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MiGAZIN Kolumnist Sven Bensmann © privat, Zeichnung MiG

Nebenan

Der Westen, das sind „die Guten“

Der Westen, darin ist sich der Westen weitgehend einig, das sind „die Guten“. Diese Erkenntnis bildet daher auch das moralische Fundament sämtlichen Handelns Europas und der USA.

Von Montag, 15.05.2023, 13:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 15.05.2023, 10:09 Uhr Lesedauer: 6 Minuten  |  

Wenn Russland ein Nachbarland überfällt, dann ist das ein Menschheitsverbrechen – überfällt jedoch der Westen völkerrechtswidrig ein souveränes Land, dann ist das ein humanitärer Einsatz, um die Menschenrechte zu schützen und/oder nicht-existente Massenvernichtungswaffen zu zerstören. Und wer zu einem anderen Entschluss kommt, der gehört eben zum Reich des Bösen, ist von Propaganda verblendet, oder eben ein Putin-Versteher. Ganz so, als wäre es schon verwerflich, Dinge zu verstehen, statt einfach aus purer Blödheit heraus zu verurteilen.

Diese Unterscheidung erzwingt geradezu, dass es keine Bush-Versteher geben kann und muss: Man muss nicht verstehen, warum ein fundamentalistischer Cowboy mit dem Politikverständnis eines 8-jährigen völkerrechtswidrig Staaten überfällt. Weil er ja einer der Guten ist. Fall erledigt.

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Als vor wenigen Jahren mit Donald Trump ein Mann ins Weiße Haus einzog, der nun in keiner Weise für irgendetwas Gutes stehen konnte, wohl aber kurz davor steht, noch einmal in selbiges einzuziehen, waren viele überfordert, das Weltbild bekam Risse: Dieser Mann soll der Anführer des Westens sein? Dann kamen die Guten aber schnell auf 2 Formeln, um dieses Unglück abzuwenden.

1. Angela Merkel, diese Frau ohne jedes Charisma, die seit Ewigkeiten über Deutschland herrschte und die im nachherigen Vergleich mit Olaf Scholz wie eine temperamentvolle, eiserne Kanzlerin wirkt, musste es sein, die nun den Westen anführt.

2. Donald Trump musste erst durch die Russen, nicht durch eine völlig heruntergekommene amerikanische Demokratie, die kaum noch diesen Namen verdient, und eine moralisch noch verkommenere republikanische Partei, an die mächtigste politische Position des Landes gekommen sein. Donald Trump, ein Agent des Bösen, ein manchurian candidate. Kein Wunder, dass dieser Mann so seltsame Ideen hatte, wie die Grenzen durch Mauern undurchlässiger zu machen. Das ist schließlich russische Blut-und-Boden-Politik – mit westlichen Werten hat das rein gar nichts zu tun – selbst wenn Joe Biden genau diese Politik nahtlos fortgeführt hat.

„Dass ausgerechnet ein Land, das als direkte Erfahrung aus seinen eigenen Verbrechen und den Millionen Menschen, die vor diesen eigenen Verbrechen im Ausland flüchten mussten und dort nicht selten Ablehnung erfuhren, die Menschenwürde zu seinem wichtigsten politischen Prinzip erhob, das Recht aus Asyl Schritt um Schritt weiter einschränkt, ist mit widerlich nicht ausreichend umschrieben.“

Ein paar Jahre weiter und Deutschland hat die auf dem Papier linkeste Regierung seit der Jahrtausendwende. Diese steht vor der Herausforderung, dass durch Missmanagement und nicht zuletzt die Fehler der eigenen Außenpolitik so viele Menschen an den Grenzen auf Asyl warten, dass die Unterbringungsmöglichkeiten an ihre ganz eigenen Grenzen geraten.

Und Deutschland will damit umgehen. Aber eben nicht mit dem Ziel, diese Menschen unterzubringen, sie zu integrieren, ihnen die Sprache dieses Landes beizubringen – wenn sie diese nicht eh schon als Einsatzkräfte unseres Krieges in Afghanistan als unsere Ortshelfer gelernt haben – sondern, um Mauern zu ziehen, um das Recht auf Asyl verwalterisch und rechtlich einzuschränken, gar um das völkerrechtswidrige Zurückknüppeln von Asylsuchenden über etwaige Grenzen, wo man ihnen dieses Recht vorenthalten kann, indirekt zu unterstützen.

Und während die einen das so framen, dass die Ampel-Regierung der Union nachgeben müsse, aufgrund deren Macht im Bundestag, scheint bereits jeder der Kommenteure bereits vergessen zu haben, dass die Ampelparteien der Union diese Möglichkeit erst eröffnet haben (beispielsweise durch Koalitionen wie der in Berlin), sich also diese Sperrminorität erst selbst auferlegt hat, um nicht am Ende noch durchregieren zu können.

