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Schoah-Relativierung

NS-Vergleiche auf Corona-Leugner-Demos erneten scharfe Kritik

Die Empörung darüber, dass sich Demonstranten gegen die Corona-Maßnahmen mit NS-Opfern vergleichen, reißt nicht ab. "Der Holocaust ist kein Abziehbild für jedwede Opfergefühle", sagt der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung.

Mittwoch, 25.11.2020, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 24.11.2020, 15:40 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat Gleichsetzungen aus der „Querdenken“-Bewegung von aktuellen Corona-Beschränkungen mit der Verfolgung von Juden während des Nationalsozialismus scharf kritisiert. „Die zunehmenden Vergleiche von Protestierenden gegen die Corona-Maßnahmen mit Opfern des Nationalsozialismus verhöhnen die tatsächlichen Opfer und relativieren die Schoah“, sagte er. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) sagte: „Wenn jemand öffentlich das eigene Handeln als Demo-Anmelderin und vermeintliche Widerständlerin mit dem mutigen Handeln von Sophie Scholl vergleicht, dreht sich mir der Magen um.“

Am Samstag hatte eine junge Frau, die sich als „Jana aus Kassel“ vorstellte, auf einer „Querdenken“-Bühne in Hannover gesagt: „Ich fühle mich wie Sophie Scholl, da ich seit Monaten aktiv im Widerstand bin, Reden halte, auf Demos gehe, Flyer verteile und auch seit gestern Versammlungen anmelde.“ Sophie Scholl und ihr Bruder Hans Scholl gehörten zur Widerstandsgruppe „Weiße Rose“. Sie wurden 1943 wegen ihres Widerstandes gegen den Nationalsozialismus hingerichtet. Eine Woche zuvor hatte eine Elfjährige auf einer „Querdenken“-Bühne in Karlsruhe die Tatsache, dass sie ihren Geburtstag nicht wie gewohnt feiern konnte, in Beziehung gesetzt zum Schicksal von Anne Frank, die sich in einem Hinterhaus in Amsterdam vor den Nationalsozialisten versteckte hatte und später im Konzentrationslager Bergen-Belsen ums Leben kam.

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Kahane: Deutschland „Spitzenreiter“

Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, sagte, Verschwörungsideologien hätten immer ein antisemitisches Betriebssystem. Denn Antisemitismus sei die Idee vom bösen Juden, den man beschuldigen könne für alles was schiefgehe. „Die Corona-Proteste haben etwas geschafft, was vorher so nicht möglich zu sein schien“, betonte sie: Dass verschiedenste Milieus sich zusammenfänden, um sich in einer „geradezu irrationalen Form“ aufzulehnen gegen die Errungenschaften der Moderne. Deutschland sei „Spitzenreiter“ dabei – in anderen europäischen Ländern gebe es Proteste in dieser Form nicht. Kahane forderte mehr Programme, die sich gezielt gegen Verschwörungsideologien richteten. Außerdem müsse die Polizei entsprechend geschult und der Schutz jüdischer Einrichtungen müsse verbessert werden. Die Amadeu-Antonio-Stiftung engagiert sich seit mehr als 20 Jahren gegen Rechtsextremismus.

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Der Antisemitismusbeauftragte Klein sagte dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“: „Der Holocaust ist kein Abziehbild für jedwede Opfergefühle.“ Die jüngsten Vorgänge in Hannover und Karlsruhe zeigten vielmehr, wie wichtig Bildung sei. „Wer über Anne Frank und Sophie Scholl gut Bescheid weiß, wird kaum solch krude Verharmlosungen äußern.“ Juso-Chef Kevin Kühnert sprach sich dafür aus, massiv in Prävention, Aufklärung und Forschungsarbeit zu investieren. Betroffenen müssten Strategien zum Umgang mit radikalisierten Menschen in der Verwandtschaft oder am Arbeitsplatz an die Hand gegeben werden

Pistorius und Söder kritisieren „absurde Selbstvergleiche“

Pistorius nannte die „irrlichternden Äußerungen“ einzelner Demonstrationsteilnehmer „zum Teil beschämend“. Der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ sagte er: „Zum Vergleich: Sophie Scholl verteilte 1943, zwischen SS- und Gestapo-Terror, in einer skrupellos mordenden und folternden Diktatur Flugblätter, wurde im Schnellverfahren von gleichgeschalteten Nazi-Gerichten zum Tode verurteilt und nach nur vier Stunden per Guillotine geköpft.“ Sophie Scholl sei eine mutige Heldin, die kompromisslos für Freiheit und Menschlichkeit in einer menschenverachtenden Diktatur gekämpft habe, sagte der SPD-Politiker: „Die Demonstranten der ‚Querdenker‘-Demos kämpfen in einer der freiheitlichsten Demokratien der Welt dafür, beim Samstagseinkauf keine Maske tragen zu müssen und haben dabei schlimmstenfalls einen Twitter-Shitstorm zu fürchten. Diese Form von Geschichtsvergessenheit und die schamlose Selbstbezogenheit vieler ‚Querdenker‘ und ähnlicher Verbindungen machen mich wütend.“

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, es gelte genau hinzusehen, welche „Verbindungen und Verflechtungen es zwischen AfD und ‚Querdenkern‘ gibt“. Er habe kein Problem mit anderen Meinungen: „Natürlich haben wir alle Verständnis und Respekt für die kritischen Fragen derer, die durch Corona in ihrer Existenz bedroht sind.“ Bei „Querdenkern“, Rechtsextremen, „Reichsbürgern“ und Verschwörungstheoretikern mit antisemitischem Hintergrund höre die Toleranz aber auf, sagte Söder dem „Donaukurier“ und der „Passauer Neuen Presse“: „Gerade die ‚Querdenker‘ entwickeln sich sektenähnlich und isolieren normale Bürger in ihrer Verschwörungsblase.“ Absurde Selbstvergleiche mit Sophie Scholl oder die Gleichsetzung des Infektionsschutzgesetzes mit dem Ermächtigungsgesetz der NSDAP belegten das „verzerrte Weltbild“ der Gruppe. (epd/mig) Aktuell Panorama

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