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Jüdischer Mann auf der Straße (Symbolfoto) © de.depositphotos.com

Angespuckt, bedroht, geschlagen

Mehr als zwei antisemitische Vorfälle pro Tag in Berlin

Sie werden angespuckt, bedroht, geschlagen: Der Gang auf die Straße ist für viele Berliner Jüdinnen und Juden oft ein Spießrutenlauf. Trotz eines Rückgangs wurden im ersten Halbjahr 2022 stadtweit noch 450 antijüdische Vorfälle gezählt.

Dienstag, 06.12.2022, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 06.12.2022, 15:23 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

In Berlin sind im ersten Halbjahr 2022 weiterhin mehr als zwei antisemitische Vorfälle pro Tag gezählt worden. Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (Rias) dokumentierte nach eigenen Angaben vom Dienstag zwischen Januar und Juni 450 antisemitische Vorfälle. Darunter waren unter anderem neun Angriffe, zehn gezielte Sachbeschädigungen, zehn Bedrohungen und 417 Fälle verletzenden Verhaltens. Die Vorfälle hätten sich in der großen Mehrheit unmittelbar gegen jüdische, israelische oder als solche wahrgenommene Personen oder Institutionen gerichtet.

Laut Rias waren das zwar rund 120 Vorfälle weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Damals waren der Informationsstelle 574 Übergriffe gemeldet worden. Ein Grund für Entwarnung sei das aber nicht, erklärte Projektleiter Benjamin Steinitz: „Unser Bericht zeigt, dass Berliner Jüdinnen und Juden kontinuierlich in den unterschiedlichsten Lebensbereichen mit Antisemitismus konfrontiert werden.“ Das Wissen darüber belaste den Alltag vieler Jüdinnen und Juden.

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Die Täter oder Täterinnen nehmen dabei laut Rias in vielen Fällen jüdische oder israelische Symbole oder Zeichen zum Anlass. So spuckte am 22. Februar ein Mann in Berlin-Mitte eine Frau an, die einen Beutel mit einem Davidstern trug. Am 10. März schlug ein Mann einem jüdischen Touristen in einem Hostel im Prenzlauer Berg die Kippa vom Kopf und verlangte, dass er „Free Palestine“ sagt. Am 29. Mai näherten sich zwei Männer in Neukölln einer Person mit Davidstern-Kette und taten so, als ob sie sie angreifen wollten.

299 antisemitische Vorfälle im Internet

Hass und Hetze sind die Betroffenen aber auch im Internet ausgesetzt. In Berlin ansässige jüdische Organisationen wurden laut Steinitz zwischen Januar und Juni durchschnittlich 1,5 Mal pro Tag unter anderem auf Social-Media-Plattformen antisemitisch angefeindet. Insgesamt wurden laut Rias im Berichtszeitraum 299 antisemitische Vorfälle im Internet gemeldet.

Jenseits des Internets passierten laut der Meldestelle die meisten Vorfälle auf der Straße, gefolgt von Fällen in Bussen, Tram, S- und U-Bahnen. Hier kam es zu 27 antisemitischen Vorfällen, unter anderem zu mehr als der Hälfte der registrierten tätlichen antisemitischen Angriffe.

Erinnerung an Schoah bagatellisiert

Bei fast jedem dritten Vorfall wurde die Erinnerung an die Schoah auf antisemitische Weise abgewehrt oder bagatellisiert. Dazu gehörten Schmierereien wie „Damals die Juden, heute die Ungeimpften“ oder „Impfen macht frei“.

Den trotzdem deutlichen Rückgang der Vorfälle führt der Berliner Antisemitismusbeauftragte Samuel Salzborn unter anderem darauf zurück, dass einige Versammlungen, die sich gegen Israel richten sollten, im April und Mai 2022 verboten wurden. Zudem gebe es bei den Berliner Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden eine große Sensibilität für das Thema. Diese Maßnahmen hätten das Sicherheitsgefühl der Berliner Jüdinnen und Juden im Vergleich zu den Vorjahren trotz fortgesetzter Anfeindungen erhöht, konstatierte der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde Berlin, Sigmount Königsberg. (epd/mig) Leitartikel Panorama

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  1. A.F.B. sagt:

    Offensichtlich sind viele Deutsche, allen voran Bundestag und Bundesregierung in die Falle des zionistischen Regimes getappt, berechtigte Kritik am israelischen Besatzungs- und Apartheidsstaat mit Judenfeindlichkeit gleichzusetzen. Das zionistische Regime versucht, das Judentum als solches für seine Zwecke zu misbrauchen und zu instrumentalisieren, und das Ergebnis ist eine Zunahme von Judenfeindlichkeit („Antisemitismus“). Dabei ist das Problem für uns Muslime gar nicht das Judentum als solches, sondern die Besetzung Palästinas (ganz Palästinas) als Kernland der Islamischen Welt durch eine fremde Macht, wobei die Religionszugehörigkeit der Besatzer eigentlich keine wesentliche Rolle spielt, ob es zionistische Juden oder christliche Kreuzfahrer sind. In der Vergangenheit sind über die Jahrhundert hin Muslime und Juden als Angehörige von Schriftreligionen und Monotheisten überwiegend gut miteinander ausgekommen, bevor die zionistische Bewegung aufkam.