Ein echter Aufschrei, dass die rotgelbgrüne Koalition jetzt Trump-Politik, also ja irgendwie auch russische Politik macht, bleibt bisher immerhin aus. Ebenso, dass die Koalition mit dieser Bekämpfung des Rechts auf Asyl, das hierzulande vor allem Menschen aus Syrien und Afghanistan beantragen, Menschen, denen dieses Recht aus gutem Grunde in den allermeisten Fällen zugestanden werden müsste, nicht nur das Völkerrecht bricht, sondern einmal mehr Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes, dieser wichtigsten Lehre aus den Verbrechen des Zweiten Weltkrieges, außer Kraft setzt.

Dass ausgerechnet ein Land, das als direkte Erfahrung aus seinen eigenen Verbrechen und den Millionen Menschen, die vor diesen eigenen Verbrechen im Ausland flüchten mussten und dort nicht selten Ablehnung erfuhren, die Menschenwürde zu seinem wichtigsten politischen Prinzip erhob, das Recht aus Asyl Schritt um Schritt weiter einschränkt, ist mit widerlich nicht ausreichend umschrieben.

„Wer dabei immer noch glaubt, dass wir hier nicht genügend Platz haben, sollte nur einmal den Blick weg von den Schwächsten auf diejenigen richten, die alles haben.“

Dass ein Land, dass über Jahrhunderte das Ausreiseland schlechthin war, von wo aus, mehr noch als aus Irland, Menschen auf der Flucht vor Armut in alle Welt, nach Russland, nach Südosteuropa und natürlich auch in die Neue Welt auswanderten, von denen wenige je echte Ablehnung erfahren hätten, es überhaupt wagt, nach Deutschland einwandernde Menschen in verschiedene Klassen einzuteilen, in wertes und unwertes Leben, von dem das eine hinein darf, das andere nicht, zeugt von einer Geschichtsvergessenheit, die noch einmal weit darüber hinausgeht, was als Geschichte und Lehren des Dritten Reiches von vielen Leuten in diesem Lande willentlich verdrängt wird.

Ganz egal, wie herausfordernd eine solche Politik wäre, Deutschland hat eine geschichtliche, eine moralische, eine unveräußerliche Verantwortung, jeden Menschen aufzunehmen, der hier für sich ein besseres Leben sucht, so wie es Deutschen in Tausend Jahren gewährt und in den dunkelsten Stunden zuweilen verweigert wurde.

Wer dabei immer noch glaubt, dass wir hier nicht genügend Platz haben, sollte nur einmal den Blick weg von den Schwächsten auf diejenigen richten, die alles haben. Denn die haben nicht einfach nur „alles“, die haben auch Zweit-, Dritt- und Vierthäuschen, die nur Staub ansetzen, in denen Hunderttausende Obdachlose, egal ob Eingeborene oder Zugewanderte, unterkommen könnten. Und für alle, die dann darauf verweisen, dass Reiche ganz fragile kleine Pimmel sind, die sofort die Flucht ergreifen, wenn man ihnen an ihre kostbaren, vor der Steuer verheimlichten, Reichtümer will, sage ich nur dies: Wunderbar, lasst sie ziehen. Dann gibt es gleich noch ein paar mehr Erstvillen mit Platz für eine Unzahl von Familien, die sich Wohnraum anders nicht mehr leisten können.

Das Vermögen in Deutschland wird fix eingefroren, so wie wir das auch bei all den anderen Finanzverbrechern machen, und auf die FDP können wir am Ende halt auch verzichten. Besser noch: Wenn jene Reichen ohne jedes soziale Verantwortungsgefühl weg sind und die FDP als die Lobby der Verteilung von unten nach oben damit ausgedient hat, können wir uns endlich daran machen, dieses Land gerechter zu gestalten, das Schulsystem vom Kopf auf die Füße zu stellen und die soziale Durchlässigkeit dieser Gesellschaft zu erhöhen. Es sind nicht umsonst diejenigen Länder mit einer starken Mittelschicht und einer marginalisierten reichen Elite, die stets am lebenswertesten bewertet werden, die über den besten sozialen Zusammenhalt, die glücklichste Bevölkerung und die geringste Armut verfügen.

Eat the rich and invite the poor to the feast. Ein Land, das sich in weiten Teilen immer noch als christlich definiert, sollte sich darauf leicht einigen können, entspricht es doch auch der Überzeugung desjenigen Christen, der ans Kreuz genagelt wurde. Und es sind ja doch eher nicht die Atheisten, die dieser Politik üblicherweise im Wege stehen. Meinung

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