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Richterhammer (Symbolfoto) © MiamiAccidentLawyer @ pixabay.com (Lizenz), bearb. MiG

„Bett, Brot, Seife“

Verwaltungsgerichtshof verbietet Abschiebung nach Afghanistan

Keine Abschiebung in die Armut - Afghanen dürfen nicht in ihre Heimat abgeschoben werden, wenn ihnen dort wirtschaftliches Elend droht. Das hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in einem Grundsatzurteil entschieden.

Mittwoch, 08.03.2023, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.03.2023, 14:52 Uhr Lesedauer: 1 Minuten  |  

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat mit einer Grundsatzentscheidung die Bundesrepublik Deutschland zu einem Abschiebestopp nach Afghanistan unter bestimmten Bedingungen verpflichtet. Ein junger, alleinstehender und erwerbsfähiger Afghane dürfe nicht in dieses Herkunftsland abgeschoben werden, wenn er dort kein soziales Netzwerk vorfinde, teilte der VGH am Dienstag in Mannheim mit.

Wenn die elementarsten Bedürfnisse – „Bett, Brot, Seife“- nicht über einen absehbaren Zeitraum befriedigt werden könnten, greife ein nationales Abschiebeverbot, auch wenn die betreffende Person weder Flüchtlingseigenschaften noch Anspruch auf subsidiären Schutz habe (AZ: A 11 S 1329/20 vom 22.02.2023).

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Der VGH erkannte dem gegen seine Abschiebung klagenden Mann weder die eingeklagte Flüchtlingseigenschaft noch subsidiären Schutz zu. Jedoch seien derzeit – nach der Machtübernahme der Taliban – angesichts der prekären Lebensverhältnisse in Afghanistan selbst im Fall eines leistungsfähigen, erwachsenen Mannes ohne Unterhaltsverpflichtungen die hohen Anforderungen eines nationalen Abschiebungsverbots regelmäßig erfüllt.

Keine Abschiebung in die Armut

Eine Abschiebung wäre nur möglich, wenn der Schutzsuchende in Afghanistan tatsächlich „ein tragfähiges und erreichbares familiäres oder soziales Netzwerk hat, er hinreichende finanzielle oder materielle Unterstützung durch Dritte erfährt oder über ausreichendes Vermögen verfügt“. Das sei im Fall des Klagenden nicht gegeben.

Daher sei die Bundesrepublik Deutschland vom VGH mit dem Urteil verpflichtet worden, festzustellen, dass zugunsten des Klägers ein nationales Abschiebeverbot besteht, hieß es in der Mitteilung. Eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen. Die Nicht-Zulassung der Revision kann noch durch Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. (epd/mig) Aktuell Recht

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  1. Mike-in-the-Box sagt:

    Da man hier, besonders wenn man sich nicht mit der Materie auskennt, schnell einen falschen Eindruck bekommt, gerade durch die Überschriften, hier eine kurze Anmerkung:

    Es ging nicht um die Frage ob man jemanden dem im Heimatland eine komplette Verelendung droht dorthin abschieben DARF. Kann man nicht. Auch wenn man den Eindruck bekommen kann, ob das die Frage war für die es ein Grundsatzurteil gebraucht hat. Nein nein. Das ist auch in Deutschland über §60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK klar geregelt.

    Die Frage war, ob DIESE BEDINGUNGEN im Falle Afghanistans auch bei jungen, gesunden, arbeitsfähigen Männern (i.d.R. die am wenigsten vulnerable Gruppe) GEGEBEN sind. Das Gericht sagt: Ohne soziales Netz zur gegenseitigen Unterstützung und/oder Netz im Ausland was unterstützen kann, können sie ihren Lebensunterhalt nicht sicherstellen.

    Auf wieviele Afghanen es jetzt zutrifft, dass sie keine (Groß)Familie mehr in Afghanistan und auch nicht im Ausland haben wäre jetzt die nächste spannende Frage (dabei muss man auch bedenken, dass afghanische Familienstrukturen duetlich fester undweiter gefasst sind, als wir es aus Deutschland gewohnt sind).