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Rassismus zum U21-EM-Auftakt

„Wenn wir gewinnen, sind wir Deutsche. Wenn wir verlieren, kommen Affen-Kommentare.“

Zum EM-Auftakt gegen Israel reicht es für Deutschlands U21 nur zu einem Remis. Der Titelverteidiger scheitert gleich zweimal vom Elfmeterpunkt. Was folgt, sind rassistische Beleidigungen im Netz. Dieses Mal schweigt Youssoufa Moukoko nicht.

Samstag, 24.06.2023, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 25.06.2023, 21:10 Uhr Lesedauer: 6 Minuten  |  

Dieses Mal wollte Youssoufa Moukoko nicht schweigen. Nach dem 1:1 (1:1) gegen Israel zum EM-Auftakt mit zwei Elfmeter-Fehlschüssen berichtete der deutsche U21-Nationalspieler emotional von rassistischen Beleidigungen gegen sich und seinen Teamkollegen Jessic Ngankam auf Instagram. „Wenn wir gewinnen, sind wir alle Deutsche. Wenn wir verlieren, kommen diese Affen-Kommentare. Jessic hat sie bekommen, ich habe sie bekommen. Solche Dinge gehören einfach nicht zum Fußball“, sagte der 18-Jährige nach dem enttäuschenden Remis der deutschen U21-Fußballer am Donnerstagabend im georgischen Kutaissi.

Moukoko (3. Minute) und Ngankam (80.) hatten in der Partie jeweils einen Elfmeter verschossen und damit die Chance auf den wichtigen EM-Auftaktsieg vergeben. „Wir verschießen nicht extra, sondern versuchen, der Mannschaft zu helfen. Wenn man solche Nachrichten bekommt, das ist ekelhaft“, sagte Moukoko. Auch Trainer Antonio Di Salvo verurteilte die Kommentare an seine Spieler aufs Schärfste. „Jede Art von Rassismus und Diskriminierung, das ist unterste Schublade, das geht überhaupt nicht“, sagte der 44-Jährige. Er sei „persönlich schockiert und enttäuscht“.

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DFB sieht Politik in der Pflicht

Der sportlich unglückliche Start des Titelverteidigers in das Turnier rückte dadurch in den Hintergrund. Als der Mannschaftsbus der deutschen U21-Fußballer tief in der Nacht das Teamquartier am Schwarzen Meer erreichte, waren Schock und Entsetzen immer noch groß. „Ganz bestimmt muss ich jetzt mit den Jungs sprechen und mit der ganzen Mannschaft sprechen“, kündigte der in der Nacht an. „Ich verstehe nicht, wieso man heutzutage immer noch rassistisch ist“, sagte Torhüter Noah Atubolu, der von ähnlichen Erfahrungen berichtete. „Die Jungs können nichts dafür, woher sie kommen. Sie haben sich entschieden, für Deutschland zu spielen, und geben das Beste für ihr Land.“

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Auch der DFB verurteilte die Vorfälle und sieht die Politik in der Pflicht. DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann hat ein entschlosseneres Handeln der Politik gefordert. „Am Ende des Tages muss die Politik in Deutschland dann auch reagieren, wenn sie Menschen schützen will – und da spreche ich nicht nur von Fußballern“, sagte Zimmermann im EM-Quartier der U21 in Batumi. „Wir reden seit Jahren über Hass und Hetze und eine Verrohung der Sprachkultur, aber es tut keiner was dagegen.“ Rassismus und Hetze müssten konsequent bestraft werden.

Faeser: „Widerwärtig“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat die rassistischen Beleidigungen als „menschenverachtend und widerwärtig“ verurteilt. „Unsere Nationalspieler zeigen die beste Seite unseres modernen und vielfältigen Deutschlands, diese rassistischen Kommentare zeigen die hässlichste Seite“, sagte die für Sport zuständige Ministerin am Freitag der Deutschen Presse-Agentur.  Faeser sprach Moukoko und Ngankam ihre Solidarität aus. „Sie können sich absolut sicher sein: Wir stehen voll und ganz hinter ihnen“, sagte sie. Im Kampf gegen Rassismus im Sport brauche es „mehr Präventions- und Bildungsarbeit und mehr Anlaufstellen für Betroffene von Gewalt und Diskriminierung.“

Auch weitere Politiker verurteilten die rassistischen Attacken. „Ich habe so kein Bock mehr darauf, dass 2023 noch immer Rassismus stattfindet“, twitterte Johannes Vogel, stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP. „Es ist ekelhaft – egal, ob es gegen Spieler im Nationaltrikot oder gegen jeden anderen Menschen geht!“

DFB kündigt strafrechtliche Schritte an

Der DFB erklärte am Freitag, strafrechtlich gegen die Verfasser der Hass-Kommentare vorgehen zu wollen. „Es reicht. Es darf nicht sein, dass Menschen im Netz versuchen, sich anonym in dieser Form zu positionieren und Leute zu beleidigen. Wir werden als Verband alles Mögliche tun, um diese Menschen zur Rechenschaft zu ziehen“, sagte Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter Nationalmannschaften beim DFB. Zimmermann kündigte zudem an, der Verband werde sich auch an die Betreiber der Netzwerke wenden mit der Forderung, entsprechende Accounts löschen zu lassen: „Da muss der Betreiber dann Lösungen finden.“

