problematisch“ beschrieben. So sei er in der Vergangenheit auch bei Ständen der AfD sowie bei der Wahlparty von Sesselmann am Sonntag gewesen. Allerdings habe er bei der Wahlparty keine Kleidung wie in dem Video getragen und sich dort an Sesselmann und den AfD-Landeschef Björn Höcke „rangemacht“. Der Mann ist Möller zufolge aber weder Sesselmann noch Höcke persönlich bekannt.

Von den 7.230 Wahlberechtigten in Föritztal hatten sich 65,6 Prozent an der Stichwahl am Sonntag beteiligt, wie aus Angaben des Büros des Landeswahlleiters hervorgeht. Auch dort lag Sesselmann vorne. (dpa/mig) Aktuell Panorama

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