Eine Schule wird zum Tempel

Vietnamesisch-Buddhistischer Kulturverein in Erfurt feiert Eröffnung

Seit fünf Jahren verwirklicht die vietnamesische Gemeinschaft in Erfurt ihren Traum von einem religiösen Zentrum. Eine alte Dorfschule wird zum buddhistischen Tempel umgebaut. Am Sonntag wird eine besondere Pagode im Hof des Geländes geweiht. Anders als beim Moscheebau gab es hier keine Hetze.

Von Sonntag, 21.05.2023, 13:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 19.05.2023, 13:02 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Mit etwas Sorge blickt Bui Huu Trung in Richtung Hamburg. Denn dort hängt die Buddha-Statue für die Pagode immer noch im Hafen fest. „Hoffentlich kommt er rechtzeitig an“, sagt das Vorstandsmitglied des Vietnamesisch-Buddhistischen Kulturvereins Erfurt-Thüringen.

Für die Weihe des kleinen Gebäudes auf dem Pausenhof der ehemaligen Schule von Erfurt-Gispersleben ist ansonsten alles vorbereitet. Handwerker verfugen die letzten Steine der Freitreppe über dem Wasserbassin. Noch fehlt das Wasser für den Teich mit Lotusblüten unter dem Bauwerk.

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„Erinnerung an das Land, aus dem wir kommen.“

„Das hier ist eine Kopie eines der wichtigsten Gebäude des Buddhismus in Vietnam“, erklärt Bui Huu Trung. Gerade für die Vietnamesen in der Fremde sei das ein wichtiges Bauwerk. Einsäulen-Pagode heißt das Original, es gilt als Wahrzeichen der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi. Ursprünglich stammt der Bau aus dem 11. Jahrhundert und wurde der Legende nach von dem lange kinderlosen Kaiser Lý Thái Tong erbaut. Ihm war im Traum die auf einer Lotusblüte sitzende Göttin der Barmherzigkeit erschienen und hatte ihm einen Sohn überreicht. Kurz darauf wurde der Herrscher tatsächlich Vater und spendete aus Dankbarkeit den ungewöhnlichen Tempel.

Für die vietnamesische Gemeinschaft in Thüringen hängt die Bedeutung dieser Pagode im übertragenen Sinn ebenfalls mit den Söhnen und Töchtern zusammen. „Die Pagode ist eine Erinnerung an das Land, aus dem wir kommen. Und diese Erinnerung wird wichtiger werden auch für unsere Kinder und deren Kinder, die ja hier aufwachsen und das Land ihrer Eltern mit jeder Generation weniger gut kennenlernen“, sagt Bui Huu Trung.

Mit Spenden aus aller Welt finanziert

Die Bedeutung zeigt sich auch in der Anwesenheit von Thick Tho Lac. Er ist einer der höchsten Mönche Vietnams und seit Wochenbeginn in Thüringen. Thick Tho Lac bekleidet in der buddhistischen Hierarchie das religiöse Amt eines Ministers für Kultur und ist dem Erfurter Tempelbau-Projekt seit Jahren verbunden. „Er ist unser Meister“, sagt Huyen Tischler, die Vorsitzende des bauausführenden vietnamesisch-buddhistischen Kulturvereins. Wenn der Erfurter Tempel fertiggestellt ist, wird Thick Tho Lac ihm von Vietnam aus vorstehen. Schon jetzt führen zwei von ihm entsandte Mönche die religiösen Zeremonien auf dem Areal durch.

Spenden aus aller Welt hätten diesen Ort finanziert, sagt der Mönch, der das zweite Mal in Thüringen weilt. Den Fortschritt zu sehen, mache ihn froh. „Dies wird ein Ort werden für alle Buddhisten, egal aus welchem Land sie stammen“, sagt er. In Südostasien seien die religiösen Traditionen in jedem Land ein wenig anders. Aber Buddhisten akzeptierten diese Unterschiedlichkeiten. Natürlich auch gegenüber den deutschen Mitbürgern. „Mein Traum ist es, hier einen Ort des kulturellen Austauschs zu schaffen“, sagt Thick Tho Lac.

Keine negativen Stimmen, anders als beim Moscheebau

Die Voraussetzungen hierfür scheinen gut. Anders als beim Bau der Moschee in Erfurt-Marbach, wo Neonazis und AfD jahrelang gegen das islamische Gotteshaus gehetzt haben, gibt es hier so gut wie keine negativen Stimmen. Auf die alte Schule hat die Ortsbürgermeisterin Anita Pietsch den Verein vor fünf Jahren aufmerksam gemacht.

Seitdem wird geplant und gebaut. An den ehemaligen Schulhof erinnert inzwischen fast nichts mehr. Altäre, Schreine und kleine Tempelgebäude stehen eng an eng. Dazwischen geschäftige Handwerker, die streichen, sägen oder hämmern.

Baugenehmigung der Stadt liegt vor

Auch im Inneren des Gebäudes sind bereits viele Klassenzimmer renoviert, inklusive eines provisorischen kleinen Gebetsraums. Der wird schon seit Jahren für Zeremonien genutzt. An der Stirnseite dieses Raums steht ein schmaler Tisch inmitten eines Meers von Blumen, Opfergaben und goldgefassten Statuen. Die sollen bis Jahresende umziehen – so der Plan.

Dort, wo sich heute noch ein ganz normaler deutscher Schuldachboden erstreckt, wird ein großer Gebetsraum entstehen. Dann bekommt der Ziegelbau in Erfurt-Gispersleben ein weithin sichtbares Pagodendach. „Die Baugenehmigung der Stadt ist gerade gekommen“, sagt Huyen Tischler. (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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