Vizepräsident Peter Frymuth erklärte, der DFB werde in Zukunft konsequent gegen jede Form der Hetze im Netz vorgehen. „Wir wollen dabei gar nicht abwägen, was es bringt. Wichtig ist die Tatsache, dass wir es machen“, sagte er im georgischen Batumi. Wenn der DFB an seine Grenzen stoße, sei die Politik gefordert. „Ich glaube, damit helfen wir nicht nur dem Fußball, wir helfen auch dem Sport und wir helfen der Gesellschaft“, sagte Frymuth. Er hoffe, dass viele Menschen sich im Kampf gegen Rassismus „an unsere Seite stellen“.

Forscher: Hetzern „nicht den Raum überlassen“

Kommunikations- und Medienwissenschaftler Daniel Nölleke von der Deutschen Sporthochschule Köln hält die strafrechtliche Verfolgung von rassistischen Äußerungen gegen Fußballspieler im Internet für kompliziert. „Im Stadion kann man Menschen, die sich rassistisch äußern, die Dauerkarte entziehen oder ein Stadionverbot aussprechen. In der Online-Welt ist es schwierig, ähnliche Konsequenzen zu ziehen“, sagte Nölleke der Deutschen Presse-Agentur am Freitag.

„Rassismus im Umfeld von Fußballspielen gibt es leider schon sehr lange“, sagte Nölleke. „Das Problem der rassistischen Anfeindungen kennen wir schon aus den Stadien. Im Stadion ist mittlerweile zum Glück aber eine gewisse Sensibilität eingekehrt. Dort gibt es Konsequenzen für Leute, die sich rassistisch verhalten.“ Andere Zuschauer, der Schiedsrichter, Spieler oder Funktionäre könnten direkt eingreifen.

Beim Versuch, etwas gegen Hass im Netz zu tun, hält es Nölleke für am erfolgversprechendsten, ein noch stärkeres Bewusstsein für das Problem zu schaffen. „Man darf denjenigen, die Hassnachrichten verbreiten, nicht den Raum überlassen. Durch Solidaritätsbekundungen kann man den Spielern beispielsweise signalisieren, dass Rassismus keine Mehrheitsmeinung ist. Das kann das Problem nicht lösen, kann es aber abschwächen“, sagte er und ergänzte: „Ich finde es gut, dass die Betroffenen das Thema selbst aufgegriffen und problematisiert haben. Es kann vielleicht auch helfen, die Leute, die sich rassistisch äußern, aus ihrer Anonymität herauszuholen und sie direkt anzusprechen.“

DFB: Wir sind offen, vielfältig, bunt und verdammt stolz darauf

Der DFB hat das Thema vor dem Spiel gegen Tschechien am Sonntag für beendet erklärt: Die rassistischen Beleidigungen dürften das Team aber weiter begleiten und beschäftigen. „Das ist ein Paket, das musst du als Mensch erst mal verarbeiten. Vor allem als Mensch, der in seiner Entwicklung noch lange nicht fertig ist“, sagte DFB-Vizepräsident Zimmermann. Auf ein Zeichen auf dem Platz – wie es etwa die Nationalmannschaft bei der WM in Katar mit der Mund-zu-Geste nach der Diskussion um die One-Love-Armbinde zeigte – will die U21 verzichten.

„Die Mannschaft möchte sich auf das Sportliche konzentrieren“, sagt Di Salvo, dessen Eltern aus Italien stammen, und ergänzt: „Wir sind global, bunt, und es spielt keine Rolle, ob man schwarz, weiß oder gelb ist“. Fast die Hälfte der Spieler in seinem aktuellen U21-Kader hat ausländische Wurzeln. Der DFB schrieb in seinem Statement an die Urheber der rassistischen Beleidigungen gerichtet: „Ihr werdet nie gewinnen. Denn wir sind mehr. Wir sind offen, vielfältig, bunt und verdammt stolz darauf.“ Kapitän Yann Aurel Bisseck schrieb auf Instagram: „Diese Mannschaft lässt sich nicht von rassistischen Kommentaren kleinkriegen.“ (dpa/mig) Leitartikel Panorama

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  1. Levent Öztürk sagt:

    Erinnert stark an Mesut Özils Geschichte, der den DFB wegen immenser rassistischer Attacken verlassen hat…Deutschland hat zudem seit dem 25.06.2023 seinen ersten AfD-Landrat bekommen.

  2. Prof. Dr. Peter Porsch sagt:

    Wenn Herr Merz von jungen Ausländern per „kleine Paschas“ spricht, wird ihm das nachgesehen. Dann ist alles andere kein Wunder mehr, sondern deutscher Alltag wie schon seit über hundert Jahren.