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Geflüchtete aus der Ukraine (Archiv) © 123rf.com

Zerrissene Familien

Geflohene Ukrainerinnen haben oft nur wenig Kontakt zu ihren Männern

Seit einem Jahr fliehen ukrainische Mütter mit ihren Kindern vor dem Krieg. „Ich habe ständig Angst um meinen Mann“, sagt eine von ihnen. Die Kinder entwickeln depressive Störungen. Der elfjährige Denys hat monatelang nur Panzer gemalt.

Von Sonntag, 26.02.2023, 13:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 26.02.2023, 11:47 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Wann sie zuletzt gut geschlafen hat? „Ich weiß es nicht“, sagt Antonina Volhina. Es mag ein Jahr her sein. Seit dem Ausbruch des Krieges am 24. Februar 2022 schläft die Ukrainerin nachts nur noch fünf Stunden. Oft liegt sie wach und denkt an ihren Mann: „Ich habe ständig Angst um ihn.“ Sie selbst floh Mitte März mit ihrer heute drei Jahre alten Tochter und ihrer Schwiegermutter nach Würzburg. Mit ihrem Mann hat die 30-Jährige nur etwa jeden dritten Tag kurz über Telegram Kontakt.

Wie Volhina geht es vielen Frauen, die vor dem russischen Angriffskrieg aus ihrem Land geflohen sind. Sie kamen mit ihren Kindern, vielleicht noch mit ihren Eltern. Die jüngeren männlichen Verwandten blieben nahezu ausnahmslos zurück. Mit dieser familiären Zerrissenheit klarzukommen, sagt Volhina, ist schwer: „Doch ich muss stark sein.“ Ihre Schwiegermutter leidet: „Sie weint oft.“ Die kleine Tochter fragt dauernd nach ihrem Papa. Hört die Dreijährige Schüsse im Fernsehen, interpretiert das Mädchen sie als Donner: „Sie glaubt, dass uns Papa vor Donner beschützt.“

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Studierte Ökonomin putzt

Im Dezember sah Volhina ihren Mann zum letzten Mal. Er lag verwundet in einer ukrainischen Klinik. „Ich fuhr für zwei Tage zu ihm.“ Mehr Zeit war nicht. Seitdem hat das Ehepaar wieder nur zwei- oder dreimal in der Woche über Telegram Kontakt. Höchstens zweimal im Monat sind Telefonate möglich. Volhina will über ihre Lage nicht zu viel nachdenken. Dank eines Sprachkurses spricht sie inzwischen gut Deutsch. Die studierte Ökonomin fand in einem Hotel einen Job als Reinigungskraft.

Olena Hryhorieva floh im März mit ihrem heute 16 Jahre alten Sohn von Kiew nach Stuttgart. Die 39-Jährige ist geschieden. Sie will mit ihrem Ex-Mann in Verbindung bleiben: „Er ist immer noch der Vater meines Sohns.“ Die in Russland geborene Ukrainerin engagiert sich im evangelischen Asylbüro in Stuttgart. Dort bietet sie Strick- und Kochkurse für Frauen aus der Ukraine an. „Es ist wichtig für uns Frauen, dass wir unsere Gefühle teilen können“, sagt Hryhorieva.

Qualvolles Warten

Anna Dudka kam schon vor dem Krieg, im Jahr 2017, nach Deutschland. Die 33-Jährige studiert Psychologie in Frankfurt am Main. Daneben arbeitet sie als wissenschaftliche Hilfskraft in der Psychosozialen Beratungsstelle für Flüchtlinge der Uni. Auch ihre Familie ist zerrissen. „Ich habe einen Bruder in der Ukraine, der noch nicht eingezogen wurde“, erzählt sie. Die ganze Familie stehe unter Anspannung, weil der Einberufungsbescheid jederzeit zugestellt werden könne.

Zum qualvollen Warten auf das nächste Lebenszeichen kommen handfeste Probleme in Deutschland hinzu, mit denen die Frauen weitgehend alleine zurechtkommen müssen. Dudka beriet zum Beispiel eine Ukrainerin, deren Sohn seit drei Monaten die Schule verweigert. Er kommt mit der deutschen Sprache nicht klar. Und er vermisst seine Freunde. Er will nur eines: wieder nach Hause. Dudka sagt, sie sehe häufig depressive Störungen und Angstzustände.

Schwer auszuhalten

Liudmyla Stetsenko, die im März mit ihrem heute elfjährigen Sohn Denys von Sumy in der Nordostukraine nach Quakenbrück (Kreis Osnabrück) floh, hatte einmal drei Wochen lang keinerlei Kontakt zu ihrem Mann. „Auszuhalten, dass man nie weiß, was ist und was wird, ist schwer“, sagt die 48-Jährige. Stetsenkos‘ Mann ist Berufssoldat: „Eigentlich war er in Frührente.“ Doch das nützte nichts. Er wurde eingezogen. Hin und wieder sehen sich die beiden per Video: „Wir versuchen, nicht über den Krieg zu sprechen.“ Das gelingt nicht immer. Manchmal erzählt Stetsenkos‘ Mann von jungen Kameraden, die gestorben sind.

In den ersten Monaten in Deutschland wirkte Sohn Denys psychisch schwer belastet: Denys malte Panzer und andere Kriegsfahrzeuge. Das hat sich später gelegt: „Nun malt er wieder Tiere und Menschen.“ Denys vermisst seinen Vater, seinen Onkel, die Oma. Letztere ist über 80 und pflegebedürftig. Liudmyla Stetsenkos‘ Bruder kümmert sich um sie. Die Familie hofft, dass er nicht eingezogen wird. (epd/mig) Aktuell Panorama

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