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Polizei setzt Wasserwerfer gegen "Querdenker"-Gegendemonstranten ein

Politisch rechts

Warnung vor Radikalisierung des „Querdenker“-Milieus

Laut Bundesinnenminister Seehofer wird die „Querdenker“-Szene immer radikaler. Auch mehrere Bundesländer und Oberbürgermeister schlagen Alarm und beobachten eine wachsende Gewaltbereitschaft des Milieus.

Montag, 27.09.2021, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 27.09.2021, 3:06 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Nach dem Mord an einem Studenten in Idar-Oberstein hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vor einer Radikalisierung der sogenannten Querdenker-Bewegung in Deutschland gewarnt. „Die politisch motivierte Gewalt in Deutschland durch ‚Querdenker‘ ist gefährlich für unser Land“, sagte Seehofer dem Boulevardblatt „Bild am Sonntag“. Die Gruppe der „Querdenker“ werde zwar immer kleiner, aber leider auch immer radikaler und brutaler.

Auch Oberbürgermeister und die Sicherheitsbehörden mehrerer Bundesländer zeigen sich sehr besorgt von der wachsenden Gewaltbereitschaft der Szene. Seehofer forderte indessen harte Strafen für die Täter und auch deren Unterstützer: „Die Täter und diejenigen, die Verbrechen wie in Idar-Oberstein unterstützen, müssen hart bestraft werden.“

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In Idar-Oberstein tötete am 18. September ein mutmaßlicher Maskenverweigerer einen 20-jährigen Tankstellen-Mitarbeiter mit einem Revolver. Der 49-jährige Tatverdächtige wollte ohne den in der Pandemie vorgeschriebenen Mund-Nasen-Schutz Bier kaufen. Darüber gab es laut Polizei zwischen ihm und dem späteren Opfer „eine kurze Diskussion“. Danach verließ der 49-Jährige den Angaben zufolge die Tankstelle, kam aber etwa eineinhalb Stunden später zurück und erschoss den Studenten. In seiner Vernehmung gab er laut Polizei an, er lehne die Anti-Corona-Maßnahmen ab. Die Tat löste bundesweit Entsetzen aus.

Politisch rechts motivierter Mord

Oberbürgermeister deutscher Kommunen warnen vor einer zunehmenden Radikalisierung in der Gesellschaft. „Wir erleben eine Verrohung, wie wir sie bisher nicht kannten“, sagte Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) dem „Tagesspiegel“. Dies habe 2015 mit der Flüchtlingsdebatte begonnen und sich in der Pandemie fortgesetzt von Reichsbürgern bis zu Corona-Leugnern. „Die Radikalisierung in der Gesellschaft trifft uns vor Ort besonders hart“, sagte der Präsident des Deutschen Städtetages.

Der Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), René Wilke (Linke), sagte der Zeitung, er mache sich ernsthafte Sorgen um die Fähigkeit der Gesellschaft, in den nächsten Jahren die notwendigen Diskussionen respektvoll führen zu können. Die Bonner Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne) forderte, klar zu benennen, dass die Tat von Idar-Oberstein „in einem gewissen Sinne ein politisch motivierter Mord war, ausgeübt von einem Täter mit rechtem, verschwörungstheoretischem Hintergrund und Netzwerk“.

Verfahren werden oft eingestellt

Die Kommunalpolitiker sehen sich nur unzureichend vor Beleidigungen und Bedrohungen geschützt: „Wenn es hart auf hart kommt, fühle ich mich ausgeliefert, weil man überhaupt keine Möglichkeit hat, sich zur Wehr zu setzen“, sagte die Augsburger Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU). Wenn sie Anzeige erstatte, würden die Verfahren oft eingestellt.

Des Weiteren zeigen sich die Sicherheitsbehörden mehrerer Bundesländer einer Umfrage der Zeitungen der Funke Mediengruppe zufolge äußerst besorgt über das Gefahrenpotenzial, das von sogenannten Corona-Leugnern und der „Querdenker“-Szene ausgeht. Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein warnen vor einer Radikalisierung der Anti-Corona-Proteste, wie die Zeitungen der Funke Mediengruppe berichteten. Auch Niedersachsen teilte mit, dass in der Szene von „Forderungen nach einem Regierungssturz“ die Rede sei. Das Landesamt für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg sehe insbesondere ein Gefahrenpotenzial durch extremistische Verschwörungsideologien wie „QAnon“, die wiederum von zahlreichen Akteuren aus der „Querdenker“-Bewegung heraus gestreut würden, hieß es weiter.

Wachsende Gewaltbereitschaft

Einzelne Innenbehörden sehen demnach zudem eine wachsende Gewaltbereitschaft in der Szene der „Corona-Leugner“. Brandenburg habe zum Beispiel im Jahr 2021 bisher 133 Straftaten, davon acht Gewaltdelikte, registriert, die im Zusammenhang mit der Pandemie verübt wurden (2020: 89 Straftaten, davon 13 Gewaltdelikte). In Nordrhein-Westfalen werden laut Innenministerium 14 „Querdenker“-Initiativen vom Verfassungsschutz beobachtet.

Die Innenministerien der Bundesländer wiesen in der Umfrage der Funke-Zeitungen aber auch daraufhin, dass sich an Versammlungen gegen die Corona-Auflagen auch nicht-radikale Menschen beteiligten. Die Thüringer Polizei erklärte, die Szene umfasse ein breites Spektrum, das sich sowohl aus den bürgerlichen Schichten als auch aus Esoterikern, der rechten und linken Szene und der Reichsbürgerbewegung zusammensetze. (epd/mig) Aktuell Panorama

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