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Verfassungsschutzbericht

Bedrohung durch Extremismus hat durch Pandemie zugenommen

Die Corona-Pandemie hat die Gefahr durch Rechtsextremismus verschärft, sagt Innenminister Seehofer. Am Dienstag stellte er den Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz vor. Extremisten gingen nicht in den Lockdown, sagte dessen Chef Haldenwang. 90 Prozent aller antisemitischen Straftaten gehen auf das Konto von Rechtsextremisten. Amnesty warnt: Polizei muss mehr gegen Rassismus tun.

Mittwoch, 16.06.2021, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 15.06.2021, 20:20 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat sich besorgt über eine Zunahme extremistischer Tendenzen während der Corona-Pandemie geäußert. Es gebe nicht nur eine besondere Gesundheitslage, sondern auch eine besondere Sicherheitslage, sagte Seehofer am Dienstag bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für das vergangene Jahr in Berlin. Die größte Bedrohung für die Sicherheit seien nach wie vor Rechtsextremismus und Antisemitismus, betonte Seehofer.

Zwar seien zahlreiche rechtsextreme Großveranstaltungen im vergangenen Jahr abgesagt worden, sagte der Minister. Dafür hätten sich Rechtsextreme bemüht, über die Proteste gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen Anschluss an das bürgerliche Spektrum zu finden. Sie hätten dem Protest ihren Stempel aufdrücken können, „obwohl sie von der Personenzahl deutlich in der Minderheit waren“, sagte Seehofer und äußerte sich besorgt über die mangelnde Abgrenzung der Mehrheit der Demonstranten gegen mitlaufende Extremisten.

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Zunahme extremistischer Aktivitäten

Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, bestätigte, extremistische Aktivitäten hätten 2020 zugenommen. „Extremisten und Terroristen gehen nicht in den Lockdown“, sagte er. Deren gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichteten Aktivitäten seien in die virtuelle Welt verlegt worden.

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Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte im April bekannt gegeben, dass es Personen der „Querdenken“-Bewegung, die häufig Anmelderin von Protesten gegen die Corona-Maßnahmen war, beobachtet. Die Behörde richtete dafür eigens die Kategorie „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ ein. Begründet wurde der Schritt wegen der Beteiligung einschlägiger Extremisten bei der Bewegung sowie Verbindungen in die Szene der „Reichsbürger“. Deren Zulauf hat sich dem Verfassungsschutzbericht zufolge 2020 vergrößert. Der Szene werden werden 20.000 Anhänger zugerechnet. 2019 waren es noch 1.000 weniger.

Neue Rechte

Erneut gestiegen ist laut den Verfassungsschützern auch das Personenpotenzial der rechtsextremen Szene. Mehr als 33.000 Anhänger werden ihr zugerechnet, mehr als 13.000 davon gelten als gewaltbereit. Erstmals ist der sogenannten Neuen Rechten ein eigenes Kapitel im Verfassungsschutzbericht gewidmet. Sie seien die „geistigen Brandstifter“ der Szene, sagte Haldenwang. Seehofer sagte, durch einen „pseudo-intellektuellen Anstrich“ versuche die Neue Rechte, rechtsextremes Gedankengut in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen und die Grenze des Sagbaren zu verschieben. Der Neuen Rechten zugerechnet werden im Bericht unter anderem die „Identitäre Bewegung“, der das „Compact-Magazin“ herausgebende Verlag von Jürgen Elsässer das „Institut für Staatspolitik“ in Sachsen-Anhalt.

Gleichzeitig warnte Seehofer, auch Linksextremismus und Islamismus nicht zu unterschätzen. Linksextreme Gewalt zeige sich „zunehmend enthemmt“, vor allem Brandanschläge, bei denen teilweise auch die Gefahr für Menschenleben in Kauf genommen werde, gingen auf das Konto dieser Szene. Der Verfassungsschutzbericht beziffert das Personenpotenzial dieser Szene auf mehr als 34.000, davon gelten rund 9.600 Anhänger als gewaltorientiert.

Antisemitismus: 90 Prozent geht auf rechtes Konto

Zum Thema Antisemitismus sagte Seehofer, dass rund 90 Prozent der Taten in diesem Bereich von Rechtsextremen begangen würden. Vor der Innenministerkonferenz, die von Mittwoch an in Rust

(Baden-Württemberg) tagt, ist allerdings erneut eine Debatte darüber entflammt, ob die Registrierung zutreffend ist oder präzisiert werden muss. Seehofer sagte, Vorschläge zur genaueren Differenzierung, „die belastbar sind“, werde er unterstützen. Haldenwang sagte, Antisemitismus sei eine Klammer, die zahlreiche Extremisten vereine. Er würde es begrüßen, wenn die polizeiliche Datengrundlage optimiert wird, sagte er.

Amnesty: Polizei muss mehr gegen Rassismus tun

Amnesty International indes hat die Innenminister von Bund und Ländern aufgefordert, den Kampf gegen Rassismus auf der anstehenden Innenministerkonferenz zu thematisieren. „Die Bekämpfung rassistischer Gewalt ist eine der vorrangigen Fragen der inneren Sicherheit“, erklärte der Generalsekretär von Amnesty Deutschland, Markus Beeko, am Dienstag in Berlin. Die Zahl der rassistischen Gewalttaten steige weiter. Bei Ermittlungen werde immer wieder deutlich, dass nicht alle Polizisten ausreichend darin geschult seien, rassistische Taten als solche zu erkennen und aufzuklären sowie Betroffene sensibel zu beraten.

Unter dem Titel „Einsatzbereit gegen Rassismus“ fordert die Menschenrechtsorganisation unter anderem vom Bund und den Ländern Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland, eine individuelle Kennzeichnungspflicht für Polizisten einzuführen. Zudem sollte es überall verpflichtende Antirassismus-Trainings geben. Für ein konsequentes Vorgehen gegen Rassismus seien auch anonyme Meldemöglichkeiten für Hinweisgeber aus der Polizei nötig. Zudem müssten zur Vermeidung von sogenanntem Racial Profiling die Rechtsgrundlagen für anlasslose und verdachtsunabhängige Kontrollen abgeschafft werden. Weiter plädiert Amnesty für unabhängige Beschwerdestellen bei rechtswidrigem Polizeiverhalten. (epd/mig) Aktuell Panorama

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