Statistik für 2021
Zahl politischer Straftaten erreicht neuen Höchststand
2021 gab es erneut ein Rekordhoch politisch motivierter Kriminalität, verursacht auch durch das Milieu der Corona-Leugner und Verschwörungsideologen. Bundesinnenministerin Faeser macht sie zudem für die Zunahme antisemitischer Taten verantwortlich.
Dienstag, 10.05.2022, 20:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 10.05.2022, 15:30 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die heftigen Debatten um die Corona-Maßnahmen und hitzige Wahlkämpfe haben im vergangenen Jahr eine Zunahme extremistischer Kriminalität und Gewalt mit sich gebracht. Wie aus der am Dienstag in Berlin vorgestellten Jahresstatistik des Bundeskriminalamts (BKA) hervorgeht, stieg die Zahl der politisch motivierten Straftaten im Jahr 2021 auf einen neuen Höchststand. Insgesamt registrierte die Polizei 55.048 solcher Delikte.
Zugenommen haben vor allem Straftaten, die die Behörden nicht dem klassischen Spektrum des Rechts- und Linksextremismus zurechnen. Viele stehen im Zusammenhang mit staatskritischen bis -feindlichen Haltungen, die in der Corona-Pandemie zum Ausdruck kamen, teilten BKA-Präsident Holger Münch und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei der Präsentation der Zahlen mit. Die Zahl der Delikte in der Kategorie „nicht zuzuordnen“ wuchs von rund 8.500 auf mehr als 21.000. Jeweils rund 7.000 Straftaten standen dabei im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sowie mit Wahlen im Bund und einigen Ländern.
Die Zahl der Delikte im Rechts- und Linksextremismus ging dagegen leicht zurück. Entwarnung geben Münch und Faeser dennoch nicht. Die meisten politisch motivierten Straftaten seien rechts motiviert, erklärten sie. 40 Prozent aller Opfer politisch motivierter Gewalttaten seien 2021 von Rechtsextremisten attackiert worden, betonte die Innenministerin. Die Zahl der Gewalttaten nahm 2021 um 15,5 Prozent auf 3.889 zu. Rund zwei Drittel davon waren Körperverletzungen. Die meisten Gewalttaten – 1.444 – entfielen ebenfalls auf die Kategorie „nicht zuzuordnen“, während 1.042 weitere dem rechten, 1.203 dem linken Spektrum zugerechnet wurden.
Zunahme von Bewaffnung und Tag-X-Terrorplänen
Das BKA analysiert laut Münch derzeit, ob und wie die unspezifische Kategorie künftig besser aufgeschlüsselt werden kann. Die innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Martina Renner, erklärte, die unklare Benennung führe zu einer Unterschätzung der Gefahr von rechts. Ideologiemomente wie antisemitische Verschwörungserzählungen entstammten eindeutig der extremen Rechten, sagte sie. Die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen seien „im Kern rechtsextrem“, kritisierte auch die Amadeu-Antonio-Stiftung die statistische Zuordnung.
Die Expertin für Verschwörungsmilieus, Pia Lamberty, sieht in der Coronaleugner-Szene einen Brandbeschleuniger für rechtsextreme Gewalt. „Seit Beginn der Pandemie sehen wir eine bedrohliche Zunahme von Bewaffnung und Tag-X-Terrorplänen in diesen Bewegungen“, sagte die Geschäftsführerin des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie bei der Vorstellung der Statistik der Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt am Dienstag in Berlin. Die Normalisierung von Antisemitismus und Rassismus in der Verschwörungsideologie-Szene schaffe den Nährboden für schwerste Gewalttaten.
Faeser: Anstieg antisemitischen Straftaten „zutiefst beunruhigend“
Innenministerin Faeser macht nach eigenen Worten die Corona-Leugner-Szene zumindest für den Anstieg der antisemitischen Straftaten verantwortlich. Deren Zahl wuchs im vergangenen Jahr erneut um 29 Prozent auf 3.027. Dies sei „zutiefst beunruhigend“, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, erläuterte, der Anstieg sei auch darauf zurückzuführen, dass sich die Anzeigebereitschaft bei Opfern judenfeindlicher Kriminalität erhöht hat. Es gelinge, das Dunkelfeld mehr aufzuhellen, sagte er. Das Ausmaß nannte er dennoch „erschreckend“. Bei 84 Prozent der antisemitischen Taten sind der Statistik zufolge rechtsextreme Motive ausschlaggebend. Faeser warnte aber auch vor einem lauter werdenden islamistischen Antisemitismus.
Wie aus dem Bericht außerdem hervorgeht, wurde im vergangenen Jahr ein Rückgang islamfeindlich motivierter Strafteten um fast 29 Prozent verzeichnet (732; 2020: 1.026). Zurückgegangen sind auch Straftaten im Themenfeld „Ausländerfeindlich“ (-10 Prozent) sowie „Fremdenfeindlich“ mit einem Minus von knapp 2 Prozent.(epd/mig) Leitartikel Panorama
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