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Zusammenhalt (Symbolfoto) © Thirdman von Pexels

Geflüchtete helfen Deutschen

Geben ist besser als nehmen

Hilfsbedürftig zu sein, ist ihre Sache nicht. Eine Gruppe von Geflüchteten im Rhein-Main-Gebiet hilft Obdachlosen oder Alten. Ihre Erfahrung: Helfen stiftet Sinn und lässt einheimisch werden.

Von Dienstag, 04.04.2023, 14:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 30.03.2023, 7:58 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Im Hinterhof der Ada-Kantine in Frankfurt-Bockenheim stehen Biergarnituren unter Zelten. An langen Bänken sitzen zumeist ältere Menschen in Mänteln, auch Wohnungslose. Das Essen aus gespendeten Lebensmitteln wird von Freiwilligen gekocht, für eine Spende oder umsonst. Kartoffelstücke mit Rosmarin, Falafelbällchen und gemischtes Gemüse mit einer Tomaten- und Joghurtsoße werden am Platz serviert. Die freundlichen jungen Kellner sind an diesem Tag ein internationales Team: Geflüchtete, die etwas für Bedürftige tun.

„Ich freue mich, anderen zu helfen“, sagt Ismail (36) in gutem Deutsch. Ismail war türkischer Finanzbeamter, saß aus politischen Gründen mehr als drei Jahre lang im Gefängnis und floh nach Deutschland, wie er berichtet. Sein Asylgesuch wurde anerkannt. Bisher arbeitet er ehrenamtlich in einem Kindergarten und einer Schulbücherei, in Zukunft will er etwas mit IT studieren. Auch Salih (28) ist Feuer und Flamme. Der Asylantrag des türkischen Arztes ist zwar abgelehnt worden, aber während sein Widerspruch vor Gericht läuft, bereitet er sich auf die Prüfung zur Anerkennung seiner Arztqualifikation vor, wie er erzählt.

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Beschleunigung von Integration und Teilhabe

„Deutschland hat uns viele Chancen gegeben, daher wollen wir etwas für die Gesellschaft tun“, sagt Salih in fließendem Deutsch. Er arbeitet ehrenamtlich bei den Grünen Damen und Herren in einem Frankfurter Krankenhaus und besucht Patienten. „Nur mit Engagement und Kontakten zu Einheimischen kann man sich in Deutschland gut integrieren“, ist er überzeugt. Beide Asylbewerber haben über das Deutschlernen im wöchentlichen „Sprachcafé“ die Hilfsorganisation IsraAid Germany kennengelernt.

Der Ableger der israelischen Wohlfahrtsorganisation engagiert sich für die Integration von Geflüchteten in Deutschland. „Geflüchtete erfahren sich oft als Spielball und haben wenig Einfluss auf ihre Situation“, erklärt ihr Sprecher Aron Trieb. Bei dem Projekt „Brückenbau“ sei dies anders. Zum einen setzten sich Fachleute mit Beratungen, therapeutischen Gesprächen und Kunsttherapie für die psychische Stabilisierung und das mentale Wohlbefinden von Geflüchteten ein. Zum anderen würden Geflüchtete in Gruppen ermächtigt, sich selbst für andere sozial einzusetzen und dadurch Wertschätzung zu erfahren. Dies beschleunige die Integration und Teilhabe.

„Brückenbau“ in mehreren Städten

Das gemeinsam mit der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland organisierte und von der Bundesflüchtlingsbeauftragten geförderte Projekt „Brückenbau“ gibt es außer in Frankfurt in Hattingen, Bochum, Herne und Potsdam. In Frankfurt treffen sich alle zwei Wochen rund ein Dutzend Teilnehmende aus Afghanistan, Syrien, der Türkei, Iran und anderen Ländern, berichtet Salih. Sie sprechen über Achtsamkeit oder über die politischen Institutionen in Deutschland, haben ein eigenes Theaterstück entworfen und gespielt oder bereiten ein mehrsprachiges Infomagazin für neu angekommene Geflüchtete vor.

Darüber hinaus engagiert sich die im vergangenen November gestartete „Brückenbau“-Gruppe öffentlich: In der Ada-Kantine hat sie Plätzchen für Obdachlose gebacken, Plakate und Flugblätter für eine Klima-Demo gemalt oder zweimal in einem Seniorenheim mit den Alten das Quiz „Wer wird Millionär?“ gespielt.

„Wahnsinniges Engagement“

„Die Arbeit geht unter die Haut“, sagt Leonie Zander. Die Kunsttherapeutin arbeitet für IsraAid Germany mit Kindern in Flüchtlingsunterkünften und leitet die „Brückenbau“-Gruppe. Seit dem Start in Frankfurt vor einem Jahr seien mehrere Teilnehmende zu Mitarbeitern herangewachsen und nun als Minijobber angestellt.

Die Gruppe laufe jeweils ungefähr ein halbes Jahr, dann kämen Neue dazu, erklärt Zander. In Gesprächen und Theaterspiel gehe es um Selbstreflexion und Bestärkung, daneben packten die Teilnehmenden Hilfsaktionen an. Neben Einsätzen bei der Ada-Kantine oder dem AWO-Altenheim hätten sie auch beim Zuckerfest, Opferfest oder Fastenbrechen geholfen. „Ich bin beeindruckt über das wahnsinnige Engagement der Teilnehmenden“, sagt Zander. (epd/mig) Aktuell Panorama

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