Vor 30 Jahren
Die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen
Vor 30 Jahren ereigneten sich in Rostock Lichtenhagen über vier Tage die schwersten rassistischen Ausschreitungen nach der Wende. Mehrere Tausend schaulustige applaudierten Rechtsextremisten aus ganz Deutschland. Die Polizei versagte.
Sonntag, 21.08.2022, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 22.08.2022, 16:55 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Vor 30 Jahren, vom 22. bis zum 26. August 1992, ereigneten sich im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen die schwersten rassistisch und fremdenfeindlich motivierten Ausschreitungen nach der Wende. Im Verlauf der vier Tage gerieten dabei 150 Menschen in akute Lebensgefahr, nachdem ein Wohnhaus vietnamesischer DDR-Vertragsarbeiter in Brand gesetzt worden war. Mehr als 200 Polizisten wurden verletzt, einer davon schwer.
Die Gewalt, die sich durch Parolen, Sprechchöre, Steine und schließlich Brandbomben ausdrückte, richtete sich gegen die damalige Zentrale Aufnahmestelle für Asylsuchende, gegen Wohnungen der Vietnamesen und gegen die Polizei. Zu den Tätern gehörten auch Rechtsextremisten aus ganz Deutschland. Die Krawalle einiger hundert Gewalttäter wurden durch 2.000 bis 3.000 Sympathisanten und Schaulustige vor Ort unterstützt.
Polizei abgezogen während der Ausschreitungen
Die Aufnahmestelle in Rostock-Lichtenhagen war im „Sonnenblumenhaus“ untergebracht, einem elfstöckigen Plattenbau aus DDR-Zeiten. Nachdem es der Polizei drei Tage lang nicht gelungen war, die Krawalle zu beenden, wurden die Asylsuchenden am Nachmittag des 24. August in Bussen evakuiert. Am Abend desselben Tages wurde die Polizei für zwei Stunden abgezogen. Mit Molotow-Cocktails setzten Gewalttäter das angrenzende Wohnheim der Vietnamesen in Brand.
Die in diesem Haus verbliebenen Menschen – darunter 120 vietnamesische Vertragsarbeiter, ein fünfköpfiges Fernsehteam des ZDF sowie einige Rostocker – drohten an Rauchvergiftung oder durch das in den unteren Stockwerken entstandene Feuer zu sterben. Die Flucht über das Dach in einen anderen Hausaufgang rettete ihnen schließlich das Leben.
Für nichts garantieren können
Die Ausschreitungen im August 1992 hatten eine längere Vorgeschichte. Über Monate hatten sich die Spannungen vor Ort verschärft. Der damalige Rostocker Ausländerbeauftragte Wolfgang Richter hatte bereits im Sommer 1991 für Oberbürgermeister Klaus Kilimann (SPD) ein Schreiben an den Schweriner Innenminister Lothar Kupfer (CDU) verfasst. Darin stand unter anderem, dass er in diesem Stadtteil für nichts garantieren könne und auch Tötungsdelikte nicht auszuschließen seien, sollte sich an der Situation vor Ort nicht kurzfristig etwas ändern.
In Lichtenhagen war damals ein großer Teil der Bewohner arbeitslos und durch die sozialen Folgen der deutschen Vereinigung verunsichert. Seit Monaten campierten Geflüchtete, die angeblich wegen Überlastung von der Erstaufnahmestelle noch nicht aufgenommen worden waren, auf den Freiflächen zwischen den Hochhäusern. (epd/mig) Aktuell Panorama
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