FDP blockiert leichtere Einbürgerung
Regierung beschließt Fachkräfteeinwanderung
In vielen Branchen fehlen Arbeitskräfte. Mit dem Fachkräfte-Einwanderungsgesetz sollen arbeitswillige Nicht-EU-Bürger, leichter nach Deutschland kommen. Abstimmungsbedarf gibt es noch beim Staatsangehörigkeitsgesetz - da blockt die FDP.
Mittwoch, 29.03.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 29.03.2023, 14:38 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Mit einem Entwurf für ein reformiertes Fachkräfte-Einwanderungsgesetz hat das Kabinett am Mittwoch ein Vorhaben auf den Weg gebracht, das Unternehmern helfen soll, die – mitunter verzweifelt – nach qualifizierten Mitarbeitern suchen. Der Entwurf enthält neben verschiedenen Erleichterungen – etwa beim Familiennachzug und der Anerkennung von Berufsabschlüssen – die Einführung einer sogenannten „Chancenkarte“ auf Basis eines Punktesystems. Zu den Kriterien, die bei der Errechnung der Punktzahl berücksichtigt werden, zählen Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug.
Die „Chancenkarte“ gibt qualifizierten Ausländern ein Jahr Zeit, um in Deutschland einen Arbeitsplatz zu finden. Damit sich die Jobsuchenden in dieser Zeit finanziell über Wasser halten können, bietet sie in dieser Zeit zudem Möglichkeiten für Probearbeit oder Nebenbeschäftigung. Der Wechsel in Aufenthaltstitel zu Erwerbs- oder Bildungszwecken ist erlaubt. „Auch dies dient dazu, neue Potenziale von geeigneten Arbeitnehmern für den deutschen Arbeitsmarkt zu erschließen, denen bislang die Arbeitsplatzsuche nicht möglich war“, heißt es in dem Entwurf. Die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel zur Ausbildungsplatzsuche werden abgesenkt.
Abstimmungsbedarf beim Staatsangehörigkeitsrecht
Bei der geplanten Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gerne zusammen mit dem Gesetzentwurf zur Fachkräfte-Einwanderung ins Kabinett gebracht hätte, gibt es allerdings noch Abstimmungsbedarf mit der FDP. Die Liberalen sind zwar nicht dagegen, die doppelte Staatsbürgerschaft auch für Nicht-EU-Bürger grundsätzlich zu ermöglichen. Auch die Verkürzung der Mindestaufenthaltszeit im Regelfall von acht Jahren auf fünf Jahre findet ihre Zustimmung. Bei anderen Voraussetzungen für die Einbürgerung – Sprache und Sicherung des eigenen Lebensunterhalts – wollen die Liberalen jedoch keine Abstriche machen und weniger Ausnahmen zulassen. Fachkräfteeinwanderung und der Erwerb der Staatsbürgerschaft, „das gehört zusammen“, betonte Faeser.
An die Adresse der Union sagte die Ministerin, ohne eine „Willkommenskultur“, werde Deutschland im Wettbewerb um die klügsten Köpfe das Nachsehen haben. Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz, hält eine Novelle des seit drei Jahre geltenden Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes dagegen für unnötig. Wichtiger wäre es aus ihrer Sicht, praktische Probleme bei der Umsetzung zu lösen, fügte die CSU-Bundestagsabgeordnete. „An den deutschen Auslandsvertretungen fehlt ausreichend Personal, um die Anträge von Arbeitsmigranten zügig zu bearbeiten, und die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen dauert zu lange.“
Arbeitgeber fordert Visa-Entbürokratisierung
Auch Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger, der die Reform generell positiv beurteilt, sieht hier ein großes Problem. Er sagte: „Gesetze sind das eine, Prozesse und Abläufe das andere.“ In den deutschen Visastellen und Ausländerbehörden müssten die Abläufe schneller, einfacher und digitaler werden, „anstatt weitere bürokratische Luftschlösser zu errichten“.
Wer einen Abschluss hat, der in Deutschland anerkannt ist, soll laut Gesetzentwurf künftig auch in einem anderen qualifizierten Job arbeiten dürfen. Wer mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Ausland anerkannten Abschluss vorweisen kann, soll die Anerkennung dieser Qualifikation nun nicht zwingend aus dem Ausland betreiben müssen, sondern kann diese auch später noch in Deutschland nachholen.
Neuregelungen zur Einwanderung von Fachkräften im Überblick
Akademische Qualifikation: Hochschulabsolventen, die einen in Deutschland anerkannten Abschluss und einen Arbeitsvertrag haben, erhalten wie bisher die Blaue Karte EU, die ihnen einen bis zu vierjährigen Aufenthalt ermöglicht. Die Gehaltsschwellen werden gesenkt. Bisher musste ein jährliches Mindestgehalt von 58.400 Euro und in Mangelberufen von 45.552 Euro nachgewiesen werden. Der Familiennachzug und der Weg zu einem dauerhaften Aufenthalt werden erleichtert. IT-Spezialistinnen und Spezialisten können ohne Hochschulabschluss eine Blaue Karte EU erhalten, wenn sie über Berufserfahrung auf akademischem Niveau verfügen.
Berufliche Qualifikation: Fachkräfte mit von Deutschland anerkanntem Abschluss (Hochschul- oder Berufsabschluss) können künftig jede qualifizierte Tätigkeit annehmen, also auch in andere Branchen wechseln.
Berufliche Erfahrung: Ausländische Fachkräfte mit ausreichender Berufserfahrung und einem Berufsabschluss ihres Herkunftslandes können auch ohne die Anerkennung des Abschlusses in Deutschland arbeiten. Sie müssen dazu ein angemessenes Gehalt nachweisen. Das soll Lohndumping verhindern. Wer die Gehaltsschwelle nicht erreicht, muss die Anerkennung seines ausländischen Berufsabschlusses in Deutschland nachholen. Der Arbeitgeber verpflichtet sich, im Rahmen einer Anerkennungspartnerschaft seine Beschäftigten dabei zu unterstützen, sie etwa für notwendige Qualifizierungen freizustellen. Bisher muss die Anerkennung vom Ausland aus betrieben werden, eine hohe Hürde, die Zuwanderungen verhindert.
Berufliches Potenzial: Es wird die Möglichkeit eröffnet, für ein Jahr zur Arbeitssuche nach Deutschland zu kommen. Voraussetzung ist ein ausländischer Berufs- oder Hochschulabschluss. Dafür wird eine Chancenkarte eingeführt, die auf einem Punktesystem basiert. Die Kriterien sind Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug. Die Karte bietet auch Möglichkeiten zur Probearbeit oder Nebenbeschäftigung. Parallel zur Jobsuche ist Arbeit von bis zu 20 Wochenstunden erlaubt.
Fachkräftemangel in Deutschland: Die Zahl der offenen Stellen lag im letzten Quartal 2022 bei rund 1,98 Millionen. Dies sei der höchste je gemessene Wert, heißt es in dem Regierungsentwurf. Durch die Neuregelungen könnten bis zu 135.000 Fachkräfte pro Jahr mehr gewonnen werden. Die Novelle des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes ist Teil eines Gesetzespakets zur Migration, mit dem die Ampel-Koalition das Einwanderungs-, Aufenthalts- und Einbürgerungsrecht modernisieren will. (dpa/epd/mig) Aktuell Wirtschaft
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