„Hitlergruß tut niemandem weh“
Berliner Polizist weiter im Dienst – seit 2,5 Jahren
Seit zweieinhalb Jahren läuft gegen einen Berliner Polizeibeamten ein Disziplinarverfahren. Verdacht: Rechtsextremismus. Jetzt hat eine Bürgerinitiative Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Polizeipräsidentin eingelegt. Vorwurf: Untätigkeit. Der Innensenat glänzt mit Nichtwissen und Desinteresse.
Mittwoch, 02.02.2022, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 02.02.2022, 9:17 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Bürgerinitiative „Basta“ demonstriert seit Mai 2019 wöchentlich vor dem Berliner Landeskriminalamt. Sie fordert Aufklärung rechter Straftaten in Neukölln und Offenlegung rechter Strukturen in Berliner Ermittlungsbehörden. Die Demonstrationen werden beaufsichtigt von der Polizei. Dabei fallen immer wieder kritische Kommentare von den Beamten. So auch am 20. Juni 2019.
An diesem Tag sei ein Polizeibeamter im Beisein von mindestens vier Demonstranten besonders negativ aufgefallen. Einem Gedächtnisprotokoll zufolge, das dem MiGAZIN vorliegt, soll er ausländerfeindliche und rassistische Einstellungen offenbart haben. So gebe es seiner Meinung nach keine Probleme mit Rechten. NSU sei eine Ausnahme gewesen und: Wenn jemand den rechten Arm zum Hitlergruß hebe, tue das niemandem weh.
Laut Protokoll hat der Polizeibeamte die Demonstranten aufgefordert, besser gegen „Ausländer (Araber und Schwarze)“ zu demonstrieren, weil die vergewaltigten und mordeten. 99 Prozent aller Straftaten würden von Ausländer begangen – anderen Statistiken glaube der Polizeibeamte nicht, heißt es im Protokoll. Beistehende Polizisten hätten den Ausführungen ihres Kollegen nickend zugestimmt. „Es ist keine Einzelmeinung“, so „Basta“.
2,5 Jahre für Disziplinarverfahren
Deshalb zeigten Vertreter der Initiative den Beamten an und legten Beschwerde beim Polizeipräsidium Berlin ein. Im Oktober 2019 wurde ein behördliches Disziplinarverfahren eingeleitet, mehrere Zeugen wurden zum Verhör eingeladen. In einem Schreiben des Polizeipräsidiums an „Basta“ (liegt der Redaktion vor) heißt es, die Beschwerden würden „sehr ernst genommen“. Sollte ein Fehlverhalten festgestellt werden, würden „Konsequenzen gezogen“.
Darauf wartet „Basta“ – knappe zweieinhalb Jahre nach der Beschwerde – nach wie vor. Auf eine Anfrage des MiGAZIN teilte das Berliner Polizeipräsidium im Dezember 2021 mit, dass das „Verfahren noch nicht abgeschlossen“ ist. Einen Grund nannte die Stelle nicht. Aufgrund andauernder Ermittlungen könnten „keine weiteren Auskünfte erteilt werden“, hieß es. „Basta“ ist die Verfahrensdauer ein Rätsel.
Senat kann weiß nichts
Auf Anfrage erklärte der Berliner Innensenat diesem Magazin, dass Disziplinarverfahren „zügig, aber auch gewissenhaft durchgeführt“ würden. Sei der Sachverhalt jedoch Gegenstand eines Strafverfahrens, müsse zunächst das Ergebnis des Verfahrens abgewartet werden. „Es ist nachvollziehbar, dass die Dauer von entsprechenden Verfahren oft als zu lang empfunden wird. Im konkreten Fall betreibt die Polizei das Verfahren mit besonderem Nachdruck, eine unangemessene zeitliche Verzögerung ist nach bisheriger Prüfung nicht zu erkennen“, heißt es in der Antwort.
So weit nachvollziehbar. Die Krux: Recherchen des MiGAZIN zeigen, in dem Strafverfahren läuft gar kein Strafverfahren. Das geht aus einem Schreiben der Staatsanwaltschaft hervor, datiert mit Juli 2019, bereits wenige Wochen nach der Basta-Beschwerde. Auf erneute Nachfrage teilte ein Senatssprecher der Redaktion mit, dass sie die Frage, ob in dem Fall ein Strafverfahren läuft, „nicht beantworten“ kann.
„Das macht uns Angst“
Jetzt hat die Initiative eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Polizeipräsidentin Slowik bei der neuen Innensenatorin Iris Spranger (SPD) eingelegt. „Die Innenverwaltung weiß nicht, ob bei einem namentlich bekannten Polizeibeamten, der sich rechtsextrem gegenüber ‚Basta‘ geäußert hat, ein Strafverfahren anhängig ist“, heißt es in dem Beschwerdeschreiben, das der Redaktion vorliegt.
Es bestehe offensichtlich auch kein Interesse an einer Klärung. „Der Polizeibeamte kann unbehelligt seinen Dienst weiter ausüben“, kritisieren die Beschwerdeführer. Dieser Vorgang zeige, dass der Wille zur Aufklärung von rechtsextremen Fällen in Berlin offensichtlich nicht vorhanden ist. Das zu wissen, so die Initiative weiter, „macht uns Angst“.
Berlin-Neukölln wird seit Jahren von einer Brandanschlagsserie in Atem gehalten. Die Ermittlungen dauern bis heute ergebnislos an. Mitte 2020 teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit, zwei Staatsanwälte von den Ermittlungen abgezogen zu haben. Grund: Verdacht auf Befangenheit – beziehungsweise eine Nähe zur AfD. (mig) Leitartikel Panorama